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Junges Europa: Motiviert, engagiert, hochgebildet

Als Inna Me?kova geboren wurde, war der eiserne Vorhang noch dicht. Hineingewachsen ist sie aber in eine Welt der offenen Grenzen. Die junge, engagierte Lehrerin weiss das zu schätzen: Sie spricht zehn Sprachen und ist eine glühende Anhängerin des vereinten Europas.

Von Shusha Maier

Inna bedeutet die Fremde, sagt sie lachend und fügt hinzu: «Das passt, nicht wahr?» Ich bin fremd hier in Liechtenstein, aber auch in Lettland, meiner Heimat, bin ich eigentlich eine Fremde.
Die kleine, lebhafte Deutschlehrerin ist denn wirklich kein nordischer Typ. Dunkelhaarig, mit olivfarbenem Teint und grossen, dunklen, mandelförmigen Augen sieht sie im Gegenteil sehr südländisch aus. Ein Erbe ihrer Mutter, die dem Turkvolk der Tataren angehört. Inna Meškovas Vater war Russe. «Er ist leider schon gestorben», bedauert die junge Frau.

Zur Zeit, als Lettland noch Teil der UdSSR war, waren Arbeitskräfte dort sehr gesucht. So viele zogen aus dem Süden nach Norden, dass bis heute ein Drittel der lettischen Bevölkerung russischen Ursprungs ist. Inna und ihr Bruder Andrej sind zwar in Lettland geboren, ihre Eltern aber waren einige Jahre zuvor aus Russland nach Liepaja, der Stadt unter den Linden, an die Ostsee gekommen. Inna Meškovas Muttersprache ist daher Russisch. Russisch wurde auch im Kindergarten gesprochen, den sie vom zweiten Lebensjahr an besuchte, und auch in der Schule war die Unterrichtssprache Russisch. So lange zumindest bis der Staat unabhängig wurde. «Seither müssen auch an den vielen russischen Schulen im Land die meisten Unterrichtsfächer auf Lettisch unterrichtet werden. Lettisch lernten wir als kleine Kinder so nebenbei, denn viele unserer Freunde sprachen lettisch und später war es auch in der Schule Zweitsprache.» Eine beachtliche Leistung, denn Russisch und Lettisch gehören keineswegs in dieselbe Sprachfamilie.

Wie aber kommt es, dass Inna Meškova auch ein so tadelloses Deutsch spricht? Sie redet schnell und flüssig, ohne nach Wörtern zu suchen, grammatikalisch korrekt, mit einem nur leichten osteuropäischen Akzent. «Meine grosse Liebe gehört den Sprachen», erklärt sie. Schon in der Schule habe sie jedes Angebot, eine Sprache zu lernen, angenommen. Englisch zuerst, dann Deutsch. Nach der Reifeprüfung – gerade mal drei Jahre Deutschunterricht hatte sie zu der Zeit – habe sie einen gebührenfreien Studienplatz für ein Germanistikstudium an der Universität in Riga bekommen. Eigentlich habe sie zwar Englisch studieren wollen, aber Studienplätze in Lettland sind sehr teuer, daher wollte sie das Angebot auf keinen Fall ausschlagen. Also hat Inna Meškova ein Lehramtsstudium in Deutsch abgeschlossen; zwei von den insgesamt acht Studiensemestern hat sie an der Universität von Aveiro in Portugal verbracht, seither spricht sie auch fliessend Portugiesisch. Wie viele Sprachen insgesamt? «Also ich kann Russisch, Lettisch, Deutsch, Englisch und Portugiesisch fliessend. Französisch, Tatarisch, Polnisch, Schwedisch und Japanisch spreche ich auch.» Am liebsten würde sich Inna Meškova mit allen Menschen in ihrer Muttersprache unterhalten können. Bevor sie sich daran macht, eine weitere Sprache in ihr Repertoire aufzunehmen, will sie aber ihre Masterarbeit in Lettisch und lettischer Literatur an der Universität Liepaja abschliessen. Gerne würde sie auch an einer deutschen Universität eine Masterarbeit machen und anschliessend an einer Hochschule unterrichten. Als Unterrichtsfach kann sie sich neben Sprachen auch die gesamte Bandbreite der interkulturellen Thematik vorstellen. «Ich unterrichte sehr gerne», hat sie auch hier in Liechtenstein wieder gemerkt. Seit Mitte Januar ist sie hier und hat Erfahrungen auf jeder Schulstufe sammeln können. Dabei hatte es ihr die Oberschule besonders angetan: «In diesen multikulturellen Klassen habe ich alle Sprachen, die ich spreche, zum Klingen bringen können», schwärmt sie. Auch seien die Schüler sehr interessiert gewesen an allem, was sie zu vermitteln hatte. Inna Meškova hat viele ihrer Lehrmittel selbst entwickelt und gestaltet. So informativ, interaktiv und abwechslungsreich wie nur möglich. Mit ihrer offenen, spontanen und gewinnenden Art war sie in den Klassenzimmern mehr als gerne gesehen. Fotos, die sie beim Unterrichten zeigen, verleiten allerdings zum Spiel: Sucht die Lehrerin! Als solche ist die kleine, zarte und jugendlich wirkende Inna Meškova inmitten ihrer Schüler meist nur durch souveränes und bestimmtes Auftreten auszumachen, Eigenschaften, die auf Fotos nicht so zur Geltung kommen.
Auch ausserhalb der Schulzimmer hat die junge Pädagogin Kontakt zu ihren Schülern gesucht: Sie hat sie ins Skilager begleitet und selbst angefangen, Ski zu fahren. «Bis dahin war ich nur Langlaufen.» Schnee liege in Lettland zwar meist mehr als genug, aber einen Abhang zu finden, sei das Problem. «Der höchste Berg in Lettland überragt den Meeresspiegel um nur 311 Meter.» Schwimmen war da schon eher als Freizeitbeschäftigung möglich, etwas, das Inna Meškova noch heute gerne tut. Früher hat sie auch Rhythmische Sportgymnastik gemacht, das lag nahe, weil ihre Mutter seit Langem die lettische Nationalmannschaft trainiert.

Nach den Osterferien, die Inna Meškova noch in Liechtenstein und in der Schweiz verbringen will, wird sie in Bremen bei den Europameisterschaften für Rhythmische Sportgymnastik als Übersetzerin arbeiten und dabei Sprachwissen und das Verständnis der Sportart aufs Beste kombinieren. Anschliessend gehts zurück nach Liepaja, wo die Masterarbeit wartet. Im Juni aber wird Inna Meškova bereits wieder nach Liechtenstein, das sie als sehr offenes und gastfreundliches Land erfahren hat, zurückkehren. Sie wird beim Feldkirch Festival mitarbeiten: Das steht in diesem Jahr ganz im Zeichen russischer Musik.

 

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