Natur pur: Als Wildhüter über Wald und Wiesen
Wildhüter Peter Eggenberger ist nur noch ein paar Tage im Dienst, bevor er sich in die wohlverdiente Pension verabschiedet. Gemeinsam mit der «Liewo» lässt er seine rund 21 Jahre Amtszeit Revue passieren und berichtet von besonders schönen und spannenden Erlebnissen.
Von Trübbach bis Rebstein und von der Rheinebene bis zu den Bergspitzen: Der Wildhutkreis 2 umfasst insgesamt 28 500 Hektar, und die wollen erstmal «gehütet» werden. Das war während fast 21 Jahren die Aufgabe von Peter Eggenberger, scheidender Wildhüter des Wildhutkreises 2. Doch wie sieht der Alltag eines Wildhüters eigentlich aus? Von Alltag im herkömmlichen Sinn kann man bei diesem Beruf wohl kaum sprechen, denn «alltäglich» ist daran eher weniger. Ein Wildhüter ist zuständig für alle jagdbaren und geschützten Tierarten. Zu seinen Aufgaben gehört es, deren Bestände zu kontrollieren, Geschlechts- und Altersstrukturen festzustellen und wenn diese nicht ausgewogen sind, wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Vor allem die geschützten Tierarten des jeweiligen Aufsichtsgebiets stehen im Fokus ihres Hüters, darunter u. a. Biber, Luchs, Steinadler, Bartgeier, Raufusshühner und Steinwild. Zudem muss ein Wildhüter auch erkennen, ob ein Tier verletzt oder krank ist, um welche Krankheit es sich handeln könnte und ob gegebenenfalls Massnahmen nötig sind ? «ganz schön vielfältig», meint auch Eggenberger nach Abschluss seiner Ausführungen augenzwinkernd. Und nicht zu vergessen die Büroarbeit, die immerhin 25 Prozent seines Jobs ausmachen würden ? ein Vollzeitjob, wie der Grabser zugibt.
Eine Art «einsamer Wolf», der nur in Gesellschaft seiner Hündin Gilla ? eine achtjährige kleine Münsterländerin ? durch die Wälder streift, war Eggenberger dabei jedoch nicht. Zu den Aufgaben eines Wildhüters gehört es nämlich auch, die Bevölkerung über den Umgang mit Wildtieren aufzuklären: «Die Menschen wollen möglichst nah an und mit der Natur leben, aber wenn dann im Frühling Rehe die Knospen an den Bäumen im Garten abknabbern oder ein Fuchs dort sein Geschäft verrichtet, ist der Ärger gross.» Daher nimmt die Aufklärungsarbeit einen grossen Stellenwert ein, um den Menschen die Natur wieder ein wenig näherzubringen. Sei es mithilfe der Medien oder aber auch durch spannende Vorträge, natürlich mit vielen Beispielen aus der Praxis.
Tierische Erlebnisse
Und an jenen mangelt es dem langjährigen Wildhüter wahrlich nicht. Besonders im Gedächtnis geblieben ist ihm ein kleiner Steinbock namens «Röberli». Bei ihm hatte Eggenberger bei einer Markierungsaktion den Beginn einer Gamsblindheit festgestellt, weshalb er ihn kurzerhand mit nach Hause genommen, eine Woche lang in seinem Hundezwinger einquartiert und gesundgepflegt hat. Bereits am zweiten Tag hat Röberli ihm aus der Hand gefressen. Als er wieder gesund war, wurde er mit einer Ohrmarke versehen und wieder freigelassen. Bei Eggenbergers Streifzügen durch Röberlis Heimatgebiet ist ihm der Steinbock sechs Jahre lang immer wieder begegnet und hat die Ohren gespitzt, wenn er beim Namen gerufen wurde. Neben Steinbock Röberli erinnert er sich auch gerne an Luchsdame Alma: «Alma war der letzte Luchs, den wir innerhalb des Lunaprojekts ausgewildert haben. Das war am 2. April 2008.» Alma lebt immer noch und hat sich fleissig weiter vermehrt.
Neben den tierischen Begegnungen haben es dem Hobbyfotografen vor allem auch ganz besondere Naturstimmungen angetan: «Wenn man bereits vor Tagesanbruch auf dem Berg sein musste und von der Spitze aus den Sonnenaufgang erleben darf, dann ist das ein besonders schönes Erlebnis. Oder wenn man nachts unterwegs ist und der Vollmond hinter den Bergen hervorkommt.»
Eine neue Liebe: Der Biber
Seine Arbeit hat naturgemäss mit Tieren zu tun, und so lernte der Wildhüter im Laufe seiner Karriere auch Tiere kennen und lieben, die er zuvor nur aus Büchern kannte. Dazu gehört zum Beispiel der Biber. Dieser siedelte sich erst 2008 im Aufsichtsgebiet des Grabsers an, lediglich etwa 1,5 Kilometer von seinem Wohnhaus entfernt. Die Nähe zum damals neuesten Bewohner in Eggenbergers Gebiet erlaubte ihm ein intensives Studium dieser Tierart. So gehören Besuche nach Feierabend seit der Ansiedelung des Bibers ganz selbstverständlich dazu. «Ich war mittlerweile sicher schon über 200 Stunden bei den Bibern. Ich kann nicht sagen, ob sie mich kennen, aber ich vermute schon, zumindest meinen Geruch», sagt der Biberfreund und lacht. Sein absolutes Lieblingstier ist und bleibt aber der Hirsch. «Alleine schon aufgrund seiner Intelligenz», erläutert Eggenberger. Diese Intelligenz könne nicht jeder Jäger überlisten, da brauche es schon Fingerspitzengefühl. «Aber», und das sagt Eggenberger aus voller Überzeugung, «jedes Tier ist schön!».
Vorurteile, wie sie Jägern oder auch Wildhütern immer wieder entgegengebracht werden, ärgern Peter Eggenberger. Er handle nach dem Leitsatz «Man kann bei jeder Tierart den Zuwachs nutzen, solange eine gewisse Grösse einer überlebensfähigen Population vorhanden ist». Diese «Nutzung» würde keineswegs planlos passieren, sondern unterliege ähnlichen Maximen wie in der Forstwirtschaft. Ausserdem gibt der Experte zu bedenken, dass solch gearteten Vorwürfe oftmals zum Beispiel von Hundehaltern kommen würden, die sich zunächst einmal an die eigene Nase fassen sollten: «Da muss ich dann schon sagen, so manch ein Hundehalter bezeichnet sich selbst als Tierfreund ? in meinen Augen ?Tierfreund? mit einem beschränkten Horizont ? und lässt dann seinen Hund unkontrolliert in sensible Wildlebensräume.»
Der Egoismus vieler Menschen bereitet dem Grabser Sorge. Die Natur werde von vielen als «Freizeit-arena» angesehen, in der keinerlei Rücksicht auf Wildtiere genommen werde. Es erschrecke ihn, dass man heutzutage vielfach den Bezug zur Natur verloren habe, führt er nachdenklich aus. Gerade Freizeitsportler, die den besonderen Kick suchen, in unberührter Natur ihr «Un-wesen» zu treiben, würden erheblichen Schaden verursachen. Es handelt sich hierbei allerdings um ein paar wenige Ausnahmen, Eggenberger vermutet einen Anteil von rund zehn Prozent.
Problematisch für die Natur ? oder vielmehr den Menschen ? sind auch die von diesem so bezeichneten «Problemtiere», wie etwa der Bär M13. Dieser wanderte durch Graubünden, kam dem Menschen zu nahe und musste schliesslich sterben. Solche Beschlüsse zum Abschuss seien nicht einfach zu fällen, da müsse ganz genau abgewägt werden, erklärt Eggenberger. «Ich war ganz und gar nicht glücklich, dass man den Bären geschossen hat. Aber ich kann den Entscheid der zuständigen Behörden verstehen und nachvollziehen.»
Der harte Kreislauf der Natur
Grausame Todesfälle hat er zur Genüge erleben müssen. Bei Wildunfällen auf der Autobahn etwa, denn hier wird neben der Polizei auch der Wildhüter hinzugezogen. Diese Einsätze sind aufgrund der Örtlichkeit nicht gerade ungefährlich und zudem nicht besonders angenehm. Mitunter emotional aufwühlende Erlebnisse gehören aber einfach zu seiner Arbeit dazu: «Die Natur ist hart, aber den Naturprozess muss man akzeptieren, sonst geht es nicht. Das Stärkere oder das Anpassungsfähige überlebt.»
Neben einem dicken Fell braucht es dann vor allem die Fähigkeit, abschalten zu können. Das sei zu Hause jedoch schwierig, denn irgendetwas ist ständig. «Eigentlich war ich überhaupt kein Freund davon, wegzufahren, aber vor rund 15 Jahren haben meine Frau und ich das Reisen entdeckt. Auch, um aus der gewohnten Umgebung herauszukommen und eben abschalten zu können.» Neben dem Aspekt des «Herunterfahrens» bringt einen das Reisen in ferne Länder auch auf den Boden der Tatsachen zurück. In der Mongolei zum Beispiel hat ihn fasziniert, mit wie wenig die Menschen dort zufrieden sind. Oder aber Afrika mit seiner unglaublich faszinierenden Natur, die der eigenen, bekannten, so ganz unähnlich ist.
Ohne Wehmut in den Ruhestand
Wenn Wildhüter Peter Eggenberger ein Fazit ziehen soll, dann kann er eines ganz ohne Zweifel sagen: «Ich durfte die letzten 20 Jahre meinen absoluten Traumberuf ausüben.» Wehmut erfasst den scheidenden Wildhüter beim Gedanken an die nahende Pensionierung aber dennoch nicht. Er wird sich weiter für die Erhaltung der Natur einsetzen und er freut sich vor allem darauf, endlich die Natur geniessen zu können, ohne sich häufig ärgern zu müssen. Und während er spricht, muss er selbst lachen, denn ob ihm dieser Vorsatz gelingen wird, darf im Fall des passionierten Wildhüters zumindest angezweifelt werden.
Natürlich wird er auch «seiner» Biberfamilie weiterhin regelmässige Besuche abstatten, die Kamera immer im Anschlag. Der Hobbyfotograf wird in Kürze eine weitere unbekannte Natur und vielleicht auch fremde Tiere vor die Linse bekommen ? die Chinas nämlich, das nächste Reiseziel der Eggenbergers. Mit diesem Abenteuer vor Augen kann er sein Amt beruhigt an seinen Nachfolger übergeben: Ab Februar wird der 27-jährige Silvan Eugster mit seinem Hund Anton ein wachsames Auge auf die ehemaligen Gefilde Eggenbergers haben. (kid)
Steckbrief
Name: Peter Eggenberger
Wohnort: Grabs
Alter: 62
Beruf: Kantonaler Wildhüter
Hobbys: Natur, Fotografie, Reisen
Leibspeise: Kotelett mit verschiedenen Beilagen
Getränk: Kaffee und ein Glas guten Rotweins mit Freunden
TV-Vorliebe: Naturdokus
Musik: Deutschsprachige Schlager und Volksmusik
Lektüre: Fachliteratur über Wildtiere
Stadt/Land? Land, keine Frage!
Sommer/Winter? Alle Jahreszeiten haben etwas Schönes
Ort: Meine Heimat
Stärke: Wissbegierde
Schwäche: «Ich bin vielleicht manchmal ein bisschen stur»
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