«Prominent sein ist ein Gefängnis»
Hugh Grant lädt eine Prostituierte in seinen BMW, der betrunkene David Haselhoff verschlingt unappetitlich einen Burger und Lindsay Lohan feiert exzessiv Party – und das alles vor laufender Kamera. Während peinliche Aktionen von Normalsterblichen nach einer gewissen Zeit nur noch die Betroffenen interessieren, gehen Fauxpas von Promis innerhalb weniger Minuten – wenn nicht Sekunden – um die ganze Welt.
Privatsphäre gegen Ruhm
Das Beweismaterial in Form von Bild oder Film gelangt manchmal per Zufall aus privatem Kreis an die Presse, öfter wird es aber von interessierter Seite in Auftrag an sogenannte Paparazzi gegeben. Diese Art von Fotografen verdienen viel Geld damit, Skandale und Peinlichkeiten von Promis festzuhalten und an die Presse zu verkaufen. Der Beruf ist umstritten: Einerseits wird die Arbeit von Paparazzi mit der Pressefreiheit verteidigt, andererseits als unrechtmässiges Eindringen in Privatsphären angesehen. Fakt ist: Im Aufdecken von Blamagen der Mächtigen und Berühmten werden die herrschenden Normen und Tabus sichtbar gemacht.
Tauschen prominente Persönlichkeiten somit ihr Recht auf Privatleben gegen den Ruhm? Konstatin Wecker, deutscher Musiker, Schauspieler und Autor, hat in seiner Autobiografie «Die Kunst des Scheiterns» geschrieben: «Als Promi sind Sie verloren. Sie leben in Angst und Schrecken, dass ihre kleinen Schweinereien, die sich alle anderen auch leisten, schon tags darauf an den Pranger gestellt werden … Prominent sein ist ein Gefängnis, das man dauernd mit sich herumschleppt. Und in den meisten Fällen ist das Urteil lebenslänglich.»
Promis von ihrem Podest holen
Sehr beliebt bei der Klatschpresse und den entsprechenden Online-Plattformen sind Geschichten und Bilder, welche die Stars von ihrem Podest herunterholen und als Normalbürger erscheinen lassen: Unpassendes Outfit, missglückte Frisuren, unreine Haut und Gewichtsprobleme werden genüsslich illustriert und diskutiert – und wecken bei den einen Lesern und Zuschauern Schadenfreude, bei den andern mindern sie Minderwertigkeitskomplexe.
Die Veröffentlichungen von Peinlichkeiten und Skandalen berühmter Menschen – sei es in der Musik- oder Filmbranche, Wirtschaft oder Politik – ist ein Spiel mit ungewissem Ausgang. Wer von ihm letztlich am meisten profitiert, wen er schädigt und wen er bestätigt, ist zu Beginn völlig ungewiss. Bekannte Beispiele: Bei Britney Spears geriet die Blamage zwischenzeitlich ausser Kontrolle. Während sie sich mittlerweile erholt hat und wieder auf Tour ging, stirbt Amy Winehouse infolge ihres extremen Lebenswandels. Welchen Weg Charlie Sheen, ehemaliger Hauptdarsteller von «Mein cooler Onkel Charlie» wählen wird – Rehabilitierung oder tödlicher Absturz –, ist noch ungewiss.
Peinlichkeit als PR-Instrument
Promis sind aber nicht nur Opfer von peinlichen Enthüllungen, sondern auch Drahtzieher: Einmal zeigen sie sich mit Ehering, einmal ohne. Dann sieht man plötzlich, dass sie sich die Haut aufgeritzt haben. Viele sensationelle Peinlichkeiten von Stars sind kalkuliert und bewusst inszeniert mit dem Ziel, wieder Schlagzeilen zu machen. (hl)
Quelle: «Blamage – Geschichte der Peinlichkeit» von Christian Saehrendt. Erschienen bei Bloomsbury Berlin.