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Datendieb: Interview mit einem Phantom

Im Frühjahr porträtierte ein Dokumentarfilm den Datendieb Heinrich Kieber als Gauner, der stets nur auf seinen Vorteil bedacht war. Im «Stern» schildert Kieber heute seine Sicht der Dinge: «Ich wollte nur Gerechtigkeit.»

Von Wolfgang Frey

Vaduz/Hamburg. – Heinrich Kieber ist der meistgesuchte Kriminelle Liechtensteins. Er ist irgendwo untergetaucht und wird von ausländischen Geheimdiensten geschützt. Er ist Millionär, denn für seine bei der fürstlichen LGT Treuhand geklauten Kundendaten hat er ein fürstliches Salär vom deutschen Geheimdienst BND bekommen. Er hat den Finanzplatz und das Land in eine historische Krise gestürzt, die Liechtenstein das Privileg des Bankgeheimnisses kostete. Seit er in einem Zeugenschutzprogramm untergetaucht ist, ist der verurteilte Datendieb ein Phantom. Heute ziert dieses Phantom die Titelseite des «Stern» und gibt darin ein neun Seiten langes Interview, das dem «Liechtensteiner Vaterland» vorliegt. Darin behauptet er: Er habe sich an Fürst Hans-Adam II. rächen wollen. Und es sei ihm im Gegensatz zu anderen Datendieben nie um Geld gegangen: «Ich wollte nur Gerechtigkeit.»
 

Zweifache Rache
 

Der Rachefeldzug Kiebers ist nach seiner eigenen Darstellung ein ganz persönlicher. Er habe nichts mit Steuerhinterziehung zu tun, so Kieber im «Stern». Die beim Treuhandbüro gestohlenen Daten seien lediglich ein willkommenes Druckmittel gewesen: «Ich wollte nur eines: meine verdammten Folterer auf die Klagebank bringen.»
Kieber erzählt im «Stern», wie er 1997 in Argentinien entführt, misshandelt und knapp zwei Wochen gefangen gehalten wurde. Trotz einer Anzeige kam die Causa in Liechtenstein allerdings nie vor Gericht. Kieber wirft Fürst Hans-Adam II. im «Stern» vor, ihn «verarscht» zu haben. Der Fürst habe ihm versprochen, seine Folterer vor Gericht zu stellen. Doch das sei nie passiert.
Fürst Hans Adam II., der derzeit in den Ferien weilt, war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Sigvard Wohlwend, Koautor des im Frühjahr in Liechtenstein gezeigten Dokumentarfilms «Heinrich Kieber – Datendieb», bestätigte die Argentinien-Geschichte grundsätzlich. Kieber blende dabei allerdings aus, dass er selbst einen grossen Anteil an der Entführung gehabt habe, sagte er «Spiegel Online». Kieber habe zuvor schliesslich einen Deutschen in Spanien um eine Immobilie und damit um viel Geld geprellt. Das habe dieser von Kieber wiederhaben wollen – wenn auch mit zweifelhaften Mitteln. Wegen des Betrugs an dem Deutschen wurde Kieber im Übrigen in Liechtenstein bereits verurteilt.
Während sich der geprellte Deutsche mit einer Entführung offenbar an Kieber rächen wollte, rächte sich Kieber nach eigener Darstellung später an Fürst Hans-Adam II. mit dem Verkauf der Kundendaten.
 

Noch mehr Prominente
 

Dieser Datendeal eskalierte am 14. Februar 2008 mit der Verhaftung des deutschen Topmanagers Klaus Zumwinkel. Zu seiner «Überraschung» sei es der einzige derart Prominente, dem der Prozess gemacht worden sei, erzählt Kieber im «Stern». Immerhin habe er Daten von 3929 Stiftungen, Gesellschaften und Trusts sowie von 5828 natürlichen Personen bei der LGT Treuhand entwendet – und neben den deutschen auch den Behörden von einem Dutzend anderer Länder angeboten. Darunter seien 45 weitere Prominente wie Zumwinkel, sagt der 45 Jahre alte Liechtensteiner.
Milliarden von Schwarzgeld aus der ganzen Welt seien nach Liechtenstein geflossen, berichtet Kieber seinem deutschen Publikum. Über Konten von Briefkastenfirmen in Spanien oder Portugal, die indirekt der LGT Treuhand gehörten, sei das Geld nach Vaduz gekommen. Bargeld hätten die Kunden durch eine geheime Stahltür im öffentlichen Parkhaus des Vaduzer Städtles direkt in einen Tresorraum der LGT Treuhand fahren können.
Bei der LGT Bank in Liechtenstein, die die Treuhandtochter inzwischen abgestossen hat, hiess es gestern zu Kiebers Aussagen, von den Fakten her biete das Interview «nichts Neues». Weiter wollte sich die Bank zu dem gestern in Auszügen veröffentlichten Interview nicht äussern. Unter der Hand hiess es am Finanzplatz aber, die Tür zur früheren LGT Treuhand gebe es tatsächlich, jedoch keinen Tresorraum. Das Treuhandbüro sei schliesslich keine Bank gewesen.
Für den Filmemacher Wohlwend ändert das Kieber-Interview nichts an seiner Sicht der Dinge. Die Geschichte des betrogenen Gutmenschen nimmt er Kieber nicht ab: «Er ist ein relativ kommuner Gauner, der auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist», sagte er dem «Liechtensteiner Vaterland».
Kieber selbst bleibt unterdessen weiter ein Phantom. Mit dem «Stern» hat er absolute Vertraulichkeit über das Zustandekommen des Interviews vereinbart.

 

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