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«Ich geniesse mein Leben ? egal was kommt»

Ihrem Lachen kann niemand widerstehen. Ihrer offenen Art ebenso wenig. Wer Svetlana Frick kennenlernt, geht bereichert nach Hause ? und relativiert die eigenen Sorgen und Nöte. Aufgewachsen in Belgrad, hat sie Krieg und Frieden, Freud und Leid hautnah erlebt. Und dabei ihr Lachen nie verloren. Selbstmitleid? Fehlanzeige! Sich unterkriegen lassen? Niemals! Ihr Markenzeichen? Ein unerschütterlicher Optimismus.

Von Niki Eder (Text) und Elma Korac (Bild)

Die Sekunden des skeptischen Abtastens, des zurückhaltenden Beschnupperns bei der ersten Begegnung mit einem fremden Menschen – diese Sekunden gibt es bei Svetlana Frick nicht. Die Türe öffnet sich und man ist gefangen, gefangen in ihren warmen Augen, dem herzlichen Lachen, gefangen von ihrer Energie, die fast greifbar präsent ist. Offen geht sie auf Menschen zu, kennt keine Berührungsängste. «Ich mag Menschen und war schon immer sehr kommunikativ», sagt die Serbin. Als Ausländerin in Liechtenstein hat sie sich selten gefühlt und somit auch nie Probleme damit gehabt. «Wenn man sich bemüht, knüpft man schnell Kontakte. Man muss es nur wollen.»

Ausländer, Einheimische, Migranten oder Asylanten. Mensch ist für sie Mensch, da macht sie keine Unterschiede. «Darum kann ich auch die Diskussionen um das Thema Integration nicht mehr hören», sagt die 48-jährige. «Was bedeutet Integration denn? Als Ausländer kannst du besser integriert sein als ein Einhei- mischer. Was zählt, ist doch, dass man sich an einem Ort wohlfühlt und seinen Teil zum Gesellschaftsleben beiträgt.»

Als Koordinatorin von Deutsch als Zweitsprache (DaZ) an den weiterführenden Schulen Liechtensteins tut sie genau das. Sie hilft jungen Menschen aus dem Ausland, über die Sprache einen Zugang zur Gesellschaft zu finden. Aber damit nicht genug. Für viele dieser Menschen ist sie die erste Bezugsperson im Land, die Vertraute, die Person, die ihnen Mut gibt. Ihre Stärke ist ihre Glaubhaftigkeit, denn Mut hat sie selbst bewiesen. Ihr Leben lang hat sie gekämpft, um auf eigenen Beinen zu stehen. Hat sich und ihre Tochter Maja durch turbulente Zeiten gebracht. Und dabei nie ihr Schicksal hinterfragt. «Ich nehme mein Leben immer, wie es ist und versuche, das Beste daraus zu machen», sagt Svetlana Frick.

Zwischen Unbeschwertheit und Krieg

Geboren im Jahr 1963, verbrachte Svetlana Frick ihre Jugend in Belgrad. Eine Zeit, in welcher sich die bevorstehenden Unruhen bereits abzeichneten, die Welt aber aus Sicht von Kinderaugen noch in Ordnung war. «Es waren schöne Jahre, an die ich gerne zurückdenke», sagt sie. «Wir hatten nicht viel Geld, aber genug.» Ihre jüngere Schwester und sie lebten auf engstem Raum mit ihren Eltern, schliefen zum Teil in einem Zimmer. «Meine Eltern waren streng und legten Wert auf Fleiss, Respekt und Pünktlichkeit, aber genauso wichtig waren ihnen auch Liebe und Familienrituale.» Schon früh wurden die Kinder gleichwertig in Entscheidungsprozesse miteinbezogen – sei es bei der Auswahl einer Farbe für einen neuen Wandanstrich, oder bei der Anschaffung eines Fernsehers.

Doch auch wenn ihre Jugend sorglos war, so wurde Svetlana Frick doch nie etwas in den Schoss gelegt: «Man musste sich alles verdienen. Dadurch schätzte ich aber auch mehr, was ich hatte.» Schon in jungen Jahren war sie in die familiären Pflichten eingebunden und passte oft auf ihre neun Jahre jüngere Schwester auf. Ihr Studium in Germanistik an der Universität Belgrad finanzierte sie sich mit Nebenjobs als Dolmetscherin und Simultanübersetzerin für europäische Delegationen. «Es war eine sehr intensive Zeit» sagt sie und lächelt gedankenverloren. Mit 22 Jahren schloss sie als erste ihres Jahrgangs das Studium ab und arbeitete fortan als Deutschlehrerin in Belgrad. Eine Stadt, mit der ihr Herz unzertrennbar verbunden ist. «Belgrad heisst übersetzt ‹Weisse Stadt›», erklärt sie. «Sie war zwar nie weiss, da es viele alte, graue Gebäude gibt. Aber für mich wird sie immer eine schöne Stadt bleiben.» Sie erinnert sich zum Beispiel daran, wie in ihrer Kindheit katholische und orthodoxe Kirchen friedlich in einer Reihe mit Moscheen standen. «Die späteren Religionskonflikte waren damals noch kein Thema», so Svetlana Frick .

Während ihrer Zeit als Lehrerin hat sie auch ihren ersten Mann getroffen, einen erfolgreichen Bildhauer aus Belgrad. Aus dieser ersten grossen Liebe entstand Tochter Maja – «mein Sonnenschein», wie Svetlana Frick immer wieder betont. Kaum spricht sie von ihrer Tochter, übermannen sie die Emotionen. «Sie ist mein Stern, mein Akkumulator während schwieriger Jahre. Sie ist mein Ein und Alles.» Maja war auch ihre Kraftquelle, als sich die Situation in Belgrad in den 90er-Jahren drastisch zuspitzte. Was sie aus jener Zeit erzählt, ist schier unvorstellbar. Kaum wurde den Menschen ihr Monatslohn ausbezahlt, verlor das Geld im Minutentakt an Wert. «Es konnte beim Einkaufen passieren, dass die Schokolade auf dem Weg zur Kasse so teuer wurde, dass ich sie mir nicht mehr leisten konnte», erinnert sie sich.

Die prekäre Situation veranlasste die junge Familie 1994, ihr Leben für einige Monate nach Italien zu verlegen. «Dort engagierte ich mich unter anderem für humanitäre Aktionen im Einsatzgebiet Ex-Jugoslawien», erzählt Svetlana Frick. «Dafür musste ich auch Videobeiträge übersetzen, deren grausame Bilder sich in mein Gedächtnis einbrannten.» Die Sinnlosigkeit der Gewalt sollte sie über viele Jahre wie ein Schatten begleiten.

Neue Heimat Schweiz

Als die Aufenthaltsbewilligung in Italien nicht verlängert wurde, kehrte die Familie nach Belgrad zurück und Svetlana Frick nahm für weitere vier Jahre ihre frühere Stelle als Deutschlehrerin auf – bis ihr vom Ministerium in Belgrad die Möglichkeit geboten wurde, in der Schweiz heimatliche Sprache und Kultur zu unterrichten. Eine Chance, die sie ergriff. Am 8.8.1998 zog sie nach St. Gallen. «Das Datum ist einfach zu merken, da sich Jugoslawien an diesem Tag den Weltmeistertitel im Basketball holte», lacht Svetlana Frick, die ihren Humor nie verloren hat. Ganz so ein Freudentag war es damals allerdings nicht. Denn ihr Mann und ihre Tochter durften nicht mit einreisen. «Es war ein Bürokraten-Krieg, bis ich ihre Visa endlich beschaffen konnte», so die Lehrerin. «Man verlangte unter anderem von mir, eine grosse Wohnung für die ganze Familie vorweisen zu können. Aber mit meinem unregelmässigen Einkommen konnte ich diese Bedingung nicht erfüllen.»

Mit ihrer Hartnäckigkeit schaffte sie es schliesslich doch, nach einigen Monaten ihre Liebsten wieder in die Arme schliessen zu können. Gerade noch rechtzeitig. Im Januar reisten ihr Mann und Maja in die Schweiz ein, im darauffolgenden März begann die Nato, Belgrad für 100 Tage zu bombardieren. Es war eine Zeit des Zitterns. Der Kontakt mit Familie und Freunden in Belgrad war unregelmässig, Unsicherheit und Angst allgegenwärtig. Aber nie die Verzweiflung. «Ich funktionierte wie eine Maschine», so Svetlana Frick. «Ich musste Geld für meine Tochter und meinen Mann verdienen, der in der Schweiz keine Arbeit finden konnte. Dafür musste ich einen klaren Kopf behalten.» Ihr Mann hatte mit der Sinnlosigkeit des Krieges in seiner Heimat mehr Probleme. Er wollte nicht vom Staat instrumentalisiert werden, gleichzeitig aber auch nicht sein Land im Stich lassen. Schliesslich kehrte er nach einigen Monaten nach Belgrad zurück mit den Worten: «Bleibt ihr in der Schweiz. Für euch bietet dieses Land eine bessere Zukunft.» Das schmerzvolle Ende einer Ehe, welche durch die Folgen des Krieges zerstört wurde.

Fortan musste sich Svetlana mit ihrer mittlerweile neunjährigen Tochter allein durchschlagen. Eine Zeit, die jedoch nicht nur schwer war, sondern auch viele schöne Erlebnisse mit sich brachte. Von Azmoos, ihrem Wohnsitz aus, starteten sie jeden Sonntag gemeinsame Ausflüge in die Schweiz, um das Land und seine Eigenheiten kennenzulernen. «Diese Zeit hat uns noch enger zusammengeschweisst», sagt Svetlana Frick. «Ich bin enorm stolz auf Maja, wie sie das alles gemeistert hat.» Sie hat sich gut in die Schule eingefügt, mit viel Engagement Deutsch gelernt und zig Bücher pro Jahr gelesen, um ihre Sprachkenntnisse zu festigen.»

Anpassungsprobleme hatte das eingeschworene Team nie. Die Schweiz gefiel ihnen von Anfang an. «Die Ruhe hier tat uns gut. Es fühlte sich an wie Ferien – überall Kühe und Natur. Nur manchmal fehlte mir das laute Lachen spielender Kinder auf der Strasse, das in meiner Heimat immer zu hören ist.» Natürlich kam es mal vor, dass Maja in der Schule als ‹Jugo› beschimpft wurde. Aber über solchen Kommentaren stand sie. Und da sie keine Angriffsfläche bot, hörten die Anspielungen auf und sie fand schnell Freunde.

Die Liebe in Liechtenstein gefunden

Einige Jahre vergingen, bis 2001 durch eine folgenreiche Begegnung aus der Zweisamkeit eine Dreisamkeit wurde. Über Wochen hatte ihr künftiger Ehemann, Günther Frick, Svetlana im Bus auf dem Weg zur Arbeit beobachtet, bis er schliesslich den Mut fasste, sie anzusprechen. Der Beginn einer wunderbaren Liebe und Freundschaft. Schon nach wenigen Monaten heirateten sie und zogen zusammen – erst in Azmoos, dann in Balzers. «Für Maja war es am Anfang nicht einfach, einen neuen Mann in unser Leben zu lassen. Aber mittlerweile haben sich die zwei super zusammengerauft und Günther hat sie sogar adoptiert – als symbolischen Akt, dass wir eine Familie sind, die einen Namen trägt.»

Nur Ehefrau zu sein, war für Svetlana Frick nie eine Option. «Ich war nie ein Flüchtling. Ich habe mir immer meinen Lebensunterhalt selber verdient. Darauf bin ich stolz.» Anfangs arbeitete sie bei der Erwachsenenbildung und lancierte beim Verein für interkulturelle Bildung das Projekt «MaKi – Deutsch» – bis sie schliesslich Helga Kranz traf, die damalige Koordinatorin von DaZ. «Wenn ich an sie denke, muss ich lächeln», sagt Svetlana Frick. «Sie hat mir sofort Arbeit angeboten und die Tür zu Liechtenstein geöffnet. Dafür werde ich ihr immer dankbar sein.» Ihr Beruf ist für sie mehr als nur eine Arbeit, es ist eine Aufgabe, die sie erfüllt und glücklich macht. Acht Jahre engagierte sich Svetlana Frick zudem in der Balzner Kulturkommission. Sie schäumt über vor neuen Ideen und setzt sich immer mit Herzblut ein. «Mir war und ist es sehr wichtig, mich dort, wo ich lebe, aktiv einzubringen», so Svetlana Frick. «Ich habe immer viel gegeben – das bekommt man irgendwann zurück.»

Svetlana nimmt mit Dankbarkeit an, was ihr geschenkt wird und akzeptiert die Schicksalsschläge als Teil ihres Lebens. Das macht sie zu dem Menschen, der sie ist – energiegeladen, aber in sich ruhend: «Ich habe in meinem Leben viele Kilometer zurückgelegt, viel erlebt und gesehen. Gerade deshalb bin ich der Meinung, man sollte das Leben geniessen – was auch immer es mit sich bringt. Du bist erst dann Meister deines Lebens, wenn du offen für Veränderungen bist und sie annehmen kannst.»

Ihre Geschichte liest sich wie ein Buch. Mit Worten, Gestik und Mimik untermalt sie jede Episode ihres Lebens so lebendig, dass der Zuhörer gefesselt ist – vom Mut, der Intelligenz und der positiven Ausstrahlung dieser Frau. Svetlana Frick ist das beste Beispiel für einen Menschen, der Liechtenstein Farbe gibt.

Artikel: http://www.vaterland.li/importe/archiv/magazin/ich-geniesse-mein-leben-egal-was-kommt-art-74869

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