«Da kann es schon mal schräg werden»
Daniel Mutschlechner ist neuer Geschäftsführer der Messe Dornbirn. Der leidenschaftliche Zeitungsleser und Musiker hat sein Talent früh erkannt: Schon als Kind organisierte er Fussballturniere für die Nachbarschaft. «E-Gitarre spielen ist gut zum Abreagieren», sagt Mutschlechner.
Herr Mutschlechner, vor etwas mehr als zwei Jahren interviewten wir an dieser Stelle Ihren Vorgänger Dietmar Stefani, der die Messe Dornbirn überraschend verliess. Wie lange werden Sie bleiben?
Daniel Mutschlechner: Ich hoffe doch, dass es eine lange Zeit wird. Ich bin seit 13 Jahren stark mit dem Unternehmen verbunden und hier verwurzelt. Ich brauche nicht den schnellen Erfolg und wechsle nicht über Nacht von einem Spiel zum anderen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass meine Vorstellungen in der Realität klappen.
Jetzt geht auch die Pressesprecherin. Kommt die Messe Dornbirn nicht zur Ruhe?
Die Messe Dornbirn wird auf der Personalseite mit Sicherheit zur Ruhe kommen. Es gibt zwar noch ein paar interne Umstrukturierungen bei den Zuständigkeiten, aber ich habe mein Team beieinander. Man darf nicht vergessen, was innerhalb weniger Jahre passiert ist. Da ging es Schlag auf Schlag. Wir haben alles auf den Kopf gestellt. Andere Firmen brauchen dafür deutlich länger. Und da gibt es dann halt auch Korrekturen, sei es bei den Veranstaltungsformaten oder beim Personal. Und natürlich klemmt es dann immer wieder oder läuft noch nicht so rund. Aber das wird sich beruhigen.
Und das alles unter den Augen der Öffentlichkeit.
Eine Messe ist ein Kommunikationsunternehmen. Wir können gar nicht nicht kommunizieren und wir wollen das ja auch tun. Ich war selbst Marketingassistent und kenne dieses Thema. Deshalb haben wir auch die Kommunikationsabteilung neu aufgestellt. Zu allen übergeordneten Bereichen spreche ich. Aber zu den einzelnen Messen oder Veranstaltungen übernimmt das der jeweilige Projektleiter. Er ist voll in seinem Element, weil er tagtäglich damit zu tun hat. Die Kommunikationsabteilung unterstützt das, aber es braucht keine eigene Pressesprecherin. Bei zentralen Fragen muss ich als Geschäftsführer hinstehen.
Und von denen gibt es eine Reihe.
Die Messeszene hat sich komplett verändert. Ein Branchenkollege hat gesagt, dass es nicht mehr reicht, als Messeveranstalter aggressiv am Telefon zu warten, bis jemand anruft. Wir brauchen aktive Kommunikation und müssen uns der Veränderung stellen. Die Besucher dürfen nicht das Gefühl haben, dass das jedes Jahr das Gleiche ist.
Aber Veränderung bringt eben viel Unruhe mit sich.
Natürlich. Wir haben ja auch bei aller Vorsicht jahrzehntelange Traditionen hinterfragt. Veränderung ist immer eine gewisse kreative Zerstörung. Doch es war bei Weitem nicht alles schlecht bei der Messe Dornbirn.
Was ist in der Messebranche anders geworden?
In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Umfeld für Messebesucher völlig verändert. Niemand muss mehr auf eine Messe gehen, um etwas kaufen zu können. Das geht im normalen Handel oder via Online-Shopping auch gut. Eine Messe spielt ihre Trümpfe aus, wenn es um hohe Investitionen wie etwa den Hausbau geht. Denn niemand kauft eine Wärmepumpe im Internet. Da will man etwas zum An- und Begreifen und dem Verkäufer ins Gesicht sehen. Hier geht es um vertrauensbildende Gespräche und diese können auf einer Messe beginnen.
Die Messe Dornbirn war in den vergangenen drei Jahren im öffentlichen Fokus. Kritisiert wurden die Millionenverluste und überholte Veranstaltungsformate mit stagnierenden Besucherzahlen. War diese Kritik berechtigt?
Sie war teilweise berechtigt und hat zu den Veränderungen beigetragen. Ich möchte aber betonen, dass wir uns schon längere Zeit vor dieser Kritik mit notwendigen Veränderungen beschäftigt haben. Da hat die mediale Kritik zu einer paradoxen Situation geführt: Einerseits gingen manche Prozesse langsamer, weil viel Energie im Alltagsgeschäft in diese Diskussionen floss. Andererseits wurden bestimmte Vorhaben beschleunigt.
Das kann jeder sagen, dass er sich eh verändern wollte.
Bereits im Herbst 2007 hatten wir einen Strategie-Workshop mit dem leider verstorbenen Messe-Geschäftsführer Roland Falger. Er hat schon damals auf Veränderungen gedrängt. Durch seine Erkrankung wurde der Prozess natürlich extrem verlangsamt. Wir waren damit beschäftigt, das Schiff auf Kurs zu halten. Da war kein Platz für Innovationen.
Und die Millionenverluste?
Wir haben immer gesagt, dass die Messe Dornbirn in einer besonderen Situation ist. Als eine der wenigen Messegesellschaften in Europa haben wir keine getrennten Immobilien- und Betriebsgesellschaften, sondern nur eine Gesellschaft, in der alles gebündelt ist. Kaum eine Messe dieser Welt schafft es, die Investitionen in die umfassende Infrastruktur durch ihr operatives Geschäft zurückzuverdienen. Deshalb die Verluste. Unser rein operatives Geschäft ist ausgeglichen.
Jetzt wurde ein völliger Systemcheck durchgeführt. Was für Änderungen gibt es?
Spezialisierung ist die Antwort. Wir machen nur noch Themen mit Haut und Haar und nicht mehr Kraut und Rüben in einer Halle. Die Messe Dornbirn wird sich auf mehrere Kernbereiche konzentrieren und dabei akzeptieren, dass nicht alle Themen auf den grossen Publikumsmessen im Frühjahr und im Herbst Platz haben. Die werden in eigene Veranstaltungen eingebracht. Zudem setzen wir immer neue Schwerpunkte. Niemand soll mehr das Gefühl haben, dass das immer das Gleiche ist. Schlussendlich aber geht es darum, dass mit den Messen Geld verdient wird und die Besucher zufrieden sind.
Wie sind die Erfahrungen mit den neuen Messeformaten ? etwa der Genuss- und Designmesse «Gustav»?
Es gilt jetzt, weiter Vertrauen aufzubauen. Denn es war viel Überzeugungsarbeit notwendig. Viele Aussteller sagten: Veränderung ist gut, aber bitte zuerst bei den anderen. Das ist typisch alemannisches Verhalten. Die ersten 20 Aussteller zu überzeugen war ein riesiger Aufwand. Am Schluss hatten wir 120 und bekamen eine überwältigende Zustimmung für diese überregionale Messe. Das Fazit: Unsere Veranstaltungen müssen glaubwürdig sein und zur Region passen. Eine U-Boot-Messe würde keinen Sinn machen.
Wie viele Veranstaltungen bietet die Messe Dornbirn 2014?
Zwei grosse Publikumsmessen im Frühjahr und im Herbst sowie sechs weitere Messen mit einem speziellen Thema. Gerade die Herbstmesse soll weiterhin Volksfest-Charakter haben.
Wie geht es einem leitenden Mitarbeiter eines Unternehmens, das immer wieder ? auch negativ ? in den Schlagzeilen ist?
Ich bin grundsätzlich froh, dass diese Umstrukturierungen stattfinden. Sonst wäre ich wahrscheinlich nicht mehr hier. Bei aller Kritik glaube ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und jetzt dreht sich diese Kritik ja langsam in Zuspruch. Glücklicherweise hat sich die Politik mit Vorgaben zurückgehalten, was die fachliche Ausrichtung der Messen betrifft.
Ihr Vorgänger hat einmal gesagt, dass fast jeder Politiker oder Interessenvertreter meint, er sei ein Messeexperte.
Alle haben mitgeredet, beinahe die gesamte Bevölkerung. Jeder hat eine Meinung zur Messe, weil er sie kennt. Entweder als Besucher, als Aussteller oder als Mitarbeiter. Das ist wie beim Fussball ? jeder ist ein verkannter Nationaltrainer. Aber das Positive daran ist, dass sich die Menschen offensichtlich mit der Messe emotional verbunden fühlen.
Wie lange sind Sie schon bei der Messe?
Ich war in Schulzeiten als Kartenabreisser beim Eingang tätig. Das waren meine ersten Berührungen mit der Messe. Im Jahr 2000 habe ich als Marketingassistent angefangen.
Gibt es eine «Vorbelastung» als Messeveranstalter?
Ich habe schon als Kind zum Beispiel Fussballturniere für die Nachbarschaft organisiert. Da gab es neben dem Spiel auch ein Begleitprogramm. Zudem wurden eigene Tribünen aufgebaut. Die Eltern waren im VIP-Zelt untergebracht. Oder wir haben Olympische Spiele durchgeführt, bei denen Fahnen gehisst und Hymnen abgespielt wurden. Einmal machten wir einen Hindernislauf auf einem Campingplatz im Tessin. Mir wäre es zu langweilig gewesen, nur im Freibad herumzuliegen. Ich musste schon immer etwas organisieren.
Sie kochen für Ihr Leben gern und haben zuletzt einen grossen Kochwettbewerb gewonnen. Warum kochen?
Messen haben lange Vorlaufzeiten. Da hat man als Messemitarbeiter am Abend oft das Gefühl, nichts Sichtbares geleistet zu haben. Beim Kochen gibt es binnen weniger Stunden ein Erfolgserlebnis, das mit allen Sinnen ausgekostet werden kann. Bei diesem Kochwettbewerb musste ich mit Unterstützung von Profiköchen für 60 Leute im Schlossgarten Stuttgart kochen. Ich muss immer wieder darüber lachen, dass ich bei meiner Ausbildung am Tourismuskolleg in Bludenz die Kochprüfung total verhaut habe.
Gibt es Ablenkung abseits vom Herd?
Ja, mit dem Lesen von Zeitungen und Magazinen. Und mit Musik. Ich spiele E-Gitarre und Klavier. Das ist mein Ausgleich und gut zum Abreagieren. Da kann es schon mal auch laut und schräg zugehen bei uns zu Hause. (Interview: gübi)