­
­
­
­

«Kunst braucht einen guten Repräsentationsplatz»

Kurt Prantl ist seit 30 Jahren massgeblich an der Kultur- und Galeristenszene Liechtensteins beteiligt. Am 1. Januar hat er die Geschäftsleitung der Galerie am Lindenplatz abgegeben. Zeit, auf eine bewegte und bewegende Laufbahn zurückzublicken.

Herr Prantl, Sie waren ursprünglich Hochfrequenztechniker. Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

Kurt Prantl: «Verantwortlich dafür ist meine Frau, die mich bis heute darin begleitet hat. Meine Frau hat mich kennengelernt, als ich als Hochfrequenztechniker auf dem Pfänder bei der Sendestation gearbeitet habe. Die Arbeit war gut bezahlt und nachdem wir geheiratet hatten, gab es auch noch eine Trennungszulage. Irgendwann hat mich meine Frau dann gefragt, ob ich nicht mit ihr im schwieger­elterlichen Betrieb arbeiten möchte. Zu Beginn war das eine schwere Gewissensfrage, weil ich die Technik mochte. Das Gemeinsame stand dann aber doch im Vordergrund. Darum entschied ich mich, bei der Reproduktionsanstalt des Schwiegervaters einzusteigen. Mein Schwiegervater hat mir gesagt, dass wenn ich etwas vom Handwerk verstehe will, eine Lehre machen müsse. Also habe ich als junger Familienvater, frisch verheiratet, eine Lehre gemacht. Das war nur dank meiner Frau möglich. Auf jeden Fall kamen viele Künstler in das Büro meines Schwiegervaters, die gerne einen?Prospekt oder eine Postkarte haben wollten und haben mit Kunstwerken bezahlt. Bald stapelten sich die Bilder dermassen, dass man kaum mehr zum Arbeitstisch kam. Er entschied dann, dass man eine Galerie eröffnen müsse, um diese Bilder zeigen, aber auch verkaufen zu können. Also haben mein Schwiegervater, meine Frau und ich 1964 die erste Galerie in Vorarlberg gegründet, die Neufeldgalerie in Lustenau. Diese hat mit ihrer ersten Ausstellung die damalige Avantgarde gezeigt. Wir haben damals nur ein einziges Bild verkauft. Die?Reproduktionswerkstatt hat lange die Tätigkeiten der Galerie finanziert. Erst als wir auch Fotografien integriert und mit David Hamilton einen Glücksgriff getan hatten, begannen wir Geld damit zu verdienen. Bereits nach kurzer Zeit konnten wir die Fotografien in über 40 Ländern verkaufen. Für uns war das die Möglichkeit, uns mit dem Gedanken zu tragen, eine grosse, repräsentative Galerie zu eröffnen, weil ich gesagt habe, dass gute Kunst auch einen guten Repräsentationsplatz braucht.

Nach fast 30 Jahren beenden Sie Ihre Tätigkeit als Geschäftsführer der Galerie am Lindenplatz. Fällt es Ihnen schwer, nach so langer Zeit diese Arbeit aufzugeben?

Ich bin vor Kurzem 70 geworden. Es ist mir nicht ganz so leicht gefallen, aber es ergeben sich dadurch auch viele Möglichkeiten. Durch die Abgabe des zeitraubenden operativen Bereichs erhalte ich viel Freizeit. Mit dieser sinnvoll umzugehen heisst für mich Reisen, Museen und Kunstmessen zu besuchen und lang ausgesprochene Versprechen einzulösen. Es passiert sehr schnell, dass man sagt: «Ich komme dich besuchen», und dann lässt es die Zeit doch nicht zu. Es ist trotzdem nicht einfach zu sagen: «Das wars und nach mir die Sintflut.» Man begleitet die Nachfolger und hofft, dass sie den bisher erfolgreichen Weg weiterführen. Durch neue Leute kommen auch neue Ideen, und das muss auch so sein. Eine Kunststruktur muss im Wandel sein, sonst wird sie langweilig. Ich denke, Cornelia Wieczorek war eine gute Entscheidung, sodass man mit grossem Optimismus in die Zukunft blicken kann, dass es mit der Galerie ? wenn auch in anderer Form ? vorwärts- und aufwärtsgeht. Auch wenn manchmal gewisse Entscheidungen schwer zu akzeptieren sind. Cornelia Wieczorek übernimmt natürlich auch gewisse Hypotheken von mir. Wenn zum Beispiel ein Museumsdirektor wechselt, hat der Vorgänger Entscheidungen getroffen, die in die Amtszeit des neuen Direktors fallen. Mit diesen Entscheiden muss man leben.

Während einer derart langen Tätigkeit hat sich sicherlich die eine oder andere Freundschaft zu Kunstliebhabern und Künstlern entwickelt. Wen zählen Sie zu Ihrem Freundeskreis?

Es hat natürlich besondere Freundschaften zwischen mir und verschiedenen Künstlern gegeben. Ich denke an die Freundschaften mit Heinz Mack oder Gottfried Honegger, aber auch an die Freundschaften mit Evi Kliemand, Georg Malin oder Bruno Kaufmann. Aber auch Freundschaften mit Sammlern wie Michael Hilti oder Herbert Batliner. Das sind Freundschaften, die doch immerhin fast 30 Jahre halten. So ein Unmensch kann ich also doch nicht gewesen sein. Daneben gibt es natürlich noch viele Sympathisanten, die helfen, wenn man sie braucht. Da gehört zum Beispiel Hans Brunhart dazu.

Wie hat sich die Galeristen- und Galerienszene im Laufe der Jahre verändert?

Noch in den 60er-Jahren war das grosse Interesse bei der Mobilität ? Autos und Mofas ? und bei Teppichen. Der Perserteppich war damals das Symbol für den beginnenden Wohlstand. Es war die Kunst, die man sich gesellschaftlich gerne geleistet hat. Aus dieser Entwicklung haben Albert Haas und ich zusammen mit meiner Frau die Wiener Schule des fantastischen Realismus? für uns als mehrjähriges Ausstellungsprogramm entdeckt. Dadurch ist eine Bewegung entstanden, die wir uns zwar gewünscht haben, aber in dieser Heftigkeit nicht erwartet hatten. Die Bereitschaft, in Kunst zu investieren, musste zuerst entwickelt werden. Diese war in Liechtenstein und der Schweiz früher und stärker ausgebildet als in Vorarlberg. Irgendwann kam dann die Frage, ob man die vertraute Kunst der Fürstlichen Sammlung wollte oder die neue Kunst. Der Expressionismus war noch akzeptiert, aber bei der ers­ten Ausstellung mit Max Bill habe ich gehört: «Das soll Kunst sein? Das kann mein Sohn ja auch.» Da musste ich öfters zu solch begnadeten Kindern gratulieren. Was mich besonders stolz macht, ist, dass in diesen 26 Jahren, während derer ich die Galerie am Lindenplatz geleitet habe, eine grosse Menge an Kunst im öffentlichen?Bereich entstanden ist. Das beginnt in Bendern mit der Skulptur von Karl Prantl, geht nach Schaan mit dem Brunnen von Herbert Meisburger und ist hier in der sogenannten «Kunstmeile» besonders ersichtlich. Fast alle Werke wurden durch mich vermittelt. Diese Veränderung war nur aus zwei Gründen möglich: Zum einen hatte Vaduz mit Karlheinz Ospelt einen Bürgermeister, welcher Kunst sehr mochte. Er hat erkannt, dass Kunst in Fussgängerzonen eine wohltuende Unterbrechung ist, welche auch zum Verweilen einlädt. Zum anderen war dies dank Sponsoren möglich. Das Land Liechtenstein selbst hat ja nie Ankäufe getätigt mit der Argumentation, dass ein auf Kommerz aufgebautes Unternehmen ? wie unsere Galerie ? nicht durch Ankäufe gefördert werden kann. Dass aber eine Galerie einen kulturellen Auftrag erfüllt, indem sie vielen Menschen ohne Eintritt die Möglichkeit gibt, an die Kunst herangeführt zu werden, wird ein wenig übersehen.

Was wünschen Sie sich für die Galerienszene in Liechtenstein für die nächsten Jahre?

Es gab eine Sitzung im Kunstmuseum, einberufen von Regierungsrätin Aurelia Frick, den Standort Liechtenstein durch den Versuch, mehr Galerien anzusiedeln, aufzuwerten. Wettbewerb ist immer etwas Gutes und fördert auch die Vielfalt der Kunst. Man hat sogar darüber nachgedacht, in Liechtenstein ein Zollfreilager einzurichten. Die Folgerechtsbesteuerung hält aber viele Galerien davon ab, hierherzukommen. Es wäre sinnvoll, sich zu überlegen, welche Folgen das Folgerecht für Liechtenstein hat. Im Prinzip haben die Folgerechtsinhaber das Recht, die Verkäufe der letzten zwei Jahre einzusehen, um zu überprüfen, ob das Folgerecht gezahlt wurde. Das ist ein gewaltiges Hemmnis. Das gilt auch für die Galerie selbst. Wenn ein Künstler wissen will, was ihm eine Ausstellung einbringt, kann der Galerist sagen, dass er notfalls selbst für einen gewissen Umsatz sorgt. Wenn er das tut, gehen die Kunstwerke in das Eigentum der Galerie über. Wenn diese dann aber weiterverkauft werden, muss trotzdem Folgerecht bezahlt werden. Das heisst, wir können nichts mehr für die Künstler tun. Vor vielen Jahren gab es Biergärten, bei denen zum Frühschoppen Musik gemacht wurde. Dann kam die AKM, die Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger, welche Geld dafür verlangt hat. Diese Zahlungen haben jeden Wirt davon abgehalten, so etwas zu organisieren. So wurde Vieles kaputt gemacht. Den Gedanken, Liechtenstein kulturell zu intensivieren, sehe ich jedoch, es gibt viel Potenzial und auch Pläne dafür.

Können Sie als Galerist Kunst geniessen oder haben Sie keine Mühe, ein Werk zu verkaufen?

Bei meiner Frau und mir war es immer so, dass ich die Kunst, die ich gerne besessen hätte, versuchte auszustellen. Dann ist die eigene Begeisterung für die Kunst die stärkste Hilfe für den Verkauf. Meine Frau und ich sind selbst seit vielen Jahren auch Sammler und haben ? abhängig von den Möglichkeiten des Budgets ? auch eine Sammlung, die auch unseren Weg dokumentiert. Manchmal sehen wir, dass es tolle Entscheidungen waren, diese Kunst zu kaufen. Aus unserer Sammlung selbst würden wir aber nichts verkaufen, sondern das möchten wir behalten, da es ein Dokument über unser Leben ist. 2014 bin ich seit genau 50 Jahren im Kunstbereich tätig und, ich denke ? zumindest an Jahren, von 1964 bis 2014 ? der Kunstälteste in Vorarlberg.

Sie haben die Ehre, an der Biennale in Venedig teilzunehmen. Wie kann man sich als Aussenstehender das vorstellen?

Die Biennale ist der grösste Kunstmarkt weltweit. Allein im Giardino hat fast jedes Land der Welt einen Pavillion, der über eine Juryentscheidung mit Künstlern des Landes bestückt wird. Man hat dann die schönsten Palazzi in Venedig für solche Ausstellungen zur Verfügung gestellt, damit die Ausstellung erweitert werden konnte. Wir sind im Palazzo Bembo, der am Kanale Grande, rechts von der Rialtobrücke liegt. Wir haben dieses Jahr erneut eingereicht und wurden erneut angenommen. Wir haben eine der schöns­ten Positionen erhalten und sind bei der Balkonfensteröffnung zum Palazzo Grande. Momentan sind wir dabei, die Konzeption so abzurunden, dass wir eine spannende Ausstellung haben, welche den Zuschauern auch etwas bietet.

Wie schätzen Sie die Kunstszene in Liechtenstein ein?

Durch die erleichterten Grenzübertritte und die stärker werdende Globalisierung gleicht sich die Kunst immer mehr an. Liechtenstein hat einige ganz herausragende Künstler, welche international durchaus bestehen können. Es ist nur wichtig, dass man sie hinausbringt, um sie in einen Wettbewerb zu bringen. Man kann einen Korb Äpfel nur mit einem anderen Korb Äpfel vergleichen, wenn man sie nebeneinander stellt. Es kommt natürlich auch darauf an, wer hinter den Künstlern steht. In Amerika ist alles unkomplizierter und optimistischer. Mit der Gefahr natürlich, dass Künstler hochgejubelt werden, die es nicht verdienen. Sie sind vom Wesen her unbelasteter und pokern auch, was Kunst betrifft. Der Alemanne ist da etwas bedächtiger und überlegender. Das führt aber sicher dazu, dass er nicht so viel Schrott zusammenkauft. Dafür lässt er aber auch die eine oder andere Chance vorbeigehen. Liechtenstein hat aber eine gute und wache Kunstszene und einen intensiven Kulturaustausch mit anderen Ländern. Für so ein kleines Land hat es eine starke Dichte an Künstlern und Galerien. (Interview: jgr)

Artikel: http://www.vaterland.li/importe/archiv/kul/kunst-braucht-einen-guten-repraesentationsplatz-art-59010

Copyright © 2025 by Vaduzer Medienhaus
Wiederverwertung nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung.

­
­