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«Das Unbehagen vor dem Anderen»

Die Gegner des Partnerschaftsgesetzes ziehen für ihre Argumentation gerne die Bibel heran, um gelebte Homosexualität zu verurteilen. Pfarrer Hartwig Janus von der evangelisch-lutherischen Kirche hält dagegen.

Mit Hartwig Janus sprach Angela Hüppi

Herr Janus, in Ihrer Predigt am Sonntag vor einer Woche sagten Sie, dass die Stellen gegen Homosexualität im Alten Testament aus ihrem Zeitkontext heraus verstanden werden müssten. Können Sie einige Beispiele nennen?

Hartwig Janus: Zitiert wird meistens das dritte Buch Mose 18:22 und 20:13, in denen Geschlechtsverkehr zwischen zwei Männern als Greuel bezeichnet und sogar die Todesstrafe dafür gefordert wird. Ein Grund zur damaligen Verurteilung der Homosexualität war die hohe Sterblichkeit. Man war im Überlebenskampf auf eine hohe Fruchtbarkeit angewiesen. Homosexualität galt aber auch als heidnische Praxis, von der man sich abgrenzen wollte. Die damalige patriarchale Kultur sah die Manneswürde durch Homosexualität beschmutzt. Und natürlich gab es auch dazumal das allzu menschliche Unbehagen vor denen, die anders sind.

In Ihrer Predigt führten Sie aus, dass das Alte Testament für Christen nicht verbindlich sei. Sind im Neuen Testament ebenfalls Stellen zu finden, wo Homosexualität als Sünde dargestellt wird? Wie sind diese zu handhaben?

Ich habe gesagt, dass die Gesetze aus dem Alten Testament für Christen nicht gelten und sie nicht zum Heil führen. Ob wir in den Himmel kommen oder nicht, darüber entscheidet nicht unsere Lebensweise, sondern allein Gottes Gnade, was besonders in den Paulusbriefen im Neuen Testament nachzulesen ist. Auch Paulus hielt Homosexualität allerdings für widernatürlich (Römer 1, 26/27). Dabei ging er aber von seinem Verständnis der Natur aus, nicht von einer göttlichen Offenbarung. Für ihn waren homosexuelle Handlungen etwas Widernatürliches, weil er annahm, dass sie zwischen heterosexuellen Menschen stattfanden. Von homosexueller Veranlagung, wie sie die heutige Wissenschaft kennt, wusste er nichts. Paulus ging wohl auch davon aus, dass die Welt flach sei, aber deshalb sehen wir das heute nicht als verbindlich an. Das Verständnis der Natur ist heute ganz einfach ein anderes.

Sind in der Bibel auch positive Stellen zur Homosexualität zu finden? Wie kann man mit Hilfe der Bibel Homosexualität positiv bewerten?

Positive Stellen zur Homosexualität kenne ich keine. Das macht es auch so verlockend, mit der Bibel dagegen zu argumentieren. Die Bibel ist aber voll davon, wie Menschen nach Gottes Willen miteinander umgehen sollen, und welche Massstäbe dabei die wichtigsten sind. Der Gesamtsinn der Bibel ist entscheidend, nicht einzelne Bibelstellen. Es gibt ja auch viele andere Themen wie Vielehe, Sklaverei und Völkermord, die in der Bibel vorkommen und die wir heute anders beurteilen. Natürlich spielt bei diesen Themen Sex nicht so eine grosse Rolle, daher sind sie nicht so gefühlsgeladen. Der höchste Wert der Bibel ist es, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst. Daher ist eine verantwortliche Partnerschaft, in der zwei Menschen sich versprechen, ein Leben lang füreinander einzustehen, etwas Wunderbares. Auch, wenn die beiden vom gleichen Geschlecht sind.

Die katholische Kirche argumentiert oft damit, dass eine homosexuelle Partnerschaft keine Kinder erzeugen kann; dies sei aber der eigentliche Sinn einer Ehe. Wie stehen Sie dazu?

Eine Ehe soll auch an sich Sinn haben, unabhängig davon, ob sie Kinder erzeugt oder nicht. Es gibt ja auch Ehepaare, die keine Kinder bekommen können oder wollen und trotzdem eine verantwortungsvolle Ehe führen und füreinander da sind. Kinder sind natürlich eine grosse Erfüllung, aber eine kinderlose Ehe ist deswegen nicht abzuwerten.

Ist Ihre Haltung bezüglich Homosexualität in der evangelisch-lutherischen Kirche weitestgehend akzeptiert und verbreitet?

Es gibt dazu keine Beschlusslage. Die meisten Stimmen, die ich aus unserer Liechtensteiner Kirche höre, äussern sich in diesem Sinn. Sicherlich gibt es auch Menschen, die sich dem nicht anschliessen können, sich aber nicht trauen, das öffentlich zu sagen. Die meisten evangelischen Kirchen in Mitteleuropa haben in unterschiedlichem Mass inzwischen auch gleichgeschlechtliches Zusammenleben akzeptiert und bieten zum Teil auch Segnunsgottesdienste für eingetragene Partnerschaften an. Allerdings gibt es auch eine Minderheit, etwa lutherische Kirchen in Osteuropa, die dagegen heftig opponiert.

Wieso tut sich Ihrer Meinung nach die katholische Kirche so schwer mit dem Thema Homosexualität? Wo liegen hier die Unterschiede zur evangelischen Kirche?

Das hat sicher etwas mit der unterschiedlichen Sicht von Ehe im Speziellen und Sexualität im Allgemeinen zu tun. Auch evangelische Kirchen verstehen beides als Gottesgabe, aber die Ehe nicht als Sakrament. Daher ist das Tabu nicht ganz so gross. Aber nach Einzelheiten müssen Sie natürlich römisch-katholische Theologen fragen. Übrigens gibt es ja auch noch die alt- bzw. christkatholische Kirche, welche ganz andere Ansichten hat als Rom.

Ist ein homosexueller Pfarrer/eine homosexuelle Pfarrerin in der evangelisch-lutherischen Kirche denkbar?

Ja. Manche Kirchen verlangen allerdings, dass diese Personen ihre Homosexualität nicht ausleben dürfen. Andere hingegen ermöglichen auch Paaren gleichen Geschlechts das Leben im Pfarrhaus.

Auch die katholische Kirche plädiert für Toleranz gegenüber Homosexuellen, lehnt die Lebensweise aber ab. Halten Sie persönlich homosexuelle Partnerschaften für gleichwertig mit heterosexuellen Partnerschaften?

Ich persönlich halte sie für vollkommen gleichwertig, ja. Entscheidend für eine gute Partnerschaft ist, dass sich zwei Menschen dafür entscheiden, ein Leben lang als Paar füreinander einzustehen und füreinander da zu sein.

 
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