Stimmakrobat mit Missionb
Al Jarreau, vom «Time Magazin» als grösster lebender Jazzsänger betitelt und mit sieben Grammys in drei unterschiedlichen Kategorien ausgezeichnet, kommt nach Liechtenstein und zeigt am «Life», was er kann. Im «Liewo»-Interview präsentiert er vorab seine humorige Seite.
Herr Jarreau, wie ist es um Ihre Deutschkenntnisse bestellt?
Al Jarreau: Leider nicht so gut, wie es sollte. Mittlerweile sollte ich wirklich besser Deutsch sprechen können. Ich komme schon viele, viele Jahre nach Deutschland und das Publikum dort ist eines der wichtigsten für mich, weil es mich ganz zu Beginn meiner Karriere ermutigte, ganz ich selbst zu sein. Eigentlich fing alles in einem kleinen Club in Hamburg an, dem «Onkel Pö» im Jahr 1976.
Deutschland war und ist also sehr wichtig für Sie. Was wissen Sie über Liechtenstein, wo Sie demnächst auftreten werden?
(Beginnt die Liechtensteiner Polka zu singen) Ich kenne die Gegend, weil ich dort schon öfter aufgetreten bin, allerdings nicht so oft wie in Deutschland. Viele Liechtensteiner kommen auch zu Konzerten nach Frankfurt, weil es in der Nähe ist.
Sie sind umgeben von Jazz aufgewachsen ? Ihr Vater stammt aus New Orleans und Ihre Brüder haben zu Hause geübt. War das der Auslöser dafür, selbst auch Jazzsänger werden zu wollen?
Mein Vater war Pfarrer und auch Sänger und hat meine Brüder unterrichtet, die wirklich gute Sänger sind. Meine Mutter spielte während der Gottesdienste das Piano. Ich bin also sprichwörtlich in der Kirche aufgewachsen und sass auf der Klavierbank neben meiner Mutter, die mit einer Hand spielte und mich mit der anderen festhielt, damit ich nicht runterfalle. Musik war also schon sehr früh ein wichtiger Teil in meinem Leben. Alle meine Geschwister haben Instrumente gespielt und wir haben zusammen musiziert. Ich habe schon sehr früh gemerkt, wie erhebend Musik sein kann und wie viel Spass sie bereiten kann. Sogar für heutige Verhältnisse haben meine Brüder sehr komplexe, vielstimmige Stücke gesungen. Und das quasi in meinem Wohnzimmer! Das war sozusagen mein Klassenzimmer und so habe ich mit fünf Jahren angefangen, Musik zu lernen und zu begreifen. Dort habe ich meine Liebe zur Musik entdeckt und begonnen, meinen eigenen Stil zu entwickeln.
Sie sprechen vom unverkennbaren Al-Jarreau-Stil?
Ja, auf den bin ich im Wohnzimmer meines Elternhauses gekommen und habe ihn dann immer weiterentwickelt.
Und dieser einzigartige Stil brachte Ihnen dann auch unzählige Preise ein. Sie sind der einzige Grammy-Gewinner, der in den drei Kategorien Jazz, R&B und Pop ausgezeichnet wurde. Welche Kategorie ist denn Ihre liebste?
Oh, das ist schwierig zu beantworten. Darf ich darauf antworten, dass alle drei zusammen meine Lieblingskategorie sind? Denn auf jeder Platte, die ich mache, sind alle drei Kategorien vertreten; ja, manchmal sogar in einem einzigen Song. Ich denke, das Wichtigste ist, wie die drei kombiniert werden. Ich versuche nicht, sie auseinanderzuhalten, sondern vermische sie. Das ist wohl mein Markenzeichen. (Plötzlich fängt Al Jarreau an zu scatten.)
Sie sollten vielleicht auch noch ins Hip-Hop-Geschäft einsteigen!
Oh Darling, ich habe schon lange gebeatboxt, bevor die Hip Hopper darauf gekommen sind. Die haben das von Al Jarreau gelernt! Ich habe das schon Mitte der Sechziger gemacht, zusammen mit deren Grossmüttern.
Und was bevorzugen Sie selbst als Hörer?
Morgens läuft in meinem Haus meist ein Klassik-Radiosender. Klassik höre ich manchmal wirklich sehr gern, weil diese Musik für mich so anders im Vergleich zu derjenigen ist, die ich selbst komponiere. Das macht für mich den Reiz aus. In moderner Popmusik hört man kaum Streicher, eine Oboe, ein Cello oder gar eine Harfe. Ich liebe das und diese Musik zu hören fühlt sich unglaublich gut an, sie ist wohltuend und inspiriert mich.
Was halten Sie vom kontemporären «europäischen Jazz»?
Ich denke, er ist sehr wichtig. In meinen Augen ist Europa die neue Heimat des Jazz. Es gibt hier brillante Musiker, mittlerweile viel mehr als in Amerika. Auch die Möglichkeiten, aufzutreten und zu lernen, haben sich in Europa rasant entwickelt.
Das «Time Magazin» nannte Sie den grössten lebenden Jazzsänger ? wie wichtig sind Ehrungen und Auszeichnungen für Sie?
(Lacht) Ach, das ist ja nett vom «Time Magazin», ich glaube aber, dass sie da nicht ganz richtig liegen. Der Grösste ist ja wohl Jon Hendricks! Wenn Sie den nicht kennen, dann tun Sie sich selbst einen Gefallen und suchen Sie nach ihm! Er hat die Vokalgruppe «Lambert, Hendricks & Ross» gegründet und deren Musik ist unfassbar gut und macht einen Heidenspass. Sie werden sich vor Lachen nicht mehr halten können: Das ist das Nonplusultra!
Sie haben Psychologie studiert und sind nach San Francisco gezogen, um dort als Sozialar-beiter zu arbeiten. Wann kam der Punkt, an dem Sie entschieden haben, sich ganz der Musik zu widmen?
San Francisco war damals der Mittelpunkt der Welt in Sachen Musik und der kulturellen Revolution. Die wichtigste Musik kam aus der Bay Area. Ich wollte mich in der Musik versuchen und dachte mir, ich ziehe dorthin, arbeite tagsüber als Sozialarbeiter und nachts werde ich singen. Und das tat ich dann auch. Natürlich schwang die Hoffnung mit, vielleicht eine Karriere starten zu können. Und tadaah, da kam sie.
Und was für eine! Sie sind 74 Jahre alt und touren weltweit. Was ist Ihre Geheimnis, um fit zu bleiben und den Spass nicht zu verlieren?
Definitiv genug zu lachen! Lachen ist ein ganz wichtiger Teil, um gesund zu sein und auch zu bleiben. Deswegen mache ich auch Musik, die Leuten dabei hilft, zu lachen und einfach fröhlich zu sein. Wenn man mich fragt: ?Was produzierst Du, Al Jarreau??, dann antworte ich «Lachen und Freude».
Werden Sie denn niemals müde?
Doch, ich bin tatsächlich manchmal ausgelaugt. Es ist nicht mehr so einfach, wie es einmal war. Aber gleichzeitig wächst auch meine Lust und meine Liebe an der Arbeit. Ich ermutige jeden, etwas zu finden, was man liebt, und das dann auch zu praktizieren. Etwas, das einen erfüllt ? finde es und mach es, auch wenn du dafür nicht bezahlt wirst! Das ist verdammt schwierig, das weiss ich.
Fühlen Sie sich privilegiert, Ihr Leben so leben zu dürfen?
Ich habe das schönste und wunderbarste Leben, das man haben kann! Ich darf das tun, was ich am meisten liebe: Musik schreiben und sehen, wie glücklich sie auch andere macht. Menschen eine Freude zu bereiten, das sehe ich als meine Mission an. Ein jeder Mensch auf diesem Planeten sollte dafür Sorge tragen, dass es anderen Menschen gut geht. (kid/sa)
Persönlich
Al Jarreau, wurde am 12. März 1940 in bescheidenen Verhältnissen in Milwaukee geboren. Nach seinem Studium der Psychologie arbeitete er als Sozialarbeiter und sang abends in Nachtclubs. 1976 begann seine Karriere im Hamburger Club «Onkel Pö». Al Jarreau ist einer der grössten Stilisten des Jazz- und R&B-Gesangs. Bis heute ist er als einziger Künstler in den drei Kategorien Jazz, R&B und Pop mit insgesamt sieben Grammys ausgezeichnet worden. Al Jarreau tritt am Samstag, 5. Juli, um 21.30 Uhr beim «Life» im Grossen Saal im Schaaner SAL auf.
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