Was bleibt, ist ein bitterer Beigeschmack
Vaduz. – Polizist bleibt Polizist – 24 Stunden am Tag. Wenn er im privaten Rahmen Hinweise erhält, die auf eine strafbare Handlung hindeuten, soll und darf er diese im Dienst verwenden. Die Frage ist allerdings, aus welchem Motiv er das tut: Aus dienstlichen Zwecken oder aus privaten Gründen. Ersteres ist gerechtfertigt, Zweiteres ein absolutes «No-go», das strafrechtliche Folgen hat. Der Grat ist so oder so schmal, wie jetzt ein Polizist am eigenen Leib erfahren musste. Er wurde wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt angezeigt und stand Ende November vor Gericht. Gestern wurde die Verhandlung fortgesetzt, eine weitere Zeugin einvernommen und das Urteil gesprochen: Freispruch.
Was geschehen ist
Im Januar 2010 fährt der Angeklagte nach Dienstschluss zu seiner Freundin. Diese erzählt ihm, dass sie sich mit einem Kollegen treffen will. Auf Nachfrage, um wen es sich dabei handelt, erzählt sie ihm, dass der Mann früher Betäubungsmittel konsumiert und auch schon Probleme mit der Polizei gehabt habe. Ob nun Zufall oder nicht, führte der Beamte kurze Zeit später ein Telefongespräch mit einem im Dienst befindlichen Kollegen, der technische Fragen zur Kameraausrüstung hatte. Im Rahmen dieses Gesprächs bat der Angeklagte seinen Kollegen, ihm Fahrzeug und Kontrollschild des Bekannten seiner Freundin durchzugeben bzw. ihm einen Ausdruck der Daten auf den Tisch zu legen. «Als Gedächtnisstütze, wie es bei uns üblich ist», machte der Polizist vor Gericht sein Motiv klar. «Aus Eifersucht und weil er nicht wollte, dass sich seine Freundin mit dem Bekannten traf», zeigte sich hingegen die Staatsanwaltschaft überzeugt. Der Fall landete schliesslich bei der Staatsanwaltschaft, weil die Frau ihren Bekannten telefonisch «warnte», er müsse sich künftig im Strassenverkehr wohl in Acht nehmen. Das empfand der Mann als «Drohung» und verlangte bei der Polizei nach Aufklärung.
«Hass auf die Polizei»
Da im Rahmen der ersten Verhandlung nicht alle offenen Fragen geklärt werden konnten, wurde gestern die damalige Freundin des Polizeibeamten als Zeugin geladen. Ihre Aussagen deckten sich Punkt für Punkt mit jenen des Angeklagten. Eifersucht habe damals überhaupt keine Rolle gespielt, «auch wenn er nicht gerade glücklich über das geplante Treffen war». Dies habe aber vielmehr an der Drogen-Vergangenheit des Bekannten gelegen. Ihr Freund habe sie deswegen aber weder ins «Kreuzverhör» genommen noch habe er ihr das Treffen verboten. Dass ihr Bekannter anschliessend das Gegenteil behauptete, könne sie sich nur mit seinem Hass auf die Polizei erklären. «Aufgrund seiner Vergangenheit hatte er viel Ärger mit der Polizei. Ich habe den Eindruck, dass er die Geschichte etwas ausgeschmückt hat, um einem Polizisten eins auszuwischen.»
«Mir stellen sich die Haare auf»
Staatsanwalt Gottfried Klotz stellte zu Beginn seines Plädoyers klar, dass er ein Freund der Polizei ist, rund 30 Jahren eng mit ihr zusammenarbeite und froh sei, dass die Polizeibeamten ihrer Arbeit so konsequent und eifrig nachgehen würden. Insofern sei er weder glücklich über einen Schuldspruch, noch unglücklich über einen Freispruch. Und trotzdem: Auch ein Polizist habe sich im Rahmen der Gesetze zu bewegen. Abfragen über Personen dürften nur zu dienstlichen Zwecken getätigt werden. Nicht umsonst sei der Datenschutz ein heiss diskutiertes Thema. «Es stellen sich mir schon die Haare auf, wenn ich höre, wie ein Polizist sich dahingehend äussert, dass er gerne eine bestimmte Person in einer Verkehrskontrolle erwischen würde», so Klotz, der einen Schuldspruch forderte. Zudem spreche einiges für die Glaubwürdigkeit des Bekannten. «Für mich ist klar, dass der Angeklagte nicht wollte, dass sich seine Freundin mit ihrem Bekannten trifft. Nur deshalb hat er die Datenabfrage tätigen lassen.»
«Das ist eine Dienstpflicht»
Die Verteidigung hingegen warf der Staatsanwaltschaft vor, dass sie die Anklage fahrlässig eingebracht hat und auf die Beweislage überhaupt nicht eingegangen ist. Die Beweislage spreche dafür, dass eine dienstliche Notwendigkeit für die Abfrage der Daten vorgelegen habe. Und wenn die Aussagen der Zeugin und des Angeklagten übereinstimmten, könne man zwar sagen, diese hätten sich abgesprochen, genauso gut könne man aber auch davon ausgehen, dass es schlichtweg die Wahrheit sei. Er erinnerte auch daran, dass es bei dem Telefonat mit seinem damaligen im Dienst befindlichen Kollegen nur nebenbei um die Datenabfrage gegangen sei. «Es entspricht der Dienstpflicht eines Polizisten, solchen Hinweisen nachzugehen. Wenn jeder Polizist, der private Informationen dienstlich einfliessen lässt, vor das Kriminalgericht geschleppt würde, wäre es um die Handlungsfähigkeit der Polizei nicht mehr gut bestellt», argumentierte die Verteidigung.
«Eine knappe Geschichte»
«Wir haben es uns nicht leicht gemacht», liess der Vorsitzende Richter, Thomas Schmid, nach halbstündiger Beratung verlauten. An sich vertrete das Gericht nicht die Meinung, dass die Anklage fahrlässig eingebracht worden sei. Allerdings sei es auch der Meinung, dass das Verhalten des Angeklagten nicht strafrechtlich zu qualifizeren sei. Grund dafür sei das aktuelle Beweisergebnis. «Die ganze Geschichte war knapp, denn aufgrund Ihrer Nahbeziehung zu der Zeugin muss zumindest von einer Befangenheit Ihrerseits ausgegangen werden. Dennoch reichen die Beweisergebnisse für eine Verurteilung nicht aus.» Die Staatsanwaltschaft bat um Bedenkzeit. Damit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. (dv)