Der junge Bauer mit dem Schuhtick
Von Heidi Lombardo
Die Macher von «Bauer, ledig, sucht ...» hätten sich um diesen Kandidaten gerissen: Bernhard Schnyder aus Stein (Toggenburg) ist 27 Jahre jung, gut aussehend und selbstständig – aber eben bereits verheiratet mit der nicht weniger attraktiven Tanja aus Feldkirch. Die schlanke 26-Jährige mit den schönen grossen Augen hat die Disco gegen den Bauernhof eingetauscht und führt mit Bernhard nebenbei auch noch die Schuhmacherei in Grabs. Die junge Frau, die früher jeden Abend ausgegangen ist, mistet heute Kuhställe aus, hilft beim Heuen und ersetzt Leder, Ösen und Schuhbändel von Wanderschuhen. Bernhard Schnyder gesteht: «Meine grösste Sorge war, wie ich ihr beibringe, dass ich auf einem Bauernhof lebe.» Bernhard und Tanja haben sich vor etwa neun Jahren zum ersten Mal in einer Disco in Vorarlberg getroffen. «Bernhard war immer gut gekleidet. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass er als Bauer tätig ist», erzählt Tanja. Bernhard erinnert sich mit einem Lächeln, dass seine Schwestern ihm immer geraten haben, seine Hände, denen man die harte Arbeit auf dem Bauernhof ansah, in den Hosentaschen zu verstecken. Tanja gefiel dem jungen Bauer vom ersten Augenblick an sehr gut. Da er aber zu schüchtern war, sie anzusprechen, verloren sie sich wieder aus den Augen. Vor vier Jahren trafen sie sich schliesslich per Zufall im «Enjoy» – ebenfalls in Vorarlberg – wieder und kamen durch einen Kollegen von Tanja ins Gespräch.
Zum Bauer geboren
«Seit Juni 2007 sind wir ein Paar», sagt Bernhard und nimmt die Hand seiner Frau, «ich bin wirklich sehr froh, dass sie überall so tatkräftig mithilft.» Für Tanja ist das selbstverständlich: «Das ist die einzige Möglichkeit, mit ihm zusammenzusein.» Sie weiss ganz genau, dass Bernhard sich eine andere Frau hätte suchen müssen, wenn sie nicht mit dem Leben auf dem Bauernhof einverstanden gewesen wäre. «Ich wurde zum Bauer geboren», erwähnt ihr Mann mit einem Achselzucken. Er ist sichtlich froh, dass sie ihn nicht vor die Wahl gestellt hat. «Ich habe die Arbeit auf dem Bauernhof immer schon gern gemacht und liebe Natur und Tiere.»
Bernhard Schnyder ist mit einem Bruder und zwei Schwestern auf einem Bauernhof in Stein aufgewachsen. Es war selbstverständlich, dass alle auf dem Hof mithalfen. Er war jedoch der Einzige, der wirklich Spass daran hatte, die Kühe zu füttern, die Ställe auszumisten und im Winter zu holzen. Bernhard Schnyder absolvierte nach der Schulzeit die Lehre als Schreiner und arbeitete anschliessend als Chauffeur bei einer Käserei in Unterwasser. Nebenbei besuchte er die Landwirtschaftsschule in Salez und übernahm im Januar 2010 mit Tanja den Hof Brazzenmoos seiner Eltern. Ausserdem arbeitete er wieder als Schreiner. «Heute kann man nicht mehr vom Bauern allein leben», erklärt der 27-Jährige.
2010 – ein turbulentes Jahr
Nach der Übernahme des Bauernhofs überschlugen sich die Ereignisse. Das Paar hatte 2010 nicht nur seine Hochzeit geplant, sondern es stiess per Zufall auch noch auf eine neue Herausforderung: Bernhard entdeckte in der Zeitung ein Inserat von Hanwag, einem deutschem Hersteller von Wander- und Bergschuhen. Der Importeur von Berg- und Trekkingschuhen suchte einen Flicker und Verkäufer, da der einzige in der Schweiz – Robert Schafferer in Grabs – in Pension ging.
Bernhard Schnyder meldete sich auf dieses Inserat und sah in der speziellen Schuhmacherei vorbei. Er erklärt: «Erstens wollte ich etwas Neues machen und zweitens war die Arbeitsstelle nur 70 Prozent.» Die Schuhmacherei war nur morgens geöffnet, die Reparaturarbeiten teilte sich Schafferer selbst ein. Da Bernhard bei verschiedenen Arbeiten auf seinem Hof, zum Beispiel beim Heuen, auf das Wetter angewiesen ist, kam ihm die flexible Arbeitsstelle gerade recht.
Schuhmacherei übernommen
Die Schnupperlehre in der Schuhmacherei gefiel Bernhard Schnyder sehr gut. Er – der am liebsten barfuss geht – war fasziniert von den vielen verschiedenen Schuhen. «Es gibt sogar extra einen Schuh fürs Cabriofahren», erzählt Bernhard Schnyder immer noch sichtlich erstaunt. Mit einem Grinsen im Gesicht verrät er, dass er sich teilweise nicht einmal getraut habe, zu fragen, um was für ein Schuhwerk es sich handle.
Der 27-Jährige lernte das Schuhmacherhandwerk von Robert Schafferer, wie dieser einst von seinem Vorgänger Schoch, der den Beruf des Schuhmachers erlernt hatte. Abgesehen davon, dass das Schuhmacherhandwerk vom Aussterben bedroht ist, hätte der junge Bauer von seinem Lehrlingslohn nicht leben können. Für den handwerklich begabten Mann war es aber kein Problem, bei der Arbeit zu lernen, sodass ihm Robert Schafferer seine Schuhmacherei an der Staatsstrasse in Grabs bereits nach drei Monaten überliess. Bei Fragen konnte sich Bernhard Schyder aber jederzeit bei seinem Vorgänger melden. Schafferer wohnt noch immer im oberen Stock der Schuhmacherei und sieht ab und zu bei dem jungen Ehepaar vorbei.
Umgang mit Kunden gelernt
Bernhard Schnyder hatte von Anfang an grosse Freude an der Schuhmacherei. Ein Grund dafür war unter anderem, dass er auch bei diesem Betrieb auf die volle Unterstützung seiner Frau zählen kann. Sie kümmert sich nicht nur um die Buchhaltung, sondern flickt auch Schuhe und hilft ihm beim Bedienen der Kundschaft. Ihr Mann gesteht: «Der Umgang mit den Kunden bereitete mir anfänglich ein wenig Schwierigkeiten.» Als gelernte Kauffrau ist sich Tanja den Kundenkontakt eher gewohnt als der Schreiner und Bauer. Die beiden ergänzen sich in der Schuhmacherei genau wie auf ihrem Hof prima. Mittlerweile ist die Kundenbetreuung aber auch für den schüchternen Schuhmacher kein Problem mehr. Bernhard freut sich heute, wenn seine Kunden ab und zu – auch ohne Auftrag – bei ihm vorbeischauen, wenn sie gerade in der Nähe sind: «Das zeigt, dass sie nicht nur unsere Arbeit schätzen, sondern meine Frau und mich auch persönlich mögen.»
Unterstützung der Eltern
Zurzeit arbeiten Bernhard und Tanja Schnyder am Morgen in der Schuhmacherei in Grabs und am Nachmittag auf ihrem Bauernhof in Stein. Sie betreiben Milchwirtschaft und Aufzucht. Jetzt, wo die Kühe auf der Alp sind, wird vor allem geheut. Auch die Buchhaltung muss geführt werden. «Obwohl wir wussten, dass die Arbeit auf dem Hof streng wird, haben wir sie unterschätzt», ist sich das Ehepaar einig.
Wenn die beiden am Morgen mit den Aufträgen nicht fertig werden, müssen sie nach getaner Arbeit auf dem Hof noch einmal in die Schuhmacherei oder am nächsten Morgen früher aufstehen. «Ohne die Hilfe meiner Eltern wäre das nicht möglich», ist sich Bernhard bewusst. Seine Eltern kümmern sich jeweils um den Stall. Trotz des riesigen Aufwands, den sie für die beiden Geschäfte betreiben, haben Schnyders weitere Pläne: «Wir hätten zum Beispiel auch gerne Pferde auf dem Hof», beginnt Bernhard zu erzählen. Da fällt ihm Tanja mit einem Lächeln ins Wort: «Zuerst holen wir aber unsere Flitterwochen nach.»
Steckbrief
Name: Bernhard Schnyder
Wohnort: Stein (Toggenburg)
Alter: 27
Zivilstand: verheiratet mit Tanja
Beruf: Bauer und Schuhmacher
Hobbys: Biken
Leibspeise: Alles, was nicht schwimmt oder fliegt
Getränk: Wasser
TV-Vorliebe: «Two and a half men», «King of Queens»
Musik: querbeet
Lektüre: «Law of attraction»
Stadt/Land? Land
Sommer/Winter? Sommer
Ort: zu Hause
Stärke: «Ich bin gutmütig, ...»
Schwäche: « ... kann aber nur schwer Nein sagen.»
Kontakt: schuhserviceschnyder@bluewin.ch