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EU-Wirtschaftsregierung soll Euro neuen Lebensatem einhauchen

Die EU-Kommission will dem bedrängten Euro mit einer europäischen Wirtschaftsregierung «neuen Lebensatem einhauchen». Das kündigte Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch an. Brüssel verlangt Einblick in die Budgetplanungen der Euro-Mitgliedsstaaten noch vor den nationalen Parlamenten. Nur so könne die Politik auf europäischer Ebene gesteuert werden.

Brüssel. - «Es gibt keine Währungsunion ohne Wirtschaftsunion», sagte Barroso. «Die Mitgliedstaaten müssen wissen, ob sie das wollen oder nicht. Sonst wäre es besser, die Währungsunion einfach zu vergessen.» Der Kommissionschef appellierte an den «gesunden Menschenverstand» in den Mitgliedstaaten, nachdem die Griechenland-Krise den gesamten Euroraum ins Wanken gebracht habe.

Barroso und sein Finanzkommissar Olli Rehn legten die Grundzüge für einen «Euro-Konsolidierungspakt» vor, der vier Kernelemente enthält: eine Abstimmung der Haushalts- und Wirtschaftspolitik aller 16 Mitglieder; härtere Strafen für Schuldensünder; einen Abbau der Wettbewerbs-Ungleichgewichte; ein permanenter Krisenmechanismus, der in Notsituationen wie der drohenden Pleite Athens schnell greifen kann.

Wie reagiert Berlin?

Sollte sich die Kommission durchsetzen, wäre dies die erste und zugleich tiefgreifende Reform des elf Jahre alten Euro-Systems. Deutschland war bislang strikt dagegen, Hoheit über die Haushaltspolitik abzutreten. Auch Kritik am deutschen Ungleichgewicht durch den starken Exportüberschuss wies Berlin vehement zurück.

Barroso stellte klar, dass starke Länder nicht gebremst werden. Es gehe darum, schwache Länder fitzumachen. Dafür sollen Indikatoren für Produktivität, Beschäftigungsrate, Arbeitslosigkeit und Verschuldung etabliert werden. Rehn verwies auf Griechenland. Athen habe in den zurückliegenden Jahren stets an Wettbewerbsfähigkeit eingebüsst. «Wir müssen anhand der Indikatoren ein Frühwarnsystem schaffen. Damit das Land etwas tun kann, bevor sich die Lage weiter verschlimmert.»

Das Eingreifen in die Haushaltspolitik solle nicht soweit gehen, die Souveränität der nationalen Parlamente aufzuheben, betonte der Kommissar. Das Budget solle nicht en Detail aufgedröselt werden. «Aber wenn wir eine Gemeinschaftswährung haben, ist es nur recht und billig, wenn wir einen Blick in den Haushaltsplan werfen und Empfehlungen abgeben können.»

Die «Ex-Ante-Steuerung» wird nach Rehns Vorstellungen künftig in einem «europäischen Semester» erledigt: In den ersten Monaten eines Jahres legen die Hauptstädte in Brüssel ihre Strategien vor, die dann analysiert und abgeglichen werden. Erst danach soll die konkrete Budgetplanung der nationalen Regierungen und ihrer Parlamente beginnen.

«Jetzt müssen wir die Wurzel packen»

«Europa musste sich mit einer Notsituation herumschlagen, jetzt müssen wir die Wurzel packen», rechtfertigte Barroso die weitreichenden Vorschläge. Mit Blick auf gezielte Sanktionen gegen hartnäckige Defizitsünder blieb die Kommission indes vage. Ein frühzeitigeres Kappen von Zuschüssen sei möglich. Die Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, den schwarzen Schafen vorübergehend das Stimmrecht zu entziehen, griffen Barroso und Rehn nicht auf. Auch der geplante permanente Krisenlösungsmechanismus blieb am Mittwoch noch unkonkret.

Als ermutigendes Signal wertete Rehn den Vorschlag der Kommission, Estland im kommenden Jahr in die Euro-Gemeinschaft aufzunehmen. Es gebe eine Warteschlange «rein in den Euro und nicht raus aus dem Euro». Die positive Entscheidung für Tallin sei aufgrund «objektiver Kriterien» getroffen worden.

In der Tat wäre das Land mit einem prognostizierten Defizit von 2,4 Prozent und einer Gesamtverschuldung von 9,5 Prozent des BIP in diesem Jahr mit weitem Abstand Euro-Klassenprimus und würde als einziger Staat den Stabilitätspakt einhalten. (sda)
 

 

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