Unspektakuläres Ende der Ära Maire
Neben der Premiere von Christoph Schaubs Film «Giulias Verschwinden» tummelte sich im Programm allerlei Seltsames. Filme wie «La valle delle ombre» von Mihály Györik der in tessinerischen Mysterien herum stocherte: Ein Killerschwein und eine Kindsräuberin kamen vor, neben anderen Figuren des Horrortheaters; es war ein schrecken- und harmloses Kinderspiel, weder Fisch noch Vogel einfach nicht gut. Oder «Petit Indie», eine spanisch-französische Koproduktion. Die Geschichte reicht für einen zwanzig-minütigen Kurzfilm aus, gezeigt wurde ein 92 Minuten langer Spielfilm, der nicht wirklich durchschaubar war.
Ergreifende Geschichte
So kann man denn den schon erwähnten «Giulias Verschwinden» und Detlev Bucks «Same same but different» als Höhepunkte bezeichnen. Buck erzählt die Geschichte eines Deutschen, Ben, der sich in Kambodscha in eine junge Frau verliebt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland bleiben die beiden in Kontakt. Schon bald meldet sich seine Freundin mit der Hiobs Botschaft, dass sie HIV positiv ist. Nun beginnt ein sehr schwieriger Entscheidungsprozess für Ben. Ist die Liebe stärker als die Vernunft? Eingebettet in zum Teil an Werbeprospekte erinnernde Bilder und harten Beats, erzählt Buck die ergreifende Geschichte eines Paares das allen Widrigkeiten trotzt und heute glücklich in Kambodscha und Deutschland lebt.
Wenig Höhepunkte beim Wettbewerb
Es war ein trübes Jahr der marionettenhaft bevölkerten Kunstrealität, der posierenden und zitierenden Ironie und der Spekulation mit der erhabenen Exotik. Sicherlich soll ein Wettbewerb auch eine Plattform für Filme sein, die im «normalen» Kino einen schweren Stand haben. Ab und zu darf man sich aber auch fragen, ob man den Film, den man gerade gesehen hat auch im Kino anschauen würde. Dieses Jahr war die Anzahl der Film, bei denen man diese Frage mit Nein beantworten müssten, etwas höher als in anderen Jahren. Besonders herausragend waren in dieser Kategorie «La invención de la carne» von Santiago Loza, «A religiosa portuguesa» von Eugène Green oder «The Search» von Pema Tseden. Die Liste liesse sich noch verlängern.
Lange Durststrecken
So gab es lange Durststecken bis man wieder einmal auf ein goutierbares Werk gestossen ist. Beispielsweise Babak Jalalis «Frontier Blues», in dem drei Männer und ein Esel im nordiranischen Grenzland nahe Turkmenistan auf bessere Zeiten warten. Ein Film, welcher der harten Realität den Spiegel vorhält dabei aber nicht auf Witz und Schalk verzichtet. Der Schweizer Wettbewerbsbeitrag «Complices» ist die verhängnisvolle Liebesgeschichte zwischen einem Stricher (Cyril Descours) und einer Heranwachsenden (Nina Meurisse). Formal ein konventioneller Krimi, geht einem die Geschichte der Beiden durchaus nahe. Dies vor allem dank eines starken Ensembles.
Japanische Comics
Manga war das grosse Thema des Festivals 2009. Neben eher kruden Produktionen die in der Manga Night auf der Piazza gezeigt wurden, kann man den Beitrag im Wettbewerb als Höhepunkt bezeichnen, der seinen Weg in die Kinos finden wird. In «Summer Wars» von Mamoru Hosada wird eine Familiengeschichte souverän mit der virtuellen Welt eines Internetspiels kombiniert. Souverän entwickelt Hosada mehrere Erzählebenen, spielt mit dem Gegensatz von Tradition und Moderne, stellt auch durch unterschiedliche Zeichenstile der virtuellen Welt die reale gegenüber. Prägnante Figurenzeichnung mit einem Mix aus Alt und Jung, aber ganz ohne Superhelden vermochte das Publikum mitzureissen und zu begeistern.
Jurys uneinig
Der Goldene Leopard ging schliesslich an die englisch-deutsch-französische Produktion «She, A Chinese» der Schriftstellerin und Regisseurin Xiaolu Guo. Diese Entscheidung steht im Gegensatz zu den Preisvergaben der Parallel-Jury, die ihre Preise an die beiden Filme «Nothing Personal» von Urszula Antoniak und an «Akadimia Platonos» von Filippos Tsitos vergeben haben.
Viel Arbeit für Olivier Père
Der Franzose Olivier Père, der am 1. September sein Amt als neuer künstlerischer Leiter antreten wird, hat nun die verantwortungsvolle Aufgabe zugespielt bekommen, das Profil des Filmfestivals von Locarno wieder zu schärfen. Vor allem im Wettbewerb wartet eine grosse Aufgabe auf ihn. (maw)
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