Nicht uneigennützig gehandelt
Zweifellos können sich die Liechtensteiner Einwohner glücklich schätzen, dass das Land souverän blieb. Hätten die Fürsten von Liechtenstein die beiden Landesteile, die 1719 zum Fürstentum erhoben wurden, nicht gekauft, wären die Gebiete womöglich getrennt oder aufgeteilt worden. Versetzt man sich aber in die Zeit des Kaufs zurück, wurden diese Erwerbungen nicht primär getätigt, damit es den Menschen im Land gut ging. Das gibt das Fürstenhaus auch indirekt auf dessen Homepage zu:?«Während im 18. Jahrhundert das Land noch eher am Rande des Interesses lag – die Familie residierte damals noch in Feldsberg (heute Tschechien) und Wien –, rückte es nach Erlangung der Souveränität 1806 immer mehr in den Mittelpunkt und wurde im 20. Jahrhundert Sitz der Fürsten.»
Mehr Macht für Liechtenstein
Das Haus Liechtenstein hatte sich in der Donaumonarchie verdient gemacht. Allerdings hatten sie, um wirklich ein gewichtiges politisches Wort mitreden zu können, ihre Ländereien am falschen Ort. Sie erlangten zwar im Jahr 1606 zunächst die Pfalzgrafenwürde und 1608 die erbliche Fürstenwürde, wurden aber erst 1623 in den Reichsfürstenstand erhoben. Sie hatten aber kein reichsunmittelbares Gebiet und hatten daher nicht die Berechtigung, im Reichsfürstenrat Einsitz zu nehmen.
Wichtiges Land im Reich
Der Zufall oder in erster Linie die gescheiterte Haushaltspolitik der Hohenemser boten den Liechtensteinern die Gelegenheit, die Herrschaft Schellenberg zu kaufen. Die Hohenemser hatten hohe Schulden angehäuft und waren gezwungen, Liquidität zu gewinnen. Zunächst wollte Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein die Herrschaft Schellenberg und die Grafschaft Vaduz für 400?000 Gulden im Gesamten von den Hohenemsern erwerben und die Grafschaft Vaduz gleich dazukaufen. Hier stand aber der Kaiser dagegen. Er erlaubte den Kauf von Schellenberg um 115000 Gulden und räumte dem Fürstenhaus ein Vorkaufsrecht für Vaduz ein.
Der Fürst konzentrierte sich auf andere Dinge und der Kauf von Vaduz war vorerst nicht vorgesehen. Als der Kaiser später jedoch das Fürstenhaus darauf drängte, auch die «obere Landschaft» zu kaufen, weil sich die Schulden der Hohenemser weiter angehäuft hatten und der Kaiser das Land als strategisch wichtig einstufte, konnten die Liechtensteiner nicht mehr anders. Der Fürst kaufte nun für 290000 Gulden auch die Grafschaft Vaduz.
Folge: Lang ersehnter Sitz im Reichsfürstenrat
Nachdem die kaiserliche Vertragsgenehmigung erfolgt war, fand am 9. Juni 1712 die Huldigung der Untertanen der «oberen Landschaft» statt. Grund zum Feiern hatten die Untertanen aber weniger. Die Anpassungsschwierigkeiten zwischen neuem Fürst und dem Volk waren immens. Während die vorigen Herrscher weitgehende Autonomie und ein Hauch von Volksrechten billigten, führten die Liechtensteiner wieder den Absolutismus ein, was zu grossen Einschnitten im täglichen Leben führte.
Mit den beiden Herrschaften zusammen verfügte Fürst Johann Adam Andreas nun über ein zum Einsitz in den Reichsfürstenrat berechtigendes reichunmittelbares Territorium. Die Liechtensteiner konnten ihr Ziel erreichen. Ohne den Kauf der Grafschaft Vaduz wäre das Fürstentum Liechtenstein nicht entstanden. (mw)
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