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Ein Buchser ist Australiens bester Schwimmtrainer

So weit sich Stephan Widmer zurückerinnern kann, war er eine Wasserratte: Mit sieben Jahren trat er dem Schwimmclub Flös bei, im Alter von 26 Jahren wurde er Schwimmtrainer beim SC Uster. Doch das war dem ehrgeizigen Buchser nicht genug.

Es ist Freitagabend und im Buchser Hallenbad bereiten sich die jungen Schwimmerinnen und Schwimmer des SC Flös auf ihr Training vor. Sie sind ein wenig aufgeregt, denn heute erwartet sie ein prominenter Gasttrainer. Stephan Widmer, seines Zeichens Cheftrainer der Queensland Academy of Sports in Australien, wird an diesem Abend das Training leiten. Seit 13 Jahren trainiert der Buchser Australiens Spitzenschwimmer. Während dieser Zeit holten seine Schützlinge 15 Mal WM-Gold, gewannen fünfmal olympisches Gold und stellten insgesamt 20 Einzelweltrekorde auf. Widmer zählt weltweit zu den erfolgreichsten Schimmtrainern. Es ist daher kein Wunder, dass die Nachwuchstalente des SC Flös schon gespannt auf den Beginn de Trainings warten.

Hoher Besuch trifft ein

Als Stephan Widmer das Hallenbad Flös betritt, beenden die jungen Nachwuchsschimmer augenblicklich ihre Gespräche. Der gebürtige Schweizer stellt sich ihnen vor und erzählt Anekdoten aus der Zeit, als er noch selbst beim SC Flös war. Spätestens als er auf das Wesen des Schwimmsports zu sprechen kommt, ist ihm die Aufmerksamkeit seines Publikums gewiss. Es gehe darum, sich immer wieder neue Ziele zu setzen und an sich zu arbeiten, erklärt er den Jugendlichen. «Ihr müsst Babyschritte machen und so fortlaufend an euch arbeiten.» Schliesslich sei noch kein Meister vom Himmel gefallen und der Weg an die Spitze müsse über viele kleine Zwischenschritte erkämpft werden. Dieses Erfolgskonzept erscheint manchen vielleicht zu simpel, doch Stephan Widmer weiss, wovon er spricht. Auch sein Weg an die Spitze führte über viele Zwischenstationen.
 
Zum Schwimmsport gefunden

Die Leidenschaft für den Schwimmsport hat Stephan Widmer nach eigener Aussage seiner Mutter zu verdanken. «Sie war es, die mich regelmässig zum Schwimmen mit ins Freibad nahm. Mein Vater hingegen war Nichtschwimmer», erzählt der sympathische Buchser lächelnd. An seinen ersten Schwimmbadbesuch erinnert er sich gern zurück und meint: «Ich war damals etwa zwei Jahre alt – und vom ersten Moment an war ich eine richtige Wasserratte.» Die Freibadbesuche seien zudem immer ein Höhepunkt gewesen. Für seine Mutter hingegen waren sie manchmal mit etwas Stress verbunden. Als kleiner Bub machte sich Widmer nämlich einen riesigen Spass daraus, unter Wasser zu tauchen und so lange wie möglich die Luft anzuhalten. Dieses «Spiel» versetzte regelmässig einige der Badegäste in Panik. «Sie hatten Angst, dass ich ertrinken könnte und machten deswegen einen riesigen Aufstand. Meine Mutter musste sich deswegen immer wieder vor den anderen Schwimmbadbesuchern rechtfertigen», lacht Stephan Widmer.

Die Zeit beim SC Flös

Auch wenn Stephan Widmer schon von Kindesbeinen an gerne am und im Wasser war, zum Schwimmsport fand er eher zufällig: Während einer Schwimmstunde an der Schule wurden zwei seiner Schulkameraden angefragt, ob sie nicht dem Schwimmclub Flös beitreten möchten. «Als meine Freunde sich dafür entschieden haben, ging ich quasi als Mitläufer einfach einmal mit ins Training», berichtet der heute 45-Jährige. Während seine Kollegen das neue Hobby relativ schnell wieder aufgaben, blieb Widmer dem SC Flös erhalten. Von 1974 bis 1988 schwamm er für den Schwimmclub, stellte damals einige Schweizer Rekorde auf und holte sogar den Schweizer-Meister-Titel über 400 m Lagen. «Damals wurde mir bewusst, welche Leidenschaft mich mit dem Schwimmsport verbindet. Ich wollte in Zukunft unbedingt in diesem Bereich tätig sein.»

Vom Schwimmer zum Trainer

Als Schwimmer kam Widmer jedoch nie weiter als bis zur EM-Qualifikation, und so hängte er im Alter von 26 Jahren seine Schwimmkarriere an den Nagel. Trotzdem gab er seinen Berufswunsch nie auf: Er begann mit einer Ausbildung als Turn- und Sportlehrer. Nach dem Studium erhielt er zudem seinen ersten Job als Schwimmtrainer beim SC Uster. «Mit meinem Job als Trainer habe ich meine Berufung gefunden», resümiert Widmer. Ihm sei damals klar geworden, dass er in Zukunft Schwimmer auf internationalem Niveau trainieren wolle. «Mir war aber auch bewusst, dass die Schweiz ein hartes Pflaster für den Hochleistungssport ist und somit die Verwirklichung meines Berufswunsches eher schwierig sein würde», führt er weiter aus. Stephan Widmer hatte somit ein klares Ziel vor Augen, aber noch keine Ahnung, wie er es erreichen konnte. Dann griff ihm jedoch das Schicksal unter die Arme.

Die Reise ans Ziel

Nach dem Abschluss seiner Ausbildung zum Turn- und Sportlehrer war Stephan Widmer für drei Jahre als Cheftrainer beim SC Uster angestellt. Während dieser Zeit formte er seine Mannschaft zum stärksten Schimmteam der Schweiz.
Nachdem er sein Team zu den Olympischen Spielen in Atlanta begleitete, packte Widmer 1996 seine Sachen und begab sich auf Weltreise. «Es war schon immer mein Wunsch, die Welt zu bereisen. Mit dem Geld, das ich als Schwimmtrainer verdient hatte, konnte ich mir diesen Traum erfüllen», berichtet er. So bereiste der Buchser die Welt. Mit im Gepäck war stets auch seine Leidenschaft für den Schwimmsport. So standen auf seinem Reiseplan vor allem grosse Schwimmnationen wie Grossbritannien, die USA und auch Australien. Eines seiner Reiseziele war die Stadt Brisbane im Nordosten Australiens. Dort angekommen, war dem Schweizer nicht bewusst, dass das Schicksal beschlossen hatte, von nun an die Zügel in der Hand zu halten. Denn als Stephan Widmer noch Trainer in Uster war, gab ihm eine damalige Schwimmschülerin die Visitenkarte eines australischen Schwimmtrainers, den sie während eines Sprachaufenthalts kennengelernt hatte. Diese kramte der Schweizer hervor mit der Absicht, besagten Trainer aufzusuchen.

Zur richtigen Zeit

Stephan Widmer stand also in Bris bane, hatte diese Visitenkarte in der Hand und beschloss, sich auf die Suche nach dem australischen Schwimmtrainer zu machen. Scott Volkers war dessen Name und es stellte sich heraus, dass er Cheftrainer der Queensland Academy of Sport war. Eine Institution, die Hochleistungssportler hervorbringt und aus diesem Grund nur die besten Trainer ihres Fach engagiert. Volkers und Widmer verstanden sich auf Anhieb. «Wir führten gute Gespräche und haben uns über den Schwimmsport ausgetauscht», berichtet Widmer von diesem Treffen. Als zu jener Zeit auch noch der Volkers’Assistenztrainer ausfiel, war das Glück perfekt: Stephan Widmer wurde gebeten, für diesen einzspringen.
Vier Monate lang durfte der Buchser an der Seite von Volkers Spitzensportler trainieren, bevor er wieder in die Schweiz zurückreisen musste. Kaum in der Eidgenossenschaft angekommen, wurde Stephan Widmer darüber informiert, dass die Queensland Academy of Sports eine neue Assistenztrainerstelle geschaffen hatte. Neben 27 anderen Mitstreitern bewarb sich Widmer für die Stelle und bekam diese prompt. Nun hiess es für den Buchser, wieder seine Sachen zu packen und in Brisbane Fuss zu fassen. «Ich habe mich riesig gefreut, aber es war für mich auch schwer, die Schweiz zu verlassen. Ich verlor quasi meine Heimat und meinen Hafen», berichtet der 45-Jährige.

Eine grosse Verantwortung

Drei Jahre lang war Stephan Widmer Assistenztrainer, als Scott Volkers beschloss, seinen Cheftrainerposten an den Nagel zu hängen. Widmer wurde gebeten, dessen Stelle zu übernehmen, was er dankend annahm. «Meine Reise begann. Ich war Regierungsangstellter mit dem Auftrag, Schwimmer zu trainieren und diese international erfolgreich zu machen. Das Ziel war vorgegeben: Meine Schwimmer sollten Medaillen nach Hause bringen», resümiert der Buchser.
Eine grosse Verantwortung, der der Schweizer gerecht wurde: Mittlerweile haben seine Schwimmer 20 Einzelweltrekorde, 15 WM-Goldmedaillen und fünf olympische Goldmedaillen gewonnen. Seine Schützlinge sind die höchstrangierten aus tralischen Schwimmer in der Weltrangliste und bereits vier Mal wurde der sympathische Buchser in Australien zum Trainer des Jahres gewählt. Zudem erhielt er im Jahr 2010 von der australischen Regierung «The order of the Australian Medal». Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. (sb)

Steckbrief
Name: Stephan Widmer
Wohnort: Brisbane (Australien)
Alter: 45
Beruf: Hochleistungsschwimmtrainer
Hobbys: Surfen und Faulenzen (für Letzteres fehlt aber leider oft die Zeit)
Leibspeise: Thai-Essen
Getränk: Ein Glas eines guten australischen Weines
TV-Vorliebe: «Einer flog über das Kuckucksnest»
Musik: U2
Lektüre: Bücher von Malcom Gladwell und ansonsten Hörbücher während einer Autofahrt
Stadt/Land? Strand
Sommer/Winter? Sommer
Ort: Byron Bay (Australien)
Stärke: «Ich glaube an mich.»
Schwäche: «Ich habe nicht nur mir, sondern auch andern gegenüber eine hohe Erwartungshaltung.»
Lebensmotto: «Believe in your dreams – believe in yourself»

 

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