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«Ein Clown will ein Licht sein auf dieser Welt»

Die Gamserin Ruth Dürr ist seit fünf Jahren Geriatrie-Clown im Pflegeheim Werdenberg. Als Clown-Dame «Norina» zaubert sie ein Lächeln in die Gesichter der Bewohner. Eine Aufgabe, die viel mehr verlangt, als sich lediglich eine rote Pappnase aufzusetzen.

Bunt, fröhlich und tollpatisch – das ist «Norina», die mit ihrer roten Knollennase und ihren farbenfrohen?Kleidern regelmässig die Bewohner des Pflegeheims Werdenberg besucht. Ungeschickt rennt die Clown-Dame gegen eine Tür, klebt den Pflegern rote Herzen auf die tristen Arbeitsklamotten oder hinterlässt hie und da eine bunte Blume an der Tür. Manchmal vergisst Norina sogar ihre guten Manieren und treibt ihre Spässchen mit dem diensthabenden Stationsleiter – und sorgt so für Gesprächsstoff zwischen den oft kranken Bewohnern und Menschen mit Demenz. Damit weckt sie Erinnerungen und verbreitet Heiterkeit – Humor und Lachen sind angeblich die beste Medizin und Norina trägt wesentlich zur Gesundheit und Lebensqualität der Heimbewohner bei.

Der Mensch hinter dem Clown

Hinter dem Geri-Clown Norina (Geriatrie=Altersheilkunde) steckt die Gamserin Ruth Dürr. Die 63-Jährige lebt mit ihrem Mann Walter und ihrem Wellensittich Bennie Turbo in einem gemütlich eingerichteten Einfamilienhaus. Wer das Heim der Familie Dürr betritt, wird auf den ersten Blick nicht merken, dass dies das Zuhause einer Clownin ist. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man die Indizien: in der Ecke steht eine Gitarre, an der Tür hängen Fotos von Norinas Arbeit und hier und dort entdeckt man Clown-Utensilien. Dem geübten Beobachter entgeht auch nicht, dass Ruth Dürr eine spezielle Aura umgibt. Die Gamserin ist auf eine ganz unkonventionelle Art aufgeweckt und verspielt. In ihrer Art zu sprechen, zu gehen und sich für etwas zu begeistern, ist sie der Clown-Dame nicht unähnlich. Ruth Dürr selbst gibt zu:?«Norina ist so wie ich und ich bin so wie sie. Wenn ich mein Kostüm anziehe, dann ist das vielmehr ein Kleider- als ein Rollenwechsel.»
Bevor die heute 63-Jährige ihre Bestimmung als Geri-Clown entdeckte, arbeitete sie 27 Jahre lang als Schuhverkäuferin in Buchs. Im Alter von 30 Jahren lernte die Gamserin die Institution Pro Senectute kennen. Die Organisation stellt sich in den Dienst älterer Menschen, und Ruth Dürr wollte das Gleiche tun. Sie begann – parallel zu ihrer Arbeit als Schuhverkäuferin – als Leiterin des Seniorenturnens. Des Weiteren war sie Betreuerin bei den Senioren-Ferien-Wochen und leitete 20 Jahre lang im Altersheim Gams die Gruppe «Bewegung und Sport». «Während meiner Zusammenarbeit mit älteren Menschen habe ich gemerkt, dass Humor ein wertvoller und hilfreicher Begleiter sein kann», erzählt die engagierte Hausfrau. So war der Grundstein gelegt, doch der Weg zum Geriatrie-Clown musste noch beschritten werden.

Der professionelle Weg zu Norina

Als Ruth Dürr das erste Mal von «Klinikclowns» hörte, wusste sie augenblicklich, dass sie Geri-Clown werden möchte. «Eigentlich spielte ich schon lange mit der Idee, Clown zu werden, und da ich gerne mit älteren Menschen zusammen bin, war mein Schicksal besiegelt», erzählt sie. Sich lediglich eine rote Pappnase ins Gesicht zu setzen, genügt jedoch bei Weitem nicht, um in Pflegeheimen Gutes zu tun. Denn bei alten Menschen muss sich ein Clown anders verhalten als bei Kindern. Hektisches Herumhampeln ist im medizinischen und therapeutischen Umfeld weniger gefragt. Vielmehr wird Feingefühl und Einfühlungsvermögen verlangt. So brachten erst zahlreiche Kurse und Weiterbildungen Ruth Dürr dahin, wo sie heute als Norina steht.
Den ersten Schritt auf dem Weg zu Norina machte die Gamserin mit dem Kurs «Entdecke den Clown in dir». «Die Kursleiterin meinte, der Clown liege in meiner Natur und ich müsse einfach so bleiben, wie ich bin. Das bestätigte mich in meinem Vorhaben, Clown zu werden», erzählt sie fröhlich. Ihren Clown-Namen habe sie im Übrigen während dieses Kurses erhalten. «Während meiner Abschlussprüfung – einem Improvisationstheater – durften sich die anderen Kursteilnehmer Namen für mich ausdenken. Ich entschied mich für Norina, weil dies ‹Licht und Wärme› bedeutet», erinnert sich Ruth Dürr. Licht und Wärme trägt sie nun auch ins Pflegeheim Werdenberg.

Eine grosse Herausforderung

Bereits seit fünf Jahren besucht Norina regelmässig die Bewohner des Pflegeheims. Mit roter Nase und bunten Kleidern versucht sie ein Lächeln ins Gesicht der alten Menschen zu zaubern und Farbe in deren Alltag zu bringen. Doch das ist nicht immer ganz einfach. In einem Pflegeheim, in dem viele Menschen den letzten Abschnitt ihres Lebens verbringen, muss Norina spüren, was angebracht ist. «Es verlangt viel Einfühlungsvermögen und auch Fingerspitzengefühl», erklärt Ruth?Dürr. Zudem sei es eine Herausforderung, den Kontakt zu den Menschen zu finden. Während manche offen reagierten, seien andere in sich gekehrt. Immer wieder komme es vor, dass ein Pflegeheimbewohner geistesabwesend mit gesenktem Kopf in seiner eigenen Welt versinke. «Manchmal dringe ich zu ihnen durch und bringe sie zum Lächeln», erzählt die Clownin freudig.

Ein Clown ist frei

In der Aufgabe als Geriatrie-Clown hat Ruth Dürr ihre Berufung gefunden. Einerseits möchte sie gerne älteren Menschen etwas Gutes tun, andererseits liebt sie das Clown-Sein. Der Respekt und die Wertschätzung, die Ruth Dürr diesen Menschen zukommen lässt, kommt jedoch nicht von ungefähr. Ihr zufolge hat sie dies ihren Grosseltern zu verdanken, die sie von Kindesbeinen an stets bewundert hat. So könne sie sich noch daran erinnern, wie ihre Grossmutter zu Weihnachten Schokolade an jene vereilte, die nichts hatten oder einsam waren. Solche Erinnerungen prägten Ruth Dürr und zeigten ihr, wie viel Wertschätzung gerade die ältere Generation verdient hat. Doch auch das Wesen der alten Menschen hat es der Gamserin angetan: «Alte Menschen sind oft sehr einfach, und das gefällt mir.». Einfachheit prägt auch das Naturell von Norina. «Als Clown ist sie frei und sieht die Welt verspielter», erklärt Ruth Dürr. «Sie umgeht Hass und will ein Licht sein auf dieser Welt.»

Generationen verbinden

Ruth Dürr ist nicht nur mit Leib und Seele Clown-Dame, sondern auch begeisterte Musikerin. «Musik gibt mir Kraft, Freude und ein offenes Herz» betont sie. Mit Gitarre, Trommeln und Glockenspiel ausgerüstet, trägt sie diese Freude auch in die vier Wände des Altersheims. Zudem leitet die musikalische Gamserin seit rund 20 Jahren die Instrumentalgruppe der «Seelsorgeeinheit Werdenberg». Diese besteht vorwiegend aus Jugendlichen, die mit ihren Instrumenten den Gottesdienst musikalisch untermalen. «Den grössten Teil der Arbeit erledigen die Jugendlichen selbst. Im Wesentlichen füge ich die Instrumente nur zusammen. Es ist, als ob man einen Blumenstrauss zusammenstellt», beschreibt Ruth Dürr ihre Arbeit als Leiterin der Gruppe.
«Musik verbindet Generationen», davon ist die Musikerin überzeugt. Deshalb organisierte sie ein Zusammentreffen der jungen Musikgruppe mit den Pflegeheimbewohnern. Mit ihren Instrumenten und als Clown verkleidet begleitete sie einige Jugendliche ins Pflegeheim Werdenberg. «Es ist mir wichtig, Jung und Alt zusammenzuführen. Ich glaube, beide profitieren davon.» Unrecht hat sie mit dieser Behauptung sicher nicht, denn sowohl die Jugendlichen als auch die Heimbewohner hatten an jenem Tag viel Freude und empfanden es als Bereicherung.

Bewegende Momente

Oftmals liegen im Pflegeheim Freud und Leid nah beieinander. Diese Erfahrung musste auch Ruth Dürr machen. Während ihr heute ein Bewohner ein Lächeln schenkt, hat dieser bei ihrem nächsten Besuch diese Welt vielleicht schon verlassen. So traurig sich Abschiedsmomente gestalten, selbst in solchen Situationen ist der Geri-Clown nicht fehl am Platz. So erinnert sich die Clown-Dame daran, dass sie einst an das Sterbebett einer betagten Dame gerufen wurde. «Sie wollte mich trotz ihres Zustandes nochmals sehen.» So betrat Norina zum letzten Mal das Zimmer der Frau. In ihrer Hand trug sie ein feines Glockenspiel, das sanfte Klänge von sich gab. «Das ist wie in der Kirche», lächelte die im Bett liegende Dame und erfreute sich an dem Glockenspiel. So schafft es Norina selbst in einer dunklen Stunde, Licht und Wärme zu spenden. (sb)

Steckbrief
Name: Ruth Dürr/Norina
Wohnort: Gams
Alter: 63 («Aber ein Clown kennt das Alter nicht.»)
Beruf: Hausfrau und Geri-Clown
Hobbys: Gitarre spielen, Malen, Getalten und Leiterin der Instrumentalgruppe
Leibspeise: Omeletten und Eierschwämmli mit Rahmsauce
Getränk: Wasser
TV-Vorliebe: Humorvolle Filme
Musik: Volksmusik und Klassik
Lektüre: Sachbücher und Bücher von Anselm Grün
Lieblingsort: Mein Zuhause und Schweden
Stadt/Land? Land
Sommer/Winter? «Mir gefällt beides.»
Stärke: «Dass ich Menschen zusammenführen kann.»
Schwäche: «Manchmal bin ich ungeduldig.»
Mein Traum: «Ich würde gerne einmal ein Kirchenfenster gestalten.»

 
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