«Wir würden es wieder machen»
von Michael Winkler
Viereinhalb Jahre versuchte das Paar auf natürliche Weise, ein Kind zu bekommen. «Es klappte einfach nicht», sagt die Frau, die sich nichts sehnlicher wünschte, als endlich Mutter zu werden. Zunächst schien alles in Ordnung. Tests beim Urologen und beim Gynäkologen ergaben zunächst, dass einer Schwangerschaft nichts im Wege steht. «Man sagte uns, wir sollen es einfach weiter versuchen», erzählt sie.
Erfolgszahlen waren entscheidend
In Mitteleuropa sind gemäss aktuellen Zahlen 15 Prozent der Ehepaare ungewollt kinderlos. In Zeiten, in denen die unzureichende Geburtenrate in den westlichen Staaten den Volkswirtschaftlern zu denken gibt, ist das eine hohe Zahl. «Bei uns lautete die Diagnose, dass die Spermazellen meines Mannes zu langsam sind»,
erklärt die Frau.
«Wir waren geschockt und hätten nie gedacht, dass es ausgerechnet uns trifft. Mit Anfang/Mitte 30 tickt – je nach Familienplanung – die biologische Uhr.» Die Ärzte rieten dem Paar zur künstlichen Befruchtung. «Je ein Institut in St. Gallen und Bregenz wurden uns vorgeschlagen. Am Ende haben uns der Internetauftritt und die Erfolgszahlen überzeugt, nach Bregenz zu gehen.»
Es war keine leichte Zeit
Zwei Wochen nach der Anmeldung fuhr das Paar zum Termin. «Wir waren sehr nervös und wussten nicht, was auf uns zukommt.» Umso verblüffter waren die beiden, als sie in die Klinik kamen. «Es war eine grosse Überraschung, so viele Paare zu sehen, die dasselbe Problem wie wir hatten.» Wenn man an sich selbst zweifle und sich zum Teil Vorwürfe mache, warum es auf natürlichem Weg nicht klappt, sei es schon beruhigend zu erfahren, dass man nicht alleine ist mit dem Problem. So
entschied sich das Paar, nachdem seine Fragen beantwortet waren, den Schritt zu wagen.
«Wir warteten meine Menstruation ab, und das Projekt konnte beginnen. Vom Institut erhielt ich einen Plan, wann ich welches Medikament einnehmen musste. Zunächst wurde der Körper downreguliert, d. h. hormonell ausgehungert.» Jeden Abend um 22 Uhr musste sich die Frau eine Spritze in Bauch oder Oberschenkel geben, und dies drei Wochen lang. «Natürlich schwanger werden stelle ich mir einfacher vor», meint die werdende Mutter.
Eine langwierige Prozedur
Nach den drei Wochen kam es zur Stimulation der betreffenden Organe. «Neben der Spritze in den Bauch kam jetzt noch eine in den Gesässmuskel hinzu.» Diese diente dazu, die Eibläschen (Follikel) heranreifen zu lassen. «Um diese zu überwachen, musste ich in den zweieinhalb Wochen dreimal zum Ultraschall, bis die Follikel die richtige Grösse hatten, um sie entnehmen zu können.»
Unter Vollnarkose wurden die
Eizellen entnommen. «Nachdem auch mein Mann sein kostbares Gut abgeliefert hatte, wurden die Samen im Labor in die Follikel eingesetzt.» Jetzt begann für das Paar die wohl spannendste Zeit: fünf Tage danach wurden zwei sogenannte Blastocysten (befruchtete Eizellen) in die Gebärmutter eingesetzt. Es war dabei nicht die Absicht, Zwillinge zu produzieren, sondern als Absicherung, falls eines der Eier sich nicht weiterentwickelt. «Ich musste mir nun statt der Hormone alle 36 Stunden ein Medikament gegen den Abort spritzen.» Zwei Wochen später kam die Stunde der Wahrheit. Das Paar führte den Schwangerschaftstest durch. «Wir konnten uns vor Freude kaum halten. Endlich schwanger!» Nach den kritischen 12 Wochen hatte sich das Thema Spritzen und Medikamente erledigt und die Schwangerschaft kann ihren gewohnten Lauf nehmen. «Derzeit bin ich in der 17. Schwangerschaftswoche mit Zwillingen schwanger und alles läuft nach Plan», freut sich die werdende Mutter.
Glück im Unglück
Dass es beim ersten Mal klappt, ist nicht selbstverständlich. Die meisten Paare, bei denen es auf natürlichem Weg mit der Schwangerschaft nicht klappt, müssen zwei bis drei Anläufe nehmen. «Es war keine einfache Zeit und das Ganze ist mit hohen Kosten verbunden, weil die Krankenkasse nichts bezahlt. Wir würden es aber wieder machen», ist sich das Paar einig.
Wenn man positiv denke, sich erst an die Spritzen und die Hormonschwankungen gewöhnt habe, sei alles halb so schlimm. «Man ist oft gereizt und genervt. Mein Mann hatte es mit den Medikamenten zwar einfacher. Er musste während dieser Zeit nur zwei Tabletten nehmen. Dafür musste er meine Launen ertragen», lacht die glückliche Mitt-Dreissigerin. Am Ende sei die «Leidenszeit» absehbar – und mit dem?positiven Ergebnis sei ohnehin alles andere zweitrangig.
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