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«Dankbarkeit ist der grösste Lohn»

Ueli Lutziger vom Grabserberg ist ein Aussteiger der besonderen Art: Um den weniger Privilegierten einen günstigen Zugang in die Computerwelt zu ermöglichen, verliess er das Hamsterrad der Konzernindustrie. «Bei dem, was ich jetzt mache, bekomme ich mehr zurück als bloss Geld», sagt der 47-Jährige.

Schon als 16-Jähriger schaffte sich Ueli Lutziger seinen ersten Computer an. Damals begann das PC-Zeitalter und Lutziger war von Anfang an dabei. «Ich schraubte damals an meinem Commodore 64 herum, um ihn aufzurüsten. Seither verfolge ich die Vorgänge in der Computerwelt aufmerksam», erklärt der PC-Tüftler, der sich sämtliche Kenntnisse im Selbststudium aneignete.
Erst seit einem Jahr bietet er sein Know-how professionell an. «Natürlich war ich auch früher schon bei Familienmitgliedern und Freunden zur Stelle, wenn sie PC-Probleme hatten. Die Suche nach den Ursachen hat mich immer fasziniert und ich löse die Probleme gerne», erklärt Lutziger. Dabei sei für ihn eines entscheidend: «Die Dankbarkeit, die man erfährt, ist für mich immer der grösste Lohn.» Diese Einstellung war es dann auch, die ihn in die Selbständigkeit «trieb».

Wenn es nur noch ums Geld geht

Heutzutage können IT-Experten pro Stunde 150 bis 200 Franken verlangen. «Ich will dabei aber nicht reich werden. Ich kalkuliere die Kosten so, dass es für mich zum Leben reicht. Mehr brauche ich nicht.» Er biete seine Dienstleistung auch erst nach einem Vorgespräch mit den Kunden an. «Zum einen will ich wissen, was der Kunde überhaupt braucht, zum anderen möchte ich erfahren, ob ich auch menschlich der richtige Ansprechpartner für ihn bin.» Immerhin handle es sich bei PC-Daten um einen sehr privaten Bereich. «Da muss die Vertrauensbasis stimmen», erklärt Lutziger.
Diese Einstellung kommt nicht von ungefähr, denn in seiner beruflichen Karriere machte er prägende Erfahrungen, die ihn am Wirtschaftssystem zweifeln liessen: Der ständige Drang nach Wachstum und das Profitstreben waren das eine. «Ich erlebte in fünf Jahren als Sicherheitskraft zum Beispiel in Nobel­skiorten oder an Finanzplätzen die Auswüchse: Hier verkehren zum Teil Menschen, die vor lauter Geld nicht wissen, was sie damit anfangen sollen.» Auf der anderen Seite habe er in der Industrie und in seinem persönlichen Umfeld solche kennengelernt, die mit ihrem Lohn die Familie knapp ernähren können. Diesen Missständen möchte er entgegenwirken.

Bei Chefs nicht immer beliebt

Zum entscheidenden Bruch zwischen Ueli Lutziger und dem herrschenden Wirtschaftssystem kam es vor drei Jahren. Bis dahin hatte er 13 Jahre lang als Teamleiter in einem multinationalen Grabser Unternehmen dafür gesorgt, dass seine Abteilung floriert. Anfangs waren es 3 Mitarbeiter, am Ende 17. Beim hergestellten Produkt war die Firma europaweit marktführend und der Umsatz bewegte sich im hohen einstelligen Millionenbereich ? alleine in Lutzigers Abteilung. Sein Credo in der Führung: «Die Mitarbeiter sollen bei der Arbeit auch ihre Freiheiten haben, solange der Output stimmt», erklärt Lutziger. Als Chef war er beliebt und die Mitarbeiter waren motiviert ? der Erfolg gab Lutziger recht. Doch die lockere Arbeitsweise war vielen Entscheidungsträgern ein Dorn im Auge.
Er hatte sich zuvor im Unternehmen für eine Einführung einer Arbeitnehmervertretung starkgemacht und gemeinsam mit der Gewerkschaft dafür gesorgt, dass eine solche zustande kommt. Dass dies in den Unternehmensspitzen nicht zwangsläufig gut ankommt, versteht sich von selbst. «Mit der Zeit wurde alles immer mehr reglementiert. Die Mitarbeiter verloren die Freude an der Arbeit, die besten Mitarbeiter suchten sich neue Arbeitsplätze», bedauert der 47-Jährige noch heute.

Entlassungen als i-Tüpfelchen

2008 wurden 29 Personen entlassen. Als das Unternehmen dann im Jahr 2011 bekannt gab, dass es weitere 24 Mitarbeiter vor die Tür setzt, war für Lutziger Schluss: «Ich war ein Rädchen dieses Systems, das immer mehr Profit auf Kosten der Arbeitenden forderte. Ich wollte morgens und abends wieder in den Spiegel schauen können.»
Dieses System war nicht kompatibel mit Lutzigers Vorstellungen von Freiheit und Menschenverstand. Alleine sein Wohnort ? ein kleines, grösstenteils selbst gebautes Holzhäuschen in der hintersten Ecke vom Grabserberg («Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen», wie Lutziger schmunzelt), lässt schon vermuten, dass hier Entschleunigung gelebt wird. Gerade seine Hobbys zeugen von einem besonderen Verständnis von Entspannung ? auch wenn er dazu des Öfteren «in die Luft geht».

Das Streben nach Freiheit

Seit 31 Jahren ist er Deltasegler und Gleitschirmflieger. Im Deltasegeln war er sogar schon in der Nationalliga aktiv. Doch er nutzt das Fliegen nicht nur im sportlichen Bereich, sondern primär als Ausgleich zum Job. «Schon früher, wenn ich aus der hektischen Fabrik nach Hause kam, schnappte ich mir den Deltasegler und flog einfach los. Da oben ist die Welt in Ordnung, man hat seine Ruhe und kann nachdenken.» Wer noch nie selbst geflogen sei, könne sich nicht vorstellen, was in einem Menschen vorgeht, wenn er auf über 3000 Metern Höhe an einem Schirm hängt. «Ich packe machmal meine Sachen, fahre ins Wallis, fliege los und bin dann sechs Stunden unterwegs, nutze die Thermik und lande in unserer Umgebung ? es ist einfach ein Traum!»
Bereits in den 80er-Jahren, als der Sport noch in den Kinderschuhen steckte, machte er sein Gleitschirm-Brevet. «Damals war der Sport sehr abenteuerlich und man war froh, wenn man heil herunterkam.» Mit der heutigen Technik müsse man schon sehr riskant unterwegs sein, damit es gefährlich werde. Wer sich an die Regeln halte, sei hier auf der sicheren Seite.

Das Angenehme und das Nützliche im Einklang

So verhalte es sich auch auf seinen Motorradtouren. Wenn es die Witterung zulässt, fährt er auch mit dem Töff zu seinen Kunden. Denn nicht jedes Problem lässt sich online lösen. «Neulich staunte ein Kunde, als ich ihm den Fahrtweg ins Engadin nicht verrechnete», erklärt Lutziger. «Doch für mich ist das Motorradfahren ein Genuss. Das hat mit Arbeit nichts zu tun.» Ausserdem habe auf seinem Motorrad ein Computerturm bequem Platz.

Vom Computerturm in den Jägerstand

Doch nicht nur die luftigen Höhen und die Freiheit auf dem Motorrad haben es ihm angetan. Gerade die Tierwelt in allen ihren Facetten fasziniert den Grabser. Seine Wildbeobachtungen, gleich im direkten Umfeld seines Hauses, hält er mit der Kamera fest. Daher verfügt er über zahlreiche Wildtieraufnahmen und hat praktisch alle heimischen Wildtiere schon aus nächster Nähe erlebt. Diese Nähe liess ihn kürzlich den Entschluss fassen, sich zum Jäger auszubilden. Das Ziel dabei: Die Natur besser zu verstehen und das Verhältnis zwischen Mensch und Tier für beide Seiten möglichst positiv zu gestalten. Im Zuge des Studiums stosse man auf zahlreiche interessante Informationen. Eine solche Ausbildung könne er jedem empfehlen. Denn gerade die St. Galler Ausbilder seien sehr fortschrittlich im Umgang mit dem Tierschutz, was ihm sehr entgegenkomme: «Mit meinem Einsatz in der Jägerschaft möchte ich aktiv dabei mithelfen, aktuellen Problemen Herr zu werden.» Gerade die aktuelle Diskussion rund um Bär, Luchs und Wolf verfolgt er aufmerksam. Dabei ist für ihn klar, dass diese drei grossen Räuber zur Biodiversität gehören. «Nur weil sie einmal ausgerottet waren, heisst das nicht, dass sie heute keinen Platz mehr haben. Eine Diskussion über ihre Legitimation ist jedenfalls angebracht.» (mw)

Steckbrief
Name: Ueli Lutziger
Wohnort: Schgun, Grabserberg
Alter: 47
Beruf: Gelernter Schreiner, PC-Supporter und «Mädchen für alles»
Hobbys: Gleitschirm- und Deltafliegen, Jagd, Töfffahren, Foto­grafie
Leibspeise: Wildgerichte
Getränk: Guter Kaffee
TV-Vorliebe: News- und Sportsendungen im SRF
Musik: Rock à la Status Quo
Lektüre: Geschichte, Biografien
Ort: Zwischen Klosters und Davos in 3000 Metern Höhe
Stärke: Empathie
Schwäche: Empathie
Kontakt: www.lutziger-pc.ch

 

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