Wenn der Zeitvertreib zur Sucht wird
Alkohol, Kokain oder Heroin: Eine Drogensucht kann Existenzen zerstören. Nicht minder gefährlich sind die sogenannten psychischen Abhängigkeiten. Ein Beispiel für Sucht, die rein psychische Ursachen hat, ist die Computerspielsucht.
Menschen spielen ? egal welches Alter, welche Herkunft oder welche Kultur, der Spieltrieb ist jedem angeboren. Er ist es, der Kinder dazu ermutigt, ihre Umwelt zu erforschen und sich dadurch seelisch, geistig und körperlich weiterzuentwickeln. Doch nicht nur für die Kleinsten, sondern auch für Erwachsene kommt dem Spielen eine wichtige Bedeutung zu: Es unterhält, macht Spass und lässt einen kurz die Alltagssorgen vergessen.
Wie ein Gefängnis
In der Zeit von Computer, Internet und Co macht sich der Mensch auch die neuen Technologien zunutze, um seinen unbändigen Spieltrieb zu befriedigen. Dem ist an sich auch nichts entgegenzusetzen. Schliesslich können beispielsweise durch Handy-spiele oder Handheld-Konsolen lästige Wartezeiten überbrückt werden und zeitaufwendigere Computer- und Konsolenspiele bieten ein ganz neues Potenzial für die Freizeitgestaltung.
Problematisch hingegen wird es, wenn der Konsum von Videospielen zu einem Zwang wird ? wenn jemand ein Spiel nicht allein deshalb spielt, weil es Spass macht, sondern weil er einfach nicht anders kann. Das nächste Level muss erreicht, die nächste Schlacht geschlagen und neue Erfolge gesammelt werden. In einem solchen Fall könnte eine Computerspielsucht vorliegen ? ein Leiden, welches schwerwiegende Konsequenzen mit sich bringt.
Sucht bleibt Sucht
Eines der wichtigsten Merkmale der Computerspielsucht ist das eingeschränkte Verhaltensmuster des Süchtigen, für den das Computerspielen zu den wichtigsten Aktivitäten seines Lebens gehört. «Computerspielsüchtige beschäftigen sich gedanklich ständig mit dem Spielen und haben ein unwiderstehliches Verlangen danach», erklärt Psychologin Esther Kocsis, Suchtbeauftragte beim Amt für Soziale Dienste. Der Betroffene verliert zusehends die Kontrolle über das Spielen ? das heisst, er kann das Spielverhalten in Bezug auf zeitliche Begrenzung und Umfang nicht mehr willentlich kontrollieren. Die Folgen: andere Interessen und das soziale Umfeld werden vernachlässigt, Essen und Körperpflege werden zur Nebensache und etwaige Versuche, das Spielen einzuschränken, scheitern nicht nur, sondern können auch zu Entzugserscheinungen wie beispielsweise Gereiztheit oder Unruhe führen. «All dies sind Symptome, die auch bei einer stoffgebundenen Sucht wie beispielsweise dem Alkoholismus auftreten können», weiss Esther Kocsis zu berichten.
Bestätigung per Mausklick
Die Gründe für eine Abhängigkeit von Computerspielen sind vielschichtig. In vielen Fällen ist die Sucht jedoch ein Ausdruck tiefer liegender Probleme. So gehen Experten davon aus, dass die Mehrzahl der Abhängigen versucht, mithilfe des Spielens andere psychische Probleme wie beispielsweise Depressionen oder soziale Phobien zu bewältigen. In der Fantasiewelt kann der Spieler Stress, Frust, Ärger und Unsicherheit vergessen. Er lernt, dass er auf diese Weise seine Stimmung verbessern und negative Gefühle unterdrücken kann, was einer unangemessenen Stressbewältigung gleichkommt.
Neben allfälligen psychischen Erkrankungen spielt aber auch das Selbstwertgefühl des Spielers eine wichtige Rolle. Menschen mit Selbstwertproblemen sind besonders anfällig für eine Computerspielsucht, denn in der virtuellen Welt ist Prestige und Anerkennung einfacher zu erlangen als im realen Alltag. Zudem haben sie als Rennfahrer, Soldat oder Fantasyheld Erfolgserlebnisse, die im wirklichen Leben vielleicht ausbleiben.
Von nichts kommt nichts
Eine Computerspielsucht ist therapierbar, blosses Steckerziehen bringt aber in der Regel nichts. «Betroffene brauchen auf alle Fälle eine Psychotherapie, damit die tiefer liegenden Probleme, die sich hinter der Abhängigkeit verbergen, aufgearbeitet werden können», erklärt Kocsis.
Neben der psychotherapeutischen Begleitung ist es auch wichtig, dass man dem Spieler den Weg aus der virtuellen Welt zurück in die Realität weist. Dies bedingt, dass das schädliche Suchtverhalten eingeschränkt und wenn möglich reguliert wird. Völlige Abstinenz wäre jedoch illusorisch ? verkürzte Spielzeiten hingegen notwendig. Nur so kann der Betroffene das, was er während der Therapie gelernt hat, auch in der realen Welt umsetzen und den Teufelskreis durchbrechen. Zudem lernt der Süchtige in der neu gewonnenen Freizeit Alternativen zur Spielerfahrung kennen und macht positive Erlebnisse jenseits des Computers.
Schwierig, aber nicht unmöglich
Eine Computerspielsucht in den Griff zu bekommen, ist keine leichte Aufgabe ? vor allem wenn man berücksichtigt, dass heutzutage ein Leben «offline» kaum noch denkbar ist. Dennoch müssen Süchtige lernen, den Computer in Alltag und Beruf zu kontrollieren und sinnvoll zu nutzen. Eine Aufgabe, die mit Therapie, Durchhaltewillen und der Aussicht auf ein besseres Leben zu bewältigen ist. (sb)
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