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Die Geschichte einer Depression

Die schwere Krankheit ihrer pflegebedürftigen Grossmutter trieb Claudia Hasler an den Rand einer Depression. Die 39-jährige Liechtensteinerin erzählt ihre bewegende Geschichte und wie sie den Weg zurück ins Leben meisterte.

Claudia Hasler* führte lange Zeit ein Bilderbuchleben: Als junge Erwachsene schloss sie ihre Ausbildung ab, heiratete kurz darauf ihre Jugendliebe und brachte zwei Jahre später ihre Tochter zur Welt. Nach einer zweijährigen Babypause ergab sich für die Kleinkinderzieherin die Chance,  wieder in ihrem Beruf Fuss zu fassen. Sie wagte den Wiedereinstieg, und während sie morgens arbeiten ging, kümmerte sich Grossmutter Hasler liebevoll um die kleine Tochter Mia. «Ich war so glücklich, denn so hatte ich mir mein Leben immer gewünscht», erzählt Claudia Hasler. Doch leider sollte dieses Glück nicht lange anhalten.

Das Glück zerbricht

Es war ein harter Schicksalschlag, der Claudia Hasler unerwartet aus der Bahn warf: Ihre Grossmutter erlitt einen Aorta-Riss. Die darauf folgende Operation überlebte die damals rüstige 80-Jährige zwar, doch der schwere Eingriff hinterliess Spuren: Das Kurzzeitgedächtnis hatte Schaden genommen und in den darauffolgenden Jahren verschlechtere sich der Gesundheitszustand zusehends: Zuerst vergass sie bestimmte Wörter, danach entfielen ihr Namen, und zuletzt war sie völlig desorientiert. «Zu sehen, wie sie langsam von dieser Welt Abschied nahm, tat mir im Herzen weh», erzählt Claudia Hasler mit belegter Stimme. Die Kleinkinderzieherin beschloss, ihre Arbeit aufzugeben, um sich ganztags um ihre pflegebedürftige Oma zu kümmern. «Als damals meine Mutter starb, hat mich meine Oma bei sich aufgenommen und mich grossgezogen. Sie hat mir viel gegeben und ich war ihr etwas schuldig», erklärt die heute 39-Jährige diese Entscheidung.

Der Zusammenbruch

Nach mehreren Jahren intensiver Pflege verstarb Grossmutter Hasler im Kreise ihrer Familie. Auf einmal fiel die ganze Verantwortung von Claudia Hasler, doch anstatt Erleichterung verspürte sie lediglich eine innere Leere: «Ich empfand keine Freude mehr und fühlte mich innerlich wie tot.» Ihre Gefühle wollte sie jedoch niemandem mitteilen, weil sie sich schämte und keine Schwäche zeigen wollte. Doch mit der Zeit begann die Fassade zu bröckeln: Tagelang weinte sie, verliess kaum noch das Haus und vernachlässigte ihre Beziehungen. «Es war eine einzige Abwärtsspirale: Ich fühlte mich immer hoffnungsloser und es ging sogar so weit, dass ich nicht mehr leben wollte», erzählt sie.

Etwas musste getan werden

Nach einer gewissen Zeit konnte Claudias Mann nicht mehr mitansehen, wie sich seine Frau quälte: «Ich war mit der Situation überfordert und bewegte sie, zum Arzt zu gehen», erzählt Peter Hasler. So suchte das Ehepaar einen Facharzt auf, der die  Diagnose Erschöpfungsdepression und Burnout stellte. «In diesem Zustand konnte ich weder eine Partnerin noch eine gute Mutter sein. Es musste etwas getan werden», erklärt sie. Zusammen mit dem Arzt kam das Ehepaar Hasler zum Schluss, dass lediglich eine stationäre Therapie helfen konnte. Doch für die liebende Mutter war es unvorstellbar, irgendwo im Ausland in einer Klinik zu sitzen, während ihre Familie in Liechtenstein blieb. Als Alternative kam die Therapeutische Wohngemeinschaft in Mauren (TWG) zur Sprache.

Ein Ort der Kraft

Eigentlich habe sie sich die TWG ganz anders vorgestellt – vielmehr wie eine der Kliniken, die man aus dem Fernsehen kannte. «Doch ich habe mich geirrt. Die Betreuer sind warmherzig, die Bewohner sind herzensgute Menschen und die Atmossphäre ist sehr familiär», berichtet Claudia Hasler. In diesem wohltuenden Umfeld konnte die angeschlagene Mutter ihre Probleme in Angriff nehmen. Das Haus im Guler wurde für die damals 36-Jährige zu einem Zufluchtsort, und allmählich fand sie zu ihrem alten Leben zurück. «Die TWG wurde zu einem Ort, an dem ich Kraft tanken und an mir arbeiten konnte», erzählt Claudia Hasler. Trotz vereinzelter Krisen ging es der Mutter und Hausfrau fortlaufend besser, und das war auch für ihre Familie spürbar. «Meine Tochter und ich waren oft zu Besuch und es war für mich eine Erleichterung, zu sehen, dass es ihr mit jedem Mal wieder besser ging», erzählt ihr Mann.
Nach ihrem sechsmonatigen Aufenthalt fühlte sich Claudia Hasler stark genug, sich wieder ihrem Alltag zu stellen. «Ich wusste, dass ich im Notfall wieder die Hilfe der TWG in Anspruch nehmen konnte, und das gab mir die nötige Sicherheit.» Heute wohnt sie wieder bei ihrer Familie und kann wieder ihrem Beruf nachgehen. Die Therapeutische Wohngemeinschaft in Mauren wird sie in positiver Erinnerung behalten: «Ich bin der TWG sehr dankbar und wüsste nicht, wo ich heute ohne sie stehen würde». (sb)

*Name der Redaktion bekannt

Artikel: http://www.vaterland.li/importe/archiv/liewo/die-geschichte-einer-depression-art-80695

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