Das ewig Weibliche in Werdenberg
Mit der heutigen Eröffnung des Schlangenhauses startet das Schloss Werdenberg in die neue Saison mit dem Motto «Das ewig Weibliche». Die «Liewo» sprach mit Kurt Scheidegger und Hannes Albertin.
Die aktuelle Saison leiht sich ihr Motto «Das ewig Weibliche» aus Faust II. Nun sind Sie beide unbestreitbar Herren ? Gretchenfrage: Wie haben Sies mit der Weiblichkeit?
Kurt Scheidegger: Oh, wenn wir da zu philosophieren anfangen, würde das den Rahmen dieses Interviews sprengen (lacht). Aber im Ernst: Für die Themenplanung zeichnet unsere künstlerische Leitung Mirella Weingarten verantwortlich und bestimmt auch die korrespondierende Farbe ? in diesem Jahr Maigrün, weshalb wir auch diese grünen T-Shirts tragen. Unsere Aufgabe als Kulturvermittler ist es dann, das Motto umzusetzen, Besucher anzulocken und sie zum Nachdenken anzuregen.
Hannes Albertin: Letztes Jahr hatten wir mit «Aug um Aug» ein männlich dominiertes Thema, das wechselt jährlich.
Kurt Scheidegger: Ausserdem glaube ich, dass in jedem Männlichen auch etwas Weibliches verborgen ist und natürlich auch umgekehrt.
Getreu des Mottos wird die Frau in den Mittelpunkt gerückt. Wie geht das vonstatten?
Hannes Albertin: Wir vom Forum Werdenberg gehen erstmals in die Gemeinden und nehmen uns innerhalb der Reihe «Schloss unterwegs» dortiger starker Frauengestalten aus der jeweiligen Gemeindehistorie an. Das passiert auf ganz unterschiedliche Art und Weise und ist in der Umsetzung abhängig vom dort agierenden Künstler.
Kurt Scheidegger: Das Schloss und auch das Städtli wurden über Jahrhunderte von unerhört starken, tatkräftigen Frauenpersönlichkeiten bewohnt, und diese gilt es in den Fokus zu rücken. Und das auf allen drei Schienen: den Museen Schloss und Schlangenhaus, dem Forum Werdenberg und natürlich auch der Schlossmediale.
Wir sitzen hier vor dem Schlangenhaus, das heute mit neuem Konzept wiedereröffnet wird. Was erwartet die Besucher?
Kurt Scheidegger: Die Exponate, die zuvor im Schlangenhaus besichtigt werden konnten, sind dort nach wie vor beheimatet. Bisher war das Schlangenhaus eine Art Regionalmuseum. Wir stellen mit der neuen Ausstellung das Haus und seine Bewohner in den Mittelpunkt. Unser Anliegen in der Kommission war es, dabei möglichst wenig Technik zu verwenden und keine «Hightech-Geschichten» zu erzählen.
Sondern?
Kurt Scheidegger: Wir wollen ein Gefühl dafür vermitteln, wie und was in den Räumen gelebt wurde, wie sich das angefühlt hat etc. Um das plastisch zu machen, haben wir szenische Hörspiele aufgenommen, die die Besucher per Kopfhörer direkt an Ort und Stelle nachvollziehen können. Sie sind damit quasi mitten im Geschehen und tauchen in die Biografie von Haus und Bewohner ein, während sie von Raum zu Raum gehen. Man wandelt dabei von Stock zu Stock durch die Jahrhunderte, angefangen im Keller mit dem Ursprung im 13. Jahrhundert.
Hannes Albertin: Neben den «normalen» Führungen wird es auch themenspezifische, also auf die Frauenpersönlichkeiten bezogene, geben. Zudem kommen nächstes Jahr auch wieder der Mittelaltertag und die Mondnachtführungen hinzu.
Im Programmheft ist von einem «Jahr des Um- und Neubaus» die Rede. Viel ist passiert und vieles anders als zunächst geplant.
Kurt Scheidegger: Sie spielen sicher auf die Baustelle beim Schloss an. Aufgrund von dringend notwendigen Sanierungen kam es zum Umbaustopp. Das hat uns natürlich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es wird somit erst nächstes Jahr zum Museumsensemble dazukommen. Diese Saison öffnen sich die Schlosspforten nur für die Schlossmediale vom 6. bis 15. Juni.
Hannes Albertin: Vor sechs, sieben Jahren war der Punkt erreicht, an dem wir alle gesagt haben, dass etwas passieren muss mit diesem interessanten Areal. Schloss Werdenberg und das Städtli sind gesamthaft gesehen ein einzigartiges, museumswürdiges Ensemble. Mit der Neuausrichtung haben wir unsere Zielsetzung erreicht. Der Anfang ist gemacht, nun muss sich Schloss Werdenberg als Attraktion in der Region etablieren. Wir sind sehr gespannt, wie es sich mit dem neuen Konzept entwickelt.
Wie werden die Angebote von den Besuchern angenommen?
Kurt Scheidegger: Bisher noch sehr unterschiedlich. Die Schlossmediale, die dieses Jahr in die dritte Runde geht, hat international ein unglaublich gutes Renommee. Die Leute kommen von überall her nach Werdenberg. Unsere künstlerische Leitung, Mirella Weingarten, hat da ein sehr geschicktes Händchen und vor allem auch ein gutes Gespür für das Schloss. Resultat war die rund dreissigprozentige Zunahme an Besuchern.
Hannes Albertin: Regional hingegen steht uns noch ein weiter Weg bevor. Besonders auch die Verankerung in der Bevölkerung als interessantes Ausflugsziel in unmittelbarer Nachbarschaft. Durch die unterschiedlichen Angebote haben wir die Möglichkeit, Menschen mit Kunst und Kultur in Verbindung zu bringen, die sonst vielleicht niemals damit in Berührung gekommen wären. Das ist vor allem auch ein Anliegen von und auch Auftrag für das Forum Werdenberg, welches dezidiert Künstler aus der Region fördert.
Kurt Scheidegger: Wichtig ist uns, deutlich zu machen, dass da neben der schönen, mitunter kitschig anmutenden Kulisse noch etwas passiert: Eine Art Nachhall, vielleicht auch Irritation zu erzeugen ? aber genau darin besteht ja auch unsere Aufgabe: Nicht nur schön und dekorativ zu sein, sondern eben auch zum Nachdenken anregend.
Sie haben gerade von Irritation gesprochen. Ist das Schloss mit dem bewohnten Städtli nicht auch ein besonders anspruchsvolles Arbeitsfeld?
Kurt Scheidegger: Es ist beziehungsweise war vor allem zu Beginn schwierig. Ich bin ja sozusagen der Überbringer und Vermittler des «kantonalen Willens». Man darf nicht vergessen, dass im Städtli gelebt wird. Das Areal ist nicht nur Museum, sondern eben auch Wohnraum. Das müssen wir respektieren und das muss den Besuchern auch so kommuniziert werden. Natürlich wird es durch das neue Konzept auch zu grösseren Besucherzahlen kommen, doch durch das neue Infozentrum am Eingang zum Städtli können wir diese viel besser sensibilisieren und auch effektiver «lenken». (kid)
Persönlich
Kurt Scheidegger ist seit 2009 Geschäftsführer des Vereins Schloss Werdenberg.
Hannes Albertin leitet das Forum Werdenberg, das künstlerischer und kultureller Spiegel der Region ist.
Schloss Werdenberg lädt heute, von 10 bis 16 Uhr, zur Saisoneröffnung ins neu inszenierte Museum Schlangenhaus und ins Infozentrum am Eingang zum Städtli ein.
www.schloss-werdenberg.ch