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Es geht auch ohne Auto

Vaduz ? Mit dem Auto zum Briefkasten? Würde wohl keinem einfallen. Geht es nach den Leitern betrieblicher Mobilitätsmanagements, wird künftig den meisten «mit dem Auto zur Arbeit» ebenso absurd vorkommen.

Von Shusha Maier
Hauptverkehrszeit in Liechtenstein ist, wenn die Autos stillstehen – jeder, der mittags oder am frühen Abend durch Vaduz fahren will, weiss, dass er für die drei Kilometer sehr, sehr viel Zeit brauchen wird. Zwei Drittel der Liechtensteiner empfinden den Verkehr im Land als störend, und das nicht nur zu Stosszeiten. Das seltsame: Aufs Auto verzichten kann sich dennoch nur jeder Fünfte vorstellen. Doch auch um diese 20 Prozent muss gebuhlt werden, so ganz aus eigenem Antrieb lässt kaum jemand sein Auto in der Garage, um sich aufs Fahrrad zu schwingen oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln seinen Arbeitsweg zurückzulegen.
Als Denkanstoss, als Anreiz, es Vorreitern nachzumachen und als Motivation, weiterzumachen, ist daher der BMM-Tag der Liechtensteinischen Landesverwaltung gedacht. BMM steht für Betriebliches Mobilitätsmanagement, ein Thema, das bereits im vergangenen Jahr im Zentrum einer Tagung stand, die gestern in der Vaduzer Hofkellerei ihre zweite Auflage erfuhr.


Ohne Auto? Gewöhnungssache!


Referenten aus vier Ländern waren diesmal zu der Tagung gekommen, zu der Verkehrsminister Martin Meyer die Teilnehmer willkommen hiess. Die grosse Zahl Interessierter, die sich in der Vaduzer Hofkellerei eingefunden hatten, lässt darauf schliessen, dass zumindest die Bereitschaft grösser wird, der «heiligen Kuh» Auto ihren Nimbus zu nehmen.
Dass der Verzicht aufs Auto im Kollektiv und mit Anreizen verbunden leichter fällt, hat Lorenz Kindle, Leiter der Logistik und Sicherheit der VP Bank, in dem unter seiner Führung praktizierten Mobilitätsmanagement der Bank gelernt. Seine Erfahrungen teilte er gestern mit den Tagungsteilnehmern. Eine ständig vollgestellte Parkhalle sei der Auslöser gewesen: Mindestens 100 Mitarbeiter sollten gefunden werden, die bereit wären, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Verbieten wollte man das Autofahren aber keinem; vielmehr setzten die Verantwortlichen auf ein pekuniäres Anreizsystem – Mitarbeiter, die auf einen Parkplatz verzichten, erhalten nicht nur einen Teil des Busabos vergütet, sondern darüber hinaus auch Bonuszahlungen. Für das Benutzen von Parkplätzen hingegen sind Gebühren zu entrichten – reservierte Parkplätze etwa kosten bis zu 1200 Franken pro Jahr. Das System, das keine Ausnahmen zulässt – auch Führungskräfte müssen ihren Parkplatz bezahlen –, hat sich als weitaus erfolgreicher erwiesen als erwatet. 237 Mitarbeiter verzichten bereits auf einen Parkplatz und kommen zu Fuss, mit dem Fahrrad oder dem Bus, für den 117 subventionierte Abos gelöst wurden. Freilich bemüht sich die Bank, auch allen sportlichen Fahrradbenutzern mit Duschmöglichkeiten, Kleiderschränken und einem Handtuchservice entgegenzukommen, berichtete Lorenz Kindle.
Er gab auch zu, dass hin und wieder Systemlücken ausgenutzt werden; besonders beliebt sei Parken auf öffentlichen Parkplätzen – «Vertrauen ist gut, Kontrolle besser», sagte der Mobilitätsprogrammleiter und berichtete,  öfter mal eine Kontrollrunde über die Parkplätze drehen zu lassen.


Ein Dorf für Fussgänger


Kein Schummeln gibt es in Pfelders, dem ersten autofreien Wintersport- und Wanderort in Südtirol. Maria Gufler, Gemeinderätin und Tourismusvorsitzende von Pfelders, stellte das Konzept des 200-Seelen-Ortes vor, mit dem Autos aus dem Dörfchen verbannt wurden. Die Idee von «Soft-mobil» ist entstanden, weil immer mehr Touristen den Wusch nach einem verkehrsberuhigten Ferienort geäussert hatten, sagte Maria Gufler. Sanfte Mobilität heisse allerdings nicht, dass es im Ort keine Transportmöglichkeiten gibt. Während eine Schranke am Dorfeingang die Autos vom Zentrum fernhält, verkehren ein Dorfexpress – ein Züglein im Stil des Citytrains –, Citybusse sowie Linien-und Skibusse auch im Ort, um Skifahrer zu den vier Liftanlagen zu bringen, und das kostenlos.
Ganz einfach war es nicht, bei der Bevölkerung die nötige Akzeptanz zu erreichen, gestand  Maria Gufler; aber schliesslich sei es gelungen und die Bilanz nach der zweiten autofreien Saison kann sich sehen lassen: 20 Prozent mehr Zutritte bei den Liften, 10 Prozent mehr Nächtigungen. Die weiteren Plus: Eine enorme Steigerung des Bekanntheitsgrads, ein klares Profil und eine hohe Zufriedenheit bei den Urlaubern. Rundum positive Erfahrungen also.


Gute Erfahrung mit dem Drahtesel


Auf gutem Weg ist auch Martin Scheuermaier. Er koordiniert das Mobilitätsmanagement von Vorarlberg Mobil und will vor allem mit einer neuen Radverkehrsstrategie Menschen zum Radfahren oder zum Zu-Fuss-Gehen bringen. Mit 15 Prozent hat Vorarlberg schon heute den bundesweit höchsten Radverkehrsanteil. Für Scheuermaier aber noch um einiges zu wenig: Er würde gerne die Niederländer zum Vorbild nehmen. 36 Prozent beträgt deren Radverkehrsanteil aktuell und 50 Prozent sollen es bald sein. Martin Scheuermaier bleibt allerdings auf dem Boden der Tatsachen: Er ist zufrieden, wenn sich der Radverkehr um 3 Prozent steigern lässt, wenn 2 Prozent mehr Menschen öffentliche Verkehrsmittel benutzen und es 1 Prozent mehr Mitfahrer in Fahrgemeinschaften gibt. Der Verkehrsplaner weiss auch, wie das zu erreichen sein sollte. Weil «Mobilitätsverhalten in unseren Köpfen beginnt», sei vor allem Imagearbeit nötig. Darüber hinaus müssten gut geplante und gut gewartete Radrouten zur Verfügung stehen.


Als Infrastrukturverbesserung schlägt Scheuermaier ein Landesradroutenkonzept vor, das an regionale Routen angebunden werden soll. Auch für Radfahrer sei eine Wegweisung mit System nötig. An all diese Verbesserungen will das Land Vorarlberg einen Obulus zahlen: 3 Millionen Euro will das Land dafür ausgeben, zudem fördert das Land auch für die Erhaltung und Sanierung von Radwegen 70 Prozent der Gemeindekosten.


Genossenschaftlich Auto fahren


Und wenn es doch einmal ohne Auto gar nicht geht – dann mietet man am besten einen der roten Flitzer der
Mobility-Genossenschaft. Zumindest wenn es nach Claudio Gabriel geht, dem Verkaufberater der Mobility. Als vierter Referent zeigte er die Vorteile der Mobility-Genossenschaftsautos für den privaten sowie für den geschäftlichen Einsatz.ꆱ

Artikel: http://www.vaterland.li/importe/archiv/politik/es-geht-auch-ohne-auto-art-66126

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