Pro und kontra Computerspiele ? eine heisse Diskus
In Verruf geraten sind Computerspiele nicht nur wegen ihres Suchtpotenzials. Sie sind auch die «Sündenböcke» für Gewalttaten. Experten sind sich jedoch einig: Games sind nicht grundlegend schlecht. Es scheiden sich die Geister, wenn es um den Schaden und Nutzen von Computerspielen geht.
Immer wieder ist die Rede von «Killergames», vor allem dann, wenn jemand Amok läuft oder Jugendliche gewalttätig werden. Besonders Shooter-Spiele, die realitätsnah Schiess- und Kriegszenen nachbilden, sind die Zielscheibe von Kritikern. Tatsächlich gibt es Zusammenhänge zwischen erhöhter Aggressivität und Computerspielen ? was Ursache und was Wirkung ist, konnte bisher aber nicht vollständig geklärt werden. Grundsätzlich gehen die Experten aber davon aus, dass Shooter-Spiele nicht die Ursache für Gewaltprobleme sind, jedoch mögliche Hinweise auf solche. Die Auswahl der Spiele können durchaus Gewaltpotenzial und Wertehaltungen der Zocker widerspiegeln.
Heisser Gesprächsstoff
Das Thema Computerspiele erhitzt die Gemüter in jeder Gesprächsrunde. Auch in der «Liewo»-Redaktion entstanden heisse Disskussionen bei der Recherche. Nicht zuletzt, weil hier Gamer, Eltern und Muggle ? wie Nichtspieler anscheinend in Spielerkreisen genannt werden ? aufeinandertreffen: Während sich die Eltern vorwiegend Sorgen um den Konsum ihrer Kinder machen, sind sich die Gamer durchaus über die Vor- und Nachteile von Computerspielen bewusst. Sie kennen sowohl die Argumente der Befürworter als auch der Gegner.
Kontra: Die bekannten Argumente
Die Gewaltdarstellung in vielen beliebten Computerspielen kann Aggressivität steigern, schlechtes Verhalten fördern und Realitätsverlust hervorrufen. Wer oft zu Hause sitzt und zockt anstatt rauszugehen und Freunde zu treffen, verliert soziale Kontakte und schränkt seine Kommunikationsfähigkeit ein.
Ausserdem ? und das sind sich viele nicht bewusst ? können die Spiele Kinder und Jugendliche finanziell in den Ruin treiben. Denn auch wenn sie viele Games gratis im Internet herunterladen können, müssen sie in einem gewissen Stadion oft Geld in die Hand nehmen, um im Spiel weiterzukommen. Die Rede ist von Zusatzfunktionen oder höheren Levels, die den Spass am Game erhöhen.
Pro: Alles hat eine gute Seite
Spass haben ist das Stichwort, wenn es um die positiven Aspekte von Games geht: Sie unterhalten den Spieler auch alleine zu Hause und stellen daher einen praktischen und äusserst unterhaltsamen Zeitvertreib dar. Es gibt aber auch Games, bei denen man mit Menschen aus der ganzen Welt zusammenspielt. Das wiederum fördert nicht nur die Kommunikation und die Sozialkompetenz, sondern auch den englischen Sprachgebrauch sowie das Kulturverständnis. Eines der beliebtesten Multiplayer-Online-Rollengame ist zum Beispiel World of Warcraft.
Ausserdem: Auf dem Markt gibt es nicht nur Shooter- und Kriegsspiele, sondern auch Lern-, Logik- und Geschicklichkeitsspiele. Heutzutage kann man mittels Computerspielen Sprachen, Geografie, Geschichte und Mathe lernen und sich Fertigkeiten wie Schachspielen und Programmieren aneignen.
Die Auseinandersetzung der Experten
Einer der prominentesten Kritiker der digitalen Welt ist Manfred Spitzer, Hirnforscher und Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm. In seinem Buch «Digitale Demenz» schreibt er, dass Computerspiele für viele negative Entwicklungen bei gamenden Jugendlichen verantwortlich sind. Im Migros-Magazin vom 4. Februar stellen die Redaktoren Spitzers Thesen gegenüber die Argumente von Daniel Süss, Professor für Medienpsychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft ZHAW. Während Manfred Spitzer der Meinung ist, dass Videospiele zunehmende Gewaltbereitschaft und Abstumpfung gegenüber realer Gewalt bewirken, steht laut Daniel Süss beim Gamen das Erfüllen von Missionen und das Zusammenspiel im Team im Vordergrund ? und nicht die Gewalttätigkeit.
Eine weitere These des Kritikers lautet: Videospiele haben soziale Vereinsamung zur Folge, sie beeinträchtigen die Beziehung zu Gleichaltrigen und Freunden negativ. Befürworter Süss sieht das anders und vergleicht das Gamen in Communities mit Sportmannschaften oder Musikvereinen. Zudem kritisert Manfred Spitzer das Suchtpotenzial von Computerspielen: «Kinder, die Videospiele spielen, verbringen im Vergleich zu Kindern, die dies nicht tun, viel weniger Zeit mit Lesen und Hausaufgaben.» Daniel Süss stimmt dem zu, sofern das Gamen so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass Schularbeiten vernachlässigt werden. Jedoch fördere Gamen auch Konzentration, gute räumliche Orientierung und schnelles Reagieren.
Der Umgang ist entscheidend
Die positiven Aspekte lassen sich jedoch genau wie die negativen relativieren: Ein Super-Computerspiel wird zum Beispiel nie die Schule ersetzen. Ausserdem muss das, was im Spiel gelernt und trainiert wird, auch sinnvoll und erfolgreich in der Realität umgesetzt werden. Diese Fähigkeiten besitzen nicht alle Gamer und wollen gelernt sein. Trotzdem: Computerspiele sollten laut Experten genau wie alle neuen Medien nicht verteufelt werden. Wichtig ist, dass die Kinder und Jugendlichen den richtigen Umgang mit den Games lernen ? und das setzt voraus, dass sich auch ihre Eltern damit auseinandersetzen. (hl)