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Der FC Vaduz-Trainer Pierre Littbarski im Gespräch mit WELT-Online

Welt Online - Peter Stützer - 13. November 2008, 02:42 Uhr: Gestern Teheran, heute Vaduz. Am liebsten aber Fukuoka, gern auch Yokohama. Berliner aus Köln, Trainer in Duisburg, Meister mit Sydney. Pierre Littbarski (48) darf sich nun wirklich polyglott nennen. Er ist ein Handelsreisender in Sachen Fußball. "Mir tut nichts mehr weh", sagt er. Und meint: Er hat alles schon erlebt. Teheran, seine bislang letzte Station, hat ihm gewissermaßen den Rest gegeben. "Böse, ganz böse." Vaduz nun macht ihn zum Wanderer zwischen den Welten. In Liechtenstein sind die Gutmenschen zu Hause, zumindest, was den Fußball anbelangt. Hier wird er beim Bäcker gegrüßt, mit dem Metzger bespricht er die Taktik, die Wege sind kurz, das Leben ist transparent. Und vor allem: Es ist ungefährlich. "Das ist meine Welt", sagt Littbarski, der Weltmeister von 1990, und das ist seit einer Woche sein neuer Verein: der FC Vaduz. Er ist Trainer und Sportdirektor und noch ein bisschen mehr: "Die haben einen Hans-Dampf-in-allen-Gassen gesucht." Und gefunden. Gestatten, Littbarski. Dank einer Sondergenehmigung tritt der FC Vaduz in der Schweizer Liga an, Littbarskis erstes Spiel ging in die Binsen, aber ein 0:2 gegen Meister FC Basel ist keine Schande. Vaduz belegt nun vor dem FC Luzern den neunten, den vorletzten Platz. Die Abmachung mit dem Verband gilt erst einmal bis 2010. Dann wird neu verhandelt. Die Frage, ob Vaduz denn auch absteigen kann, weiß Littbarski nicht spontan zu beantworten. Er sortiert sich noch. Er ist noch etwas durcheinander. Teheran war auch eine Erfahrung, aber weiß Gott keine gute. "Ich sitze nicht gern lange zu Hause rum, dann haut mir meine Frau nur auf den Kopf." Also kam der Anruf aus Teheran ins ferne Japan gerade recht, Littbarski überlegte nicht lange, flog am nächsten Tag hin - und landete in der Hölle. Ein Faktor war also die Langeweile, ein weiterer das Geld, 300 000 Euro, der dritte schließlich, mit Saipa Teheran in der Champions League gegen japanische Klubs antreten zu können, Japan ist seine zweite Heimat. Doch alles kam ganz anders. Ehe er sich versah, saß Littbarski zwischen den Fronten. Hier: Hamid Sadschadi, der Klubchef von Saipa Teheran. Da: Ali Daei, Nationaltrainer, Nationalheiliger, früher Profi bei den Bayern und Bielefeld, auch bei Hertha BSC hat er gespielt. "Ali Daei zu bekämpfen ist, als wolle man in München Franz Beckenbauer raushauen", erklärt Littbarski. Es folgte der Horror: "Wir wurden bedroht, das ist ein Überwachungsstaat, hinterm Spiegel fanden wir eine Kamera." Ihm und den Co-Trainern wurden die Reisepässe abgenommen, Littbarski bekam seinen erst zurück, als er vorgab, in Dubai warte seine Frau auf ihn. "Mir ging echt die Muffe. Du kommst nicht rein und nicht raus aus diesem Land, du kannst nicht einfach Flüge buchen, dein Geld bringst du besser nicht zur Bank, das ganze Leben da ist total angespannt." Littbarski floh, verzichtete auf sein Restgehalt, und sagt: "Man muss so etwas mal mitgemacht haben, um wieder zu wissen, wie gut es einem hier geht. Ich meckere so schnell über nichts mehr." Muss er auch nicht. Liechtenstein ist nicht nur ein Steuerparadies. Noch bewohnt Littbarski in Vaduz ein kleines Appartement, im Januar kommt seine japanische Ehefrau mit den Kindern Joel und Lucien, elf und acht, bis dahin wohnen sie in Fukuoka. Der Großteil der Möbel lagert bei den Schwiegereltern in Yokohama. Japan ist seine Bestimmung geworden. Bei JEF United Chiba und Brummell Sendai endete seine Spielerkarriere, beim FC Yokohama begann seine bunte Trainerlaufbahn, er wurde gleich zweimal japanischer Meister. Den australischen Titel holte er mit dem FC Sydney, und heute sagt er: "So muss eine Trainerkarriere sein. Ich werde auf keinen Fall fett und rund, weil ich mich auf meinen Erfolgen ausruhe. Ich muss mir all das erarbeiten." Es ist auch nicht Deutschland zwingend sein Ziel, wo er beim MSV Duisburg nicht ganz so erfolgreich war. Erstens erscheint ihm die alte Heimat von außen betrachtet etwas spießig und ordentlich, zweitens mag er zu Beginn des einen Jobs nicht schon vom nächsten reden. "Das würde die Aufgabe in Vaduz nur abwerten. Wir wollen den Schweizern zeigen, dass wir nicht zu Unrecht in ihrer Liga spielen, wir wollen mehr als Gastspieler, mehr als nur geduldet sein." Wenn er beschreiben sollte: Zeitaufwand Bundesliga, Niveau Zweite Liga, einige darüber, Vollprofis aus fünf verschiedenen Ländern, darunter vier Brasilianer, gute Gehälter, zweimal am Tag Training, überschaubare Geschäftsstelle, drei Angestellte, Traumlandschaft, klasse Essen, schnell im Schnee. Nein, reich werde er in Liechtenstein nicht. Zumindest nicht kurzfristig. Der Reisende durch die Fußballwelten möchte sich setzen, ein bisschen bleiben, fleißig sein und irgendwann dann zurück. Nein, nicht nach Deutschland. "Mein Traum ist es, in Yokohama ein Häuschen zu bauen", sagt Pierre Littbarski, "dafür arbeite ich."

Artikel: http://www.vaterland.li/importe/archiv/der-fc-vaduz-trainer-pierre-littbarski-im-gespraech-mit-welt-online-art-53220

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