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Ein glühender Jesus-Anhänger

Eschens fröhlicher Pfarrer verlässt die Diözese Liechtenstein. Die Seelsorgetätigkeit im Land wird ihm in seinem neuen Wirkungskreis wohl eine Hypothek sein. Hiesigen Pfarrern haftet der Ruch des Dogmatismus an. Doch Adriano Burali ist alles andere als dogmatisch.

Von Shusha Maier

«Haas-Fan? Was soll das sein? Ich bin ein Jesus-Fan», sagt Pfarrer Adriano Burali mit Nachdruck. Er sitzt in seinem beinahe leer geräumten Arbeitszimmer im Pfarrhaus in Eschen; gerade hat er ein Trauergespräch geführt; noch eine Beerdigung, noch zwei Sonntagsmessen zum Vorbereiten, dann ist er weg.

Nach 13 Jahren Seelsorge verlässt Adriano Burali Liechtenstein und geht zurück in die Schweiz. Zieht nach Stäfa am Zürchersee. «Ich werde in Zürich mit dem Etikett Haas-Jünger ankommen», ärgert er sich über das ihm anhaftende Negativbild. Priester, die in anderen Diözesen arbeiten, würden doch auch nicht nach ihren Bischöfen als Anhänger oder Fan betitelt wie etwa Fischer-Anhänger in Voralberg oder Büchel-Fan in der Diözese St. Gallen. Der Titel «Haas-Anhänger oder Haas-Fan» wird  nur von Katholiken deutscher Sprache produziert. «Bis heute konnte mir kein katholischer Theologe oder Priester intellektuell und sachlich nachvollziehbar erklären, was die deutsche Sprache mit Haas-Anhänger oder Haas-Fan meint. Von reformierter, lutherischer oder orthodoxer Seite habe ich noch nie so was gehört! Seine Eminenz Erzbischof Wolfgang hat eine klare katholische Haltung. Dies fordert jeden Einzelnen in seiner Glaubensposition heraus und das ist doch für viele unbequem und lästig.»

Viele würden sich ihren Glauben lieber individuell zusammenbasteln aus Versatzstücken verschiedener Epochen, denn es gelte zu bedenken, dass auch Priester Kinder der Zeit seien. Das lässige «laisser-faire» der 70-er Jahre, das schliesslich selbst bei Klerikern zu einer Wischi-Waschi-Haltung geführt habe, habe sich ganz allgemein überlebt. In der Kindererziehung etwa sei man sich mittlerweile wieder einig, dass Grenzen zu setzen und anzuerkennen für die Persönlichkeitsentwicklung wichtig ist.
Die Frage, ob das Pfarramt in Stäfa einen Karrieresprung bedeute, verneint Adriano Burali und erklärt, dass ihm Titel, Positionen, Materielles nichts bedeuten. «Planmässiges Hinaufarbeiten ist mir fremd», sagt er. Aber er freut sich darauf, in eine Gemeinde zu kommen, in der die Gläubigen sehr motiviert sind. In Stäfa am Zürchersee sind die katholischen Einwohner in der Minderheit, und schon darum erwartet der Pfarrer mehr Engagement und Mitarbeit.

Bisher habe er sich nicht selten wie in einem «Selbstbedienungsladen für Rituale» gefühlt. Wobei es vielen Menschen hierzulande gar nicht bewusst zu sein scheint, dass sie einen Kirchenservice nutzen können, den es im benachbarten Ausland schon lange nicht mehr gibt.

Adriano Burali versteht sein Priesteramt in erster Linie als Berufung: «Gott gibt die Freiheit, nach der Wahrheit zu suchen und wer sucht, wird das für ihn Richtige finden. Dabei kann der Priester den Suchenden helfen. Aber es besteht die Gefahr, dass ein Priester von einem Kirchenlehrer zu einem Kirchenleerer wird», meint der gebürtige Basler, der selten um einen Scherz verlegen ist, lachend. Auf seinem eigenen Weg zu Gott ist Adriano Burali Jesus begegnet und hat darin seine Wahrheit erkannt. «Nur Nihilisten und Atheisten verneinen Jesus’ Existenz», erklärt er und weist darauf hin, dass selbst Moslems die geschichtlichen Beweise seiner Existenz anerkennen. «Sie wollen allerdings nicht gelten lassen, dass er der Sohn Gottes ist.» Die Juden hingegen erkennen in Jesus nicht den Messias, was Adriano Burali nicht verwundert, heisst es doch im Alten Testament: «Mit dem Kommen des Messias sei Friede auf Erden. Und die Frage, wo dieser Friede denn sei, ist, zusammen mit dem sich daraus ergebenen Zweifel, durchaus berechtigt.»

Adriano Burali kann sich Zweifel an seinem Glauben, Bedenken an jede Art der Religiosität anhören, ohne kontern zu müssen. Er ist bereit, Zweifel und Bedenken beim Gegenüber zu akzeptieren, ohne in Missionierungseifer zu verfallen. Erlebt man ihn in einem solchen Gespräch, wird es beinahe unfassbar, dass er sich einst dem Vorwurf ausgesetzt sah, als Religionslehrer Kinder dogmatisieren zu wollen. «Was ich nicht mag, sind Kritiker, die sich nicht die Zeit nehmen, zu diskutieren und im Gebet nach der Wahrheit zu suchen.» Dass ein Suchender auch fündig wird, argumentiert der Priester mit dem Gebet vom heiligen Thomas von Aquin: «Schenk mir, o Gott, Verstand, der dich erkennt, Eifer, der dich sucht, Weisheit, die dich findet, einen Wandel, der dir gefällt …» «Ist doch alles damit gesagt, oder?», meint Pfarrer Adriano Burali lachend.
 

 

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