Papiersilhouetten beginnen zu leben
Vaduz. – Susanne Popp und Pfarrerin Karin Ritter brachten den Vernissagebesuchern die ausgestellten Arbeiten näher und Stefan Frommelt setzte das Visuelle mit seinem Klavierspiel emotional ins Akustische um. An der Vernissage gestern im Treffpunkt der Evangelischen Kirche Vaduz verweilten die Gäste etwas länger als gewöhnlich vor den grossformatigen bis zu 150 x 155 und 100 x 140 Zentimeter grossen Papierschnitten. Um in die tiefgründige Welt der dargestellten Szenen einzutauchen, braucht es Zeit. «Wortlos» heisst der Titel der Ausstellung. Wortlos, sprachlos ist man auch über das Dargestellte der vermeintlich idyllischen Familienszenen, sie berühren einen tief in der Seele. Die in Schwarz-Weiss gehaltenen Papierschnitte zeigen thematisch die ganzen Schattierungen des Lebens auf, welches mehr ist als nur schwarz-weiss; Pol und Antipol, wo Liebe, da Schmerz, wo Freude, da Leid. Beim Bild «Osteressen» sieht man eine Familie um den Tisch zusammensitzen. Alle sind vereint, aber jeder ist mit sich selbst und dem eigenen Essen beschäftigt. Gespräche und Austausch finden kaum statt, die Figuren sind wie erstarrt. Bei «Familiensache» und «Züchtigung» stellt Helena Becker dar, was in der kleinen abgekapselten Familie hinter verschlossenen Türen geschieht, es ist privat, eben Familiensache.
Meisterin der Perspektive
Zu sehen sind auch kleinformatigere Scherenschnitte von Stillleben, dem Rhein und Liechtensteiner Dorfansichten. Letztere sind im Gedichtband «Da lachen ja die Hühner» von Stan Lafleur abgebildet. Das Buch erscheint am 15. März. Mit dem Papierschnitt hat die Künstlerin Helena Becker eine Technik gefunden, die in einem beobachteten Prozess ihrem Verlangen nach Ausdruck und Abgrenzung entgegenkommt. Sie skizziert frei und erst auf dem Papier, während des Schneidens geht sie ins Detail und ordnet Schwarz und Weiss zu. Licht, Helligkeitswerte und Kontraste erarbeitet sie aus der Empfindung heraus. Dabei erstaunt die Dreidimensionalität, die Formenvielfalt des Scherenschnitts und die harten abgrenzenden Schnitte, sie ist eine Meisterin der Perspektive, der Ausgewogenheit von Schwarz und Weiss. Die Silhouetten beginnen zu leben. «Was andere in Worten ausdrücken, setze ich über meine Kunst um, wortlos», sagt Helena Becker. Gerne bietet Helena Becker auf Anfrage auch Führungen mit Bildbetrachtung an. (cb)