«Das wichtigste Gerät ist der Bohrer»
Michael Meier ist Zahnarzt und Inhaber der «Perfect Smile»-Praxis im Grand Resort Bad Ragaz. Der grossgewachsene Glarner spricht über die schwierige Berufswahl und die Vorteile des Pendlerdaseins. «Der Weg in die Medizin war für mich sicher die bessere Variante», sagt Meier.
Herr Meier, Ihre Praxis liegt im Herzen eines Luxus-Wellness-Resorts ? Zahnarzt und Wohlbefinden gehen bei Normalbürgern nicht zusammen. Warum passt der Ort für Sie trotzdem?
Michael Meier: Früher hatten viele Menschen Angst vor dem Zahnarzt ? oder zumindest vor dem Bohren und der Spritze. Dies, weil man lange Zeit erst zum Zahnarzt gegangen ist, wenn Schmerzen auftraten. Das hat sich geändert. Heute kommen die Patienten vermehrt wegen der Prophylaxe und man behebt zahnmedizinische Probleme früher. Die Gäste des Grand Resorts legen sich auf den Zahnarztstuhl, um ein Implantat einsetzen zu lassen, danach gehen sie zur Lymphdrainage oder geniessen eine entspannende Massage ? und das alles unter einem Dach. Darum passt eine Zahnarztpraxis bestens in ein Luxusresort.
Sind Patienten im Resort entspannter als in einer herkömmlichen Praxis?
Die Patienten haben an diesem Ort einen anderen Zugang zum Zahnarztbesuch. Wobei man zwischen Hotelgästen und Patienten aus der Region unterscheiden muss. Patienten, die in der Umgebung wohnen, nutzen in der Regel andere Dienstleistungen im Medizinischen Zentrum und kennen mich vom Sehen. Mein Schreibtisch steht beim Empfang, wer ins Medizinische Zentrum geht, sieht, wie ich mit Patienten und Team umgehe. Auch die Hotelgäste sind deutlich entspannter als bei einem normalen Zahnarzttermin. Sie nehmen sich Zeit für den Besuch und bleiben in der Regel ein paar Tage im Resort. Vielfach sind diese Patienten bereits etwas älter.
Sie haben zuvor in Zürich gearbeitet, warum sind Sie mit Ihrer Praxis nach Bad Ragaz gekommen und nicht zum Beispiel ins Dolder gegangen?
Das Dolder Grand hätte mich sicher auch sehr gereizt, es ist ein Fünf-Sterne-Hotel an sehr schöner Lage. Was für Bad Ragaz spricht, ist die Luxushotellerie mit sehr gutem Wellness- und Spa-Bereich in Kombination mit medizinischer Topversorgung, die hier seit Langem Tradition hat. Im Medizinischen Zentrum finden sich gut etablierte Praxen, man hat alles unter einem Dach. So etwas findet man in der Schweiz sonst nirgendwo.
Sie leben in Zürich, pendeln Sie mit dem Auto oder dem ÖV?
Ich habe den Vorteil, am Morgen nicht all zu früh in der Praxis stehen zu müssen (lacht). Ich steige kurz nach acht Uhr in Zürich in den Zug und erledige auf der Fahrt hierher Büroarbeiten. Auch abends kann ich im Zug nochmals eine Stunde arbeiten. Wenn ich in Zürich ankomme, ist die Büroarbeit erledigt, das Privatleben beginnt, Praxis und Praxisalltag sind in Bad Ragaz geblieben. Eine räumliche Trennung von Wohn- und Arbeitsort ist für mich eine gute Sache.
Ein Umzug in die Region ist für Sie also kein Thema?
Ich bin in den Bergen aufgewachsen, mein Vater ist Prättigauer, meine Eltern haben sich hier in Bad Ragaz kennengelernt ? von daher wäre es eigentlich naheliegend. Als ich die Praxis gegründet habe, kam ein Umzug nicht infrage, ich wollte zuerst wissen, wie die Praxis anläuft und wie sie von den Einheimischen aufgenommen wird. Ein privater Umzug wird irgendwann sicher zum Thema.
Sie möchten nicht nur gut betuchte Grand-Resort-Gäste, sondern auch Menschen aus der Region zu Ihren Patienten zählen. Ist die Schwellenangst nicht doch sehr gross?
Die Schwellenangst war am Anfang sicher ein Thema. Das Grand Resort ist ein Fünf-Sterne-Hotel, meine Praxis aber ist im Medizinischen Zentrum angesiedelt, das über einen eigenen Eingang verfügt. Das war respektive ist sicher ein Vorteil ? und auch, dass viele Menschen aus der Region mit dem Medizinischen Zentrum vertraut sind. Wenn sie im Haus sind, trauen sie sich nach freien Terminen und Tarifen zu fragen. Für die Einheimischen haben wir einen Taxpunktwert auf dem Niveau der regionalen Zahnärzte.
Wie kommen Sie an die Menschen aus der Region heran?
Mittlerweile über Mund-zu-Mund-Propaganda. Unsere Patienten empfehlen die Praxis weiter. Das ist in Bad Ragaz nicht anders als in Zürich. Anders ? und auch schön ? ist, dass ich hier mittlerweile ganze Familien inklusive Kinder zu meinen Patienten zählen darf. Ich bin nun ein eigentlicher Familienzahnarzt.
Sie haben zwei Doktor-Titel ? einen in Humanmedizin und den zweiten in Zahnmedizin. Weshalb haben Sie sich auf Zahnmedizin spezialisiert?
Als ich 1998 mein Medizinstudium abgeschlossen hatte und im Kantonsspital in Zug auf der Inneren Medizin arbeitete, wurde in der Schweiz ein Zulassungsstopp für Allgemeinmediziner eingeführt. Dieser politische Entscheid hat meinen beruflichen Werdegang beeinflusst: Was, wenn der Zulassungsstopp bestehen bliebe und ich mit 40 noch immer keine Praxis eröffnen könnte? Weil ich schon immer gerne mit den Händen gearbeitet habe und es in der Zahnmedizin keinen Zulassungsstopp gibt, habe ich mich nach einem Jahr entschlossen, an die Uni zurückzukehren.
Kein einfacher Entscheid.
Nochmals zurück ins Studium war hart. Ich hätte erstmals etwas Geld verdienen können, statt dessen musste ich mich fürs Zweitstudium nochmals verschulden respektive die Eltern um Unterstützung bitten, und fand mich als ausgebildeter Arzt plötzlich mit wesentlich jüngeren Studenten im gleichen Studium wieder. Als Werkstudent musste ich nebenher arbeiten, um einen Teil meines Studiums mitzufinanzieren. Einfach wars nicht, aber es hat sich gelohnt.
Sie haben den Wechsel also nie bereut?
Nein. Was mir als Zahnarzt allerdings immer gefehlt hat, war der Austausch unter Kollegen. Dieser ist im Medizinischen Zentrum gegeben. Hier sprechen alle die gleiche Sprache. Der Ort hat es auch zugelassen, dass ich Spezialisten beiziehen kann. Zum Beispiel kommt Pascal Büchel aus Ruggell hierher, um Implantate einzusetzen und Weisheitszähne zu ziehen.
Nie ein Gedanke, wie es wäre, wenn Sie praktischer Arzt geblieben wären?
Es wäre schon spannend, zu sehen, wie die Kardiologie oder das Leben im Spital heute sind. Was ich nicht bereue, ist die Tatsache, dass ich nicht bloss Zahnmedizin studiert habe. Patienten mit einer medizinisch komplexen Geschichte nehmen zu. In solchen Fällen ist es auch für den Patienten wichtig, dass der Zahnarzt etwas von Medizin versteht.
Sie sind in Braunwald im Restaurant «Uhu» aufgewachsen. Eine Karriere in der Gastronomie war nie ein Thema?
Meine Eltern hatten 35 Jahre ihr Restaurant; bis ich 30 war, habe ich regelmässig mitgearbeitet. Das hat mir sehr gefallen, ich habe gelernt, mit Menschen zu kommunizieren und sah meine berufliche Laufbahn im Hotelfach. Die Eltern haben mir aber abgeraten ? Hotellerie ist ein harter Job, mit langen Arbeitszeiten und oft 7-Tage-Wochen. Der Weg in die Medizin war für mich sicher die bessere Variante.
Sie beschäftigen zwei Prophylaxe-Assistentinnen, Ihre Praxis ist mit modernsten Geräten ausgestattet und Sie arbeiten mit Spezialisten zusammen. Wie geht es weiter in der Zahnmedizin?
Das wichtigste Gerät für einen Zahnarzt ist der Bohrer ? und ein gutes Röntgengerät. Das wird wohl auch so bleiben. Wichtiger wird das Know-how in gewissen Fachgebieten, wie beispielsweise Implantologie. Solche speziellen Eingriffe sollte jemand machen, der darin grosse Erfahrung hat. Gleiches gilt für Wurzelbehandlungen und Zahnspangen. Noch mehr Spezialisierungen wird es nicht brauchen.
Sie holen Spezialisten lieber ins Haus, als dass Sie Patienten weiterschicken?
Wenn immer möglich, ja. Pascal Büchel ist fix zwei Tage pro Woche in Bad Ragaz, mit Christian Seger habe ich regelmässig einen Techniker im Haus. Für Wurzelbehandlungen schicke ich meine Patienten im Moment nach Zürich, mein Wunsch ist, dass der Wurzelspezialist künftig nach Bad Ragaz kommt.
Sie haben hier einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten.
Richtig, besonders an Tagen wie heute, wenn Zürich im Nebel steckt (lacht). Der Ort ist wirklich attraktiv. Das merke ich auch an den Reaktionen der spezialisierten Kollegen, wenn ich sie frage, ob sie Interesse hätten, an einzelnen Tagen hier zu arbeiten.
Ihre Praxis heisst «Perfect Smile» ? ein Hinweis darauf, dass Zähne nicht nur gesund, sondern auch schön sein sollten. Wie gross ist der Anteil an ästhetischen Zahnkorrekturen in Ihrer Praxis?
Es gibt die kosmetische Zahnmedizin, die vor allem das Bleichen der Zähne beinhaltet. Und es gibt die ästhetische Zahnmedizin, bei welcher etwas an den Zähnen geändert wird. Heute sind das meist Veneers oder Lumineers, sprich Keramikhaftschalen, die so dünn sind wie Kontaktlinsen. Gut 40 Prozent der Patienten fragen, was sich ästhetisch optimieren lässt und äussern zugleich den Wunsch, kein Hollywoodlächeln zu bekommen.
Ihr Tipp für ein strahlendes Lächeln?
Regelmässig zur Prophylaxe, das ist das Wichtigste. Das Lachen eines Menschen widerspiegelt seine inneren Werte ? mit sich selbst zufrieden sein, dann kann man auch lachen. (Interview: Mirjam Fassold)