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Josef Hofer: «Doppelagent» in Sachen Musik

Josef Hofer ist ein angesehener Cellolehrer, obwohl er nie vollberuflich unterrichten wollte. Trotzdem ? oder vielleicht gerade deshalb ? hat er das Unterrichten lieben gelernt. Ein Umstand, der vor allem seinen Schülern zugute kommt.

Als Josef Hofer im Alter von zehn Jahren mit dem Cellospiel begann, wollte er eigentlich nur eines: Fussball spielen. Doch der eiserne Wille seiner Mutter und das ein oder andere Schlüsselerlebnis sollten aus ihm nicht einen Profifussballer, sondern einen professionellen Cellisten und Musikpädagogen machen. Eine Ent­wicklung, die Pepi Hofer ? wie er von allen genannt wird ? nicht missen möchte. Zumindest nicht, was die Auseinan­dersetzung mit der Musik betrifft. Einzig den Fokus würde er dabei heute eher auf das Komponieren und Dirigieren lenken, statt auf das Erlernen eines Instruments. «Die Schreibtischarbeit liegt mir mehr als die hohe Perfektion am Instrument», sagt einer, der jedoch gerade diese Perfektion auf seinem Instrument beherrscht. Als gefragter Solist und Kammermusikpartner tourte er in den verschiedensten Formationen jahrzehntelang durch die Schweiz und Deutschland und spielte in renommierten Orchestern mit. Bewegte Zeiten, die Pepi Hofer teuer zu bezahlen hatte.

Arbeit statt Musik

Zu Beginn seiner Ausbildungszeit sah es überhaupt nicht nach einer Musikerlauf­bahn aus. Als «Arbeiterkind» ? der Vater Mechaniker bei der Balzers AG, die Mutter Schneiderin ? hatte eine solide Ausbildung Priorität. Pater Emil Baur wurde auf sein gutes Gehör aufmerksam und empfahl ihm Cellounterricht an der erst vor Kurzem gegründeten Musik­schule. Und obwohl Pepi auch das Singen der Gregorianischen Choräle unter der Leitung von seinem Primarlehrer Georg Gstöhl gefiel, sollte ein anderes Schlüssel­erlebnis für seinen weiteren Werdegang entscheidend sein. Felix Marxer regte an, den Jungen ins Lehrerseminar nach Sargans zu schicken. Dort merkte Pepi Hofer schnell, dass ihm das Cellospiel gewisse Vorteile bescherte. Das Ansehen bei Mitschülern und Lehrern wuchs immer dann, wenn er zu Schulanlässen einen musikalischen Beitrag leistete. Als bei ihm die Idee reifte, gemeinsam mit seinem damaligen Freund ein Streich­quartett zu gründen, war die Entschei­dung für ein Cellostudium gefallen. Aus dem Streichquartett wurde zwar nichts. Das Musikstudium hat Pepi Hofer jedoch am Konservatorium in Bern bei Walter Grimmer und an der Musikhochschule Frankfurt bei Gerhard Mantel absolviert. Weitere Studien folgten bei Maurice Gendron und Pierre Fournier, prägende Cellisten der damaligen Zeit. Durch das Musikstudium wollte Pepi Hofer zwar das Unterrichten vermeiden, tat es dann aber doch, um sich sein Studium zu finanzieren.

Kein Orchestertraum

«Einen Orchesterjob in einem Spitzenorchester habe ich mir nach dem absolvierten Konzertdiplom nicht zugetraut, weshalb ich nie ein Probespiel absolviert habe», gibt er offen zu und ergänzt: «Der Traum von einer Solokarriere hat mich nie beschäftigt. Ich hatte das Glück, in sehr jungen Jahren Spitzensolisten persönlich kennenlernen zu dürfen und da wurde mir schnell klar, dass meine Voraussetzungen dazu nie reichen. Diese Illusion ist mir erspart geblieben.» Seinen Lebensunter­halt be­stritt er mit Engagements als Solist, Kammermusiker und Lehrer. Daneben engagierte er sich in der European String Association, schrieb Unterrichts­literatur, erstellte Arrangements und ganze Celloschulen. Das Resultat: «Jahr­zehntelange Übermüdung.» Die Folge: Gesundheitliche Probleme, die einen langen Leidensweg und den Verzicht auf seine Konzerttätigkeit mit sich brachten. «Ein Musiker muss solche Risiken mit einbeziehen», ist Pepi Hofer überzeugt. Der Körper sei nun mal nicht dafür geschaffen, Tausende Stun­den an einem Instrument zu arbeiten, lautet seine ernüchternde Erklärung. In Musikerkreisen ein Tabuthema. Doch mit Mitte 40 hielt Pepi Hofer das ständige Reisen nicht mehr aus. Ausserdem waren mittlerweile seine beiden Töchter geboren und so traf er die Entscheidung, seine Solisten- und Kammermusik­lauf­bahn zu beenden. «Die beste Entscheidung meines Lebens», ist er rückblickend sicher, zumal diese es ihm ermöglichte, seine beiden Töchter intensiver in ihrer Entwicklung zu begleiten. Seit damals hat sich Pepi Hofer ganz und gar dem Unterrichten verschrieben.

Lehrer mit Leib und Seele

Als Lehrer verfolgt Pepi Hofer ein ganz klares Ziel: «Das Höchstmass an Förde­rung von Individualität.» Will heissen, dass es ihm vor allem darum geht, auf den Schüler und seine Bedürfnisse einzugehen und ein kindgerechtes Verhältnis zwischen Fordern und Förder zu finden. «Das Mitfühlen und emotionales Engagement, sprich die Beziehungsarbeit, sind beim Unterrich­ten enorm wichtig», erklärt der Pädago­ge mit einem Leuchten in den Augen. Derzeit tut er dies bei rund 36 Schülern im Alter von 5 bis 72 Jahren an der Liechtensteinischen Musikschule und der Kantonsschule Sargans. Zudem ist ihm der Einbezug der Eltern in den Lernprozess enorm wichtig. Dies führt dazu, dass er sich manchmal wie ein «Doppelagent» fühlt, der zwischen den Bedürfnissen der Schüler und den Wunschvorstellungen der Eltern agieren muss, die nicht immer identisch sind. Auf Kuschelkurs geht er dabei jedoch nicht. Er weiss, was er fordern kann und scheut auch nicht davor zurück, Klartext zu sprechen. «Meine Mutter hat immer gesagt: Bevor du nicht geübt hast, gehst du nicht Fussball­ spielen. Heute würde ich mir mehr so konsequente Mütter wünschen.»

Musik gehört dazu

Für ihn steht schon lange ausser Frage, dass die Beschäftigung mit einem Musikinstru­ment zu einer ganzheitlichen Bildung dazugehören sollte «wie Lesen und Schreiben». Doch sieht er auch, dass dies beim heutigen Schulmodell schwer umsetzbar ist. Zu viel Zeit sei bereits verplant, zu viel Energie. und Konzentrationsverlust dadurch vorprogrammiert. Dazu kommt noch die Konkurrenz durch die heutigen Medientechnologie, Handy, PC und Facebook. «Das Angebot für das Ensemblespiel ist da, aber die Zeit und Bereitschaft, es zu nutzen, fehlt oft.»
Das Musizieren in Gruppen ist Pepi Hofer enorm wichtig ? viel mehr noch: «zwingend notwendig». Als er vor rund fünf Jahren acht, neun Schüler hatte, die alle gleich alt und gleich weit waren, kam ihm die Idee, ein eigenes Celloensemble zu gründen, die «Friends of Cello». Ursprünglich ein Ensemble, bestehend aus Schülern der Musikschule, wurden bald auch ehemalige Schüler von Pepi Hofer dazu eingeladen. Und so kamen innert kürzester Zeit 28 Personen zusammen, die regelmässig gemeinsam musizierten. Beim jüngsten Grosspro­jekt, einem Benefizkonzert zugunsten der Rotary-Stiftung Mine-ex, das Ende September in Schaan stattfindet, sitzen sogar über 70 Cellisten auf der Bühne. Derartige Auftritte in der Öffentlichkeit verfolgen vor allem ein Ziel: Durch gemeinsames Tun die Gemeinschaft zu fördern. Für das Publikum gilt das Motto: «Ihr dürft uns zuschauen, wie wir hier Freude an unserem Tun haben.»

Geschätzter Tapetenwechsel

Verständlich, dass es dem Vollblut­musi­ker nicht immer leichtfällt, die Musik und die Probleme der Schüler vom Privatleben abzukoppeln. «Das gelingt mir erst seit diesem Sommer», witzelt Pepi Hofer, dem seine hohen Erwar­tungs­haltungen an sich selbst oft zum Verhängnis werden. In seiner knapp bemessenen Freizeit besucht er gerne Opern, am liebsten von Wagner, Strauss, Mozart und Monteverdi, und reist dafür auch mal nach Zürich, Wien, München, Bayreuth oder Dresden. Das Reisen an sich musste er nach seiner intensiven beruflichen Reiserei erst wieder für sich entdecken. Heute schätzt er vor allem den damit verbundenen Tapeten­wech­sel ? vorausgesetzt, man muss dafür nicht länger als drei, vier Stunden im Flugzeug sitzen. Und erst einmal am Reiseziel angekommen, wird gelesen. Manchmal zehn, zwölf Stunden am Tag. Allerdings nur das, was ihm seine Frau empfiehlt. Ansonsten weiss er gutes Essen und guten Wein sehr zu schätzen, auch wenn das Kochen nicht sein Ding ist. Bei einem Abendessen mit Claudio Abbado würde er gerne herausfinden, wie er es schafft, nur mittels seiner Persönlichkeit eine derartige Wirkung auf die Musiker auszuüben. Und wenn er es «zeitlich auf die Reihe bringen» würde, würde er gerne mehr Komponieren.
Langeweile wird bei Pepi Hofer nicht aufkommen. Zumal er auch noch Mit­glied im Stiftungsrat der Kulturstiftung Liechten­stein ist. Ein Amt, das bei ihm ein Umdenken ausgelöst und mit dem er in vielen Bereichen Neuland betreten hat. Für seine berufliche Zukunft wünscht er sich, «weiterhin spannende Kinder auf einer guten emotionalen Basis unterrichten zu dürfen» und bezeichnet seinen Arbeitsalltag als «Wundertüte an Über­raschungen». Für die Gesellschaft hofft er, dass das «Pendel zwischen materieller und immaterieller Welt möglichst gleichmässig ausschlägt», Kindern mehr Gehör geschenkt wird und «Erwachsene nicht vergessen, dass auch sie mal Kinder waren». Wenn es Pepi Hofer gelingt, seine eigene Ungeduld mit sich selbst im Zaum zu halten, wird er sich auch in Zukunft mit grosser Geduld den Kindern widmen. Stets dem Gute-Laune-Prinzip folgend: «Wenn ich gute Laune habe, hat auch mein Gegenüber die Chance, gute Laune zu haben.» (ehu)

 
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