Bo Risberg: «Es braucht Kopf, Herz und Hände»
Sein erstes Geld hat er als 16-Jähriger mit der Reparatur von Mofas verdient, zuletzt stand er sieben Jahre an der Spitze der Hilti-Konzernleitung: Der 57-jährige Schwede Bo Risberg verlässt das Unternehmen zum Jahresende. «Ich werde in der Region bleiben», sagt Bo Risberg.
Herr Risberg, können Sie sich noch erinnern, wie Sie das erste Mal eine «Hilti» in Händen hielten?
Bo Risberg: Das ist lange her, wahrscheinlich irgendwann in den 1970er-Jahren in Schweden.
Wie fühlte sich das an?
Ich habe gleich gespürt, dass ein Hilti-Gerät etwas Besonderes ist. Diese Geräte hatten schon vor 40 Jahren ein anderes Qualitätsniveau.
Sie haben mal gesagt, Sie brauchten auch Zeit für sich selbst. Werden Sie sich diese in Zukunft vermehrt nehmen? Jetzt, wo Sie mit 57 Jahren als Konzernchef zurücktreten.
Das werde ich sicher. Die 13 Jahre in der Hilti-Konzernleitung waren eine ausserordentlich spannende, aber auch sehr intensive Zeit mit vielen Reisen. Ich werde nun von einem 120-Prozent-Pensum auf 80 Prozent reduzieren.
Wie füllen Sie die freie Zeit?
Ich habe genug zu tun. Auch Dinge, für die ich in den letzten Jahren wenig Zeit hatte ? Unternehmungen mit der Familie und Freunden, private Reisen. Und dann gibt es auch einige Projekte, mit denen ich mich beschäftigen werde.
Haben Sie konkrete Pläne?
Ich werde ab Januar vier Verwaltungsratsmandate ausüben ? eines davon als VR-Präsident ?, und unterstütze ein Private-Equity-Unternehmen. In den Hilti-Verwaltungsrat wechsle ich allerdings nicht. Es macht für das Unternehmen keinen Sinn, drei ehemalige CEOs im Verwaltungsrat zu haben.
Fällt Ihnen der komplette Ausstieg bei Hilti nicht schwer?
Ich gehe mit einem sehr guten Gefühl, weil die Zeit dafür richtig ist. Die Firma ist finanziell stark, strategisch gut aufgestellt und hat als Fundament eine solide Unternehmenskultur. Mein Nachfolger ist hervorragend qualifiziert; es ist also ein guter Moment, das Amt weiterzugeben.
Ist es ein Vorteil, dass man weiss, dass bei Hilti mit 56 Jahren Schluss ist?
Das ist ein Vorteil, nicht nur für die Nachfolgeplanung. Es ist auch für jeden Einzelnen in der Konzernleitung gut ? man weiss, wie lange man an der Spitze dieses Unternehmens stehen kann, und kann entsprechend planen. Ich habe als CEO ein Verlängerungsjahr bekommen, weil wir noch ein paar Projekte zu Ende bringen wollten.
Alle Projekte haben Sie aber sicher nicht vollenden können, das Innovationszentrum wird erst 2015 eröffnet. Gibt es den richtigen Zeitpunkt, zu gehen?
Für mich ist jetzt der richtige Zeitpunkt: Wir haben ein Programm abgeschlossen, das uns zurückgeführt hat zu finanzieller Stärke. Hilti hat in der jüngeren Geschichte zwei Krisen überstehen müssen: 2009 die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, 2011 den starken Schweizer Franken. Allein die Währungskrise hat uns etwa 300 Millionen Franken Betriebsergebnis gekostet, was wir aber über die vergangenen zwei Jahre vollumfänglich kompensieren konnten. Jetzt ist unser Betriebsergebnis zurück auf dem Zielniveau.
Sie hatten eine turbulente Zeit als CEO ? gestartet sind Sie 2007 mit einem Rekordergebnis, danach kam die Krise ?
Wir kamen aus einer fantastischen Zeit ? zwischen 2003 und 2007 gab es einen globalen Bauboom. 2008 haben wir bereits gespürt, dass dieser sich abschwächt, vor allem in den USA. Ende 2008 bis Anfang 2009 folgte innert weniger Monate ein totaler Kollaps der Bauwirtschaft. Das war für uns als Unternehmen, aber auch für mich als CEO, eine schwierige Zeit. Wir mussten die richtige Balance finden, zwischen kurzfristigen Massnahmen und der langfristigen Absicherung unserer Zukunft. Wir haben nicht nur Abstriche gemacht und gespart, sondern immer auch eine Vorwärtsstrategie verfolgt und investiert.
Eine herausfordernde Zeit.
Es waren viele schwierige Entscheidungen zu fällen, die Menschen betroffen haben. In Spanien mussten wir unsere Belegschaft von 1100 auf 300 Mitarbeitende reduzieren ? solche Beschlüsse zu fassen, ist nicht einfach. Aber wir machen das immer im «Hilti-Stil» ? wir lassen uns Zeit, solche Entscheide umzusetzen, um die Auswirkungen auf unsere Mitarbeitenden so gering wie möglich zu halten.
Die Art, wie Sie in solchen Situationen mit Mitarbeitern umgehen, gehört das zur oft zitierten Hilti-Unternehmenskultur?
Bei Hilti haben wir eine Kultur, die menschlich und familiär ist, aber auch sehr leistungsorientiert. Dieses Umfeld ist sehr motivierend und unsere Stärke. Wir haben hohe Ambitionen, wollen Leistung bringen und die Besten sein. Diese Kultur ist gebaut auf einem Fundament von Vertrauen, Integrität und Respekt. Daraus ziehen wir viel Energie. Unsere Mitarbeiter identifizieren sich mit dem Unternehmen und unseren Zielen.
Wie erreichen Sie das?
Indem wir sehr konsequent sind in allem, was wir tun. Wir müssen als Führungskräfte Vorbilder sein ? auf allen Ebenen, inklusive Verwaltungsrat und Eigentümer. Diese Unternehmenskultur wurde über Jahrzehnte hinweg weiterentwickelt.
Wie kriegt man Wärme in eine Firma?
Es braucht immer Kopf, Herz und Hände. Kopf: man muss sich im Klaren sein, wohin man will. Herz: man muss Empathie haben, Respekt, Integrität und Vertrauen aufbauen, authentisch und am Gegenüber interessiert sein. Es geht um Menschen, nicht um kalte Werte. Hände: man muss die Mitarbeiter immer unterstützen, sie coachen und ihnen helfen, sich zu entwickeln.
Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, nach Liechtenstein zu wechseln?
Ich habe einen Anruf gekriegt, diesem bin ich gefolgt ? (lacht) Ich wusste, dass Hilti ein spannendes Unternehmen ist, eine Premium-Marke, die für Qualität und Innovation steht. In Schaan haben mich die Menschen überzeugt, dass ich hierher passe. Wenn Unternehmenswerte und persönliche Werte zusammenpassen, kann man Spass haben, sich selbst bleiben und dabei erfolgreich sein.
Sie haben zunächst 16 Monate in Liechtenstein gelebt, danach sind Sie wieder weggezogen. Warum?
Zwei unserer Kinder sind in Kanada geboren und wir wollten sie auf eine Internationale Schule schicken. Diejenige im Rheintal stand 1999 noch am Anfang und hatte nur eine Unterstufe. Deshalb haben meine Frau und ich entschieden, in die Nähe von Zürich zu ziehen.
Haben Sie nicht ab und zu Heimweh nach Schweden?
Um diese Jahreszeit ist es in Schweden ziemlich dunkel, das fehlt mir nicht wirklich. Im Sommer hingegen verbringen wir mehrere Wochen in Schweden. Zu Hause bin ich jetzt in dieser Region und werde die nächsten Jahre auch hier bleiben. Von meinen 57 Lebensjahren habe ich nur 23 in Schweden gewohnt. Ich werde wohl langsam zu einem Weltbürger.
Als Ihre älteren Kinder schulpflichtig wurden, sind Sie von Kanada nach Schweden gezogen. Welche Bedeutung haben nationale Werte in der globalisierten Welt?
Mein Frau und ich haben unsere Wurzeln in Schweden, und wir wollten unseren Kindern die Möglichkeit geben, die schwedische Kultur ebenfalls kennenzulernen. Nationale Werte sind nicht unwichtig, aber die Welt wird globaler, Europa wird immer stärker integriert und das Nationale wird in Zukunft weniger wichtig sein, weil wir zusammenschmelzen. Dabei ist es wichtig, flexibel und tolerant zu sein gegenüber unterschiedlichen Kulturen und Religionen. Es geht um Beziehungen zwischen Menschen, nicht zwischen Nationalitäten.
Welchen Charakterzug könnten sich die Skandinavier sowie Schweizer und Liechtensteiner gegenseitig abschauen?
Wir haben viele gemeinsame Nenner. Da sind der ähnliche landwirtschaftliche Hintergrund, die starke Industrialisierung in den letzten Jahrzehnten und die daraus resultierenden Erfolge. Auch die kulturelle Bodenständigkeit ist ähnlich, das macht es für einen Skandinavier einfach, hier zu leben. Ich habe sehr grossen Respekt vor dem Ausbildungssystem der Schweiz und Liechtensteins, vor allem der Berufslehre. Da kann sich Skandinavien viel abschauen. Umgekehrt? Disziplin ist eine der grossen Stärken der Schweiz und Liechtensteins, dazu dürfte sich aber ein bisschen mehr Gelassenheit gesellen, wie man sie in Skandinavien findet. Es ist eine Kombination von Freiraum, Freiheit und Disziplin, die Kreativität, Innovation und Leistung möglich macht.
Sie haben immer schon mit Ihren Händen gearbeitet. Wird man Sie künftig öfter mit Werkzeug in der Hand sehen?
Sicher. Und immer mit Hilti-Geräten! (lacht) Künftig habe ich mehr Zeit. Wir besitzen in Schweden ein Haus, das 1889 erbaut worden ist. Ein Haus mit viel Seele und Geschichte, das immer ein bisschen Pflege benötigt.
Dabei können Sie eine Hilti-Maschine gut gebrauchen.
Absolut. Ich habe einige zu Hause. (Interview: fass)
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