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Die Politiker müssen diese Probleme endlich lösen.

Andrea Matt, Geschäftsführerin der Liechtensteinischen Gesellschaft für Umweltschutz, und der St. Galler Kantonsrat Oskar Gächter (SVP) fanden im Streitgespräch durchaus gemeinsame Lösungsansätze zu den Verkehrsproblemen der Region.

Frau Matt, Herr Gächter, die Verkehrsprobleme in der Region sind politische Dauerbrenner. Wie definieren Sie persönlich die Problematik?

Andrea Matt: Liechtenstein ist ein grosser Arbeitgeber für die Region. Das führt zu viel Verkehr. Deshalb ist die Frage, wie Beruftstäitge zu ihren Arbeitsplätzen gelangen, so zentral. Hier bestehen die grössten Probleme.

Oskar Gächter: Das Liechtensteiner und Rheintaler Verkehrsproblem ist grenzüberschreitend und somit nicht örtlich isoliert zu betrachten. Berufsverkehr, der hausgemachte Binnenverkehr und der Tourismusverkehr sind unter einen Hut zu bringen, um auch der Wirtschaft gerecht zu werden. Dabei muss man den Strassenverkehr und den öffentlichen Verkehr gleichermassen fördern.

Wie ist die Ausgangslage aktuell bezüglich der öffentlichen und privaten Verkehrswege?

Andrea Matt: Studien belegen, dass die Erreichbarkeit der Region auf der Strasse sehr gut ist, beim öffentlichen Verkehrsnetz jedoch Nachholbedarf besteht. Deshalb ist die S-Bahn FL.A.CH so wichtig. Wenn dann noch Unternehmen wie die Hilti das Bahnfahren mit betrieblichem Mobilitätsmanagement fördern, könnte etwa ein Drittel der Berufstätigen aus Vorarlberg umsteigen. Das entlastet die Strassen spürbar. Einen Stadttunnel Feldkirch – früher Letzetunnel – braucht es dann nicht mehr.

Oskar Gächter: Der Berufsverkehr ist sicher ein wichtiger Teil auf unseren Verkehrswegen. Aktuell benutzen aber viele vom Arlberg herkommende Autos und Lkw den Umweg über Diepoldsau, um in Richtung Sargans zu fahren – ein ökologischer Unsinn! Deshalb brauchen wir dringend eine Verbindung der beiden Rheintalautobahnen zwischen Vorarlberg und der Schweiz. Dass die S-Bahn so attraktiv wird und viele Autofahrer umsteigen, halte ich für unrealistisch. Ich schätze das Potenzial – ausgehend von den Studien in St. Gallen – auf 11 Prozent. Aktuell nutzen in St. Gallen 7,4 Prozent der Verkehrsteilnehmer den öffentlichen Verkehr. Viel mehr liegt einfach nicht drin.

Welche Rolle spielen bei Ihnen die gesundheitlichen Belastungen durch den Strassenverkehr?

Andrea Matt: Bei jeder Autofahrt werden Schadstoffe ausgestossen, die vor allem Kinder und ältere Menschen krank machen. Die Luftbelastung ist in Feldkirch so hoch, dass die Stadt zum Sanierungsgebiet erklärt wurde. In Eschen wurden 2009 an der Essanestrasse gleich hohe Belastungen gemessen. Das zeigt, dass wir uns für weniger Autoverkehr einsetzen müssen, damit weniger Kinder chronisch husten und weniger Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden.

Oskar Gächter: Ich bin in dieser Region aufgewachsen. Ich habe viel Herzblut für die Natur und Umwelt meiner Heimat, sei es als Biker oder als Berggänger. Im Vergleich zu den Grossstädten leben wir hier in gesunder Luft. Wenn man der Argumentation von Frau Matt folgte, müsste ich schon lange schwer krank sein.

Andrea Matt: Fakt ist aber, dass bei einer schlechten Luft wie bei uns deutlich mehr Kinder krank sind als bei einer guten wie in Davos und dass die Luft bei uns – also zum Beispiel in Eschen oder Schaan – in etwa gleich schlecht ist wie jene an der Stampfenbachstrasse in Zürich.

Oskar Gächter: Das bezweifle ich. Aber gerade deshalb halte ich es für verantwortungslos, dass der Strassenverkehr dort fliesst, wo er Umwege in Kauf nehmen muss. Die ökologisch sinnvollste und kürzeste Variante wäre der Bau eines Tunnels unter Frastanz und dem Schellenberg, um so die beiden Autobahnen direkt miteinander zu verbinden.

Frau Matt, wäre ein solcher Tunnel für Sie akzeptabel?

Andrea Matt: Keinesfalls! Erstens würde ein solcher Tunnel Millionen Franken kosten, zweitens stossen Autos auch in einem Tunnel Luftschadstoffe aus – auch wenn man den Verkehr nicht sieht. Es muss das Ziel sein, die Belastungen durch Transit- und Pendlerverkehr herunterzufahren. Man sollte bezüglich einer Autobahnverbindung Varianten prüfen. Die Politik müsste sich an einen Tisch setzen und gemeinsam die Lösung suchen, bei der Bevölkerung und Umwelt so wenig wie möglich geschädigt werden. Nationalitätsgedanken sind dabei fehl am Platz.

Oskar Gächter: Ich gebe Frau Matt insofern recht, dass die drei Länder gemeinsam und partnerschaftlich Lösungen suchen sollten. Nun verhindert aber Liechtenstein seit Jahren eine grenzüberschreitende Verkehrsverbindung. Gefragt wäre primär Verständnis für den Nachbarn und weniger Rosinenpicken.

Andrea Matt: Da muss ich mal was klarstellen: Von den Arbeitsplätzen in Liechtenstein profitieren alle in der Region. Und wie gesagt: Die Tunnellösung würde zwar dazu führen, dass man den Verkehr nicht sieht, die Schadstoffbelastung würde aber dennoch zunehmen. Aber was Herr Gächter nicht sieht, ist wohl in seinen Augen auch kein Problem. Durch ein Luft-Sanierungsgebiet wie Feldkirch oder das Unterland darf man doch keine Transitstrecke führen, auf der die Belastung dann weiter steigt. In diesem Gebiet leben mehr als 30 000 Menschen. Eine Autobahnverbindung in diesem Gebiet kann unmöglich eine ökologische Lösung sein.   

Was braucht es denn nun effektiv, um den Problemen Herr zu werden? Mehr Strassen, mehr öffentlicher Verkehr? Wo ist die Lösung?

Andrea Matt: Viele, so auch Herr Gächter, argumentieren mit einer althergebrachten Denkweise: Sie lösen ein Strassenproblem mit mehr Strassen. Das funktioniert aber nicht, denn mehr Strassen produzieren auch mehr Verkehr. Beispielsweise hatte die Bärenkreuzung in Feldkirch nach Eröffnung des Ambergtunnels nur fünf Jahre lang weniger Verkehr. Danach war wieder alles beim Alten. Was wir brauchen, ist eine Veränderung. Wenn alle Berufstätigen nur einen Tag in der Woche mit Bus, Bahn oder Rad zur Arbeit fahren statt mit dem Auto, ist das Problem auf den Strassen auch gelöst und es braucht keine zusätzlichen.

Oskar Gächter: Frau Matt denkt primär an den Berufsverkehr. Das Rheintal und angrenzend Liechtenstein liegen an der internationalen Nord-/Südachse. Dieser Verkehr kann nicht auf die S-Bahn umsteigen. Deshalb werden auch optimale Strassenverbindungen benötigt.

Andrea Matt: Herr Gächter, man kann nicht im Auto und in der S-Bahn gleichzeitig sitzen. Sie verkennen hier Tatsachen. Beim Umstieg auf den öffentlichen Verkehr werden die Strassen so entlastet, dass es keine neuen braucht. Das ist Fakt und mehrfach durch Studien belegt.

Oskar Gächter: Hier sehen wir einen Unterschied: Sie argumentieren mit Zukunftsstudien. Ich orientiere mich an der Realität und den Zahlen von jetzt. Die Menschen haben immer noch eine steigende Lebenserwartung, und die Autoindustrie hat dazu beigetragen, dass die Autos sauberere Abgase produzieren als früher.

Andrea Matt: Dafür werden die Autos immer schwerer und grösser und stossen deshalb trotzdem noch gleich viele Schadstoffe aus. Dieses Argument kann man nicht zählen. Man spricht hier vom «Rebound-Effekt».

Herr Gächter, gibt es Ihrer Ansicht nach auch Alternativen zu einem Tunnel durch Liechtenstein?

Oskar Gächter: Der Tunnel wäre meine favorisierte Variante, aber Liechtensteins Politik hat Mühe damit. Es gilt auch andere Varianten zu prüfen. Auch das neu initiierte Projekt «Netzstrategie» mit einer Verbindung in Mäder/Kriessern könnte eine Lösung sein, welche Liechtenstein entgegenkommt. Es ist zu hoffen, dass die verantwortlichen Planer aus der Schweiz und Vorarlberg auch die Liechtensteiner Regierung ins Boot holen.

Andrea Matt: Einer Lösung mit einer Verbindung dort, wo der Abstand zwischen den Autobahnen klein ist, könnte sogar ich etwas abgewinnen. Immerhin wären dort nicht so viele Menschen betroffen wie beispielsweise in Feldkirch und im Liechtensteiner Unterland.

Und im Nahverkehr ist für Sie die S-Bahn die Lösung?

Andrea Matt: Ja. Ich bin für gleich lange Spiesse zwischen Auto- und öffentlichem Verkehr. Denn die Menschen werden erst umsteigen, wenn sie schnelle Bus- und Bahnverbindungen bekommen.

Oskar Gächter: Ja, die S-Bahn ist eine gute Sache, da spreche ich mich auch dafür aus. Man könnte sogar weitergehen und eine Ringbahn in der ganzen Region Rheintal etablieren. Aber in naher Zukunft kann es nur darum gehen, den Anschluss zwischen Feldkirch und Buchs zu optimieren. Alles andere ist Zukunftsmusik. Nur darf Frau Matt, wie schon erwähnt, das Potenzial der S-Bahn in einer nach wie vor eher ländlichen Region nicht überschätzen. In Bezug auf die Schiene hat die Schweiz schon schlechte Erfahrungen gemacht mit der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene oder mit der Neuen Alpentransversale (NEAT), die viel mehr kostet, als sie voraussichtlich wert ist.

Frau Matt, sind Sie, was den öffentlichen Verkehr angeht, zu optimistisch?

Andrea Matt: Ich bin sicher optimistisch. Denn wir können es selbst in die Hand nehmen, wie wir unsere Zukunft gestalten. Man macht es sich zu einfach, wenn man die Umstände einfach als gegeben hinnimmt und nichts daran ändern möchte. Und wenn wir möchten, dass sich die Belastungen verringern, dann müssen wir dahingehend handeln – und können das auch tun. (mw)


Persönlich
Andrea Matt, Jahrgang 1961, ist Geschäftsführerin der Liechtensteinischen Gesellschaft für Umweltschutz. Von 2005 bis 2009 war sie für die Freie Liste Abgeordnete im liechtensteinischen Landtag. Bei den Gemeindewahlen 2003 und 2011 war sie Vorsteherkandidatin in Mauren. Ihre zentrale Motivation, politisch aktiv zu werden, war ihr Engagement gegen den Bau des Letzetunnels. Als Abgeordnete gehörte sie ab 2005 als Mitglied der Geschäftsprüfungskommission der EWR-Kommission und der Parlamentarier-Kommission Bodensee an. Infos: www.lgu.li

Persönlich
Oskar Gächter, Jahrgang 1954, ist Kantonsrat der SVP St. Gallen. In seiner Freizeit treibt er oft Berg- und Skitourensport; Gächter ist fussballinteressiert und mag die volkstümliche Musik. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung der SVP Rheintal, Mitglied Kommission für Aussenbeziehungen im Kantonsrat, Mitglied Fachkommission Bildung im Kantonsrat und Gründungspräsident der SVP Au-Heerbrugg. Beruflich war er über drei Jahrzehnte bei der Grenzwacht engagiert und ist Grenzwachtoffizier im Vorruhestand. Infos: www.gaechter.info

 

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