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Vor 10 Jahren: Gamanderhof nicht an Fritz Kaiser

Vor 10 Jahren (2000) hat laut «Vaterland» der Gemeinderat Schaan das Überbauungsgesuch des Gamanderhofs von Fritz Kaiser bzw. seiner Fritz-Kaiser-Gruppe aus Denkmalschutzgründen abgelehnt.

Quelle: Liecht. Vaterland vom 30. November 2000.

In den Gamanderhof in Schaan ist erst am 28. August 2006 Leben zurückgekehrt. Der Historische Verein ist eingezogen. Janine Köpfli schrieb am 29. August 2006 im Vaterland:

Dass der Historische Verein aus seinen Räumlichkeiten in Triesen ausziehen muss, war schon länger bekannt. Da das Landesarchiv in Vaduz abgebrochen und völlig neu gebaut wird, musste für dieses eine provisorische Bleibe in Triesen gefunden werden. Während sich die Angestellten des Landesarchivs nun in Triesen einrichten, gewöhnt sich der Historische Verein im Gamanderhof in Schaan an die neue Umgebung. Ruhig ist es, direkt am Waldrand. Kuhglocken sind zu hören. Mit Sicherheit etwas anderes als im Industriegebiet in Triesen. «Es ist wirklich sehr schön hier», schwärmt Klaus Biedermann. «Der Gamanderhof ist eine Chance für uns.» Und doch ist er nicht ganz glücklich mit der Situation.
In Triesen war der Historische Verein neben verwandten Bereichen, wie der Archäologie, untergebracht. Auch gab es genügend Platz für das Archiv und für das Bücherlager des Vereins. Nicht so in Schaan. Das Vereinsarchiv ist, in Absprache mit dem Landesarchiv, in Triesen geblieben. Die so genannte Schriftentausch-Bibliothek hingegen ist jetzt vorläufig in Depot-räumen der Landesbibliothek in Vaduz untergebracht. «Wir tauschen mit über 130 anderen historischen Vereinen und Instituten Schriften und Bücher aus», erklärt Klaus Biedermann. «In den letzten Jahrzehnten ist einiges zusammengekommen.» Um in einem dieser Bücher etwas nachschlagen zu können, muss man nun vier Kilometer fahren und kann nicht einfach in den Keller hinabsteigen. Das Lager des vereinseigenen Verlags konnte beim Umzug ebenfalls nicht nach Schaan mitgenommen werden. Es ist auch in Vaduz, wiederum an einem anderen Ort, untergebracht. «Schade, dass jetzt einiges so auseinandergerissen ist», findet Klaus Biedermann.
Und trotzdem, eine passendere Notunterkunft hätte der Historische Verein wohl kaum finden können – ein fürstlicher Meierhof mit einer spannenden Geschichte.

Ansehnliches Gehöft

Anfang des 18. Jahrhunderts: Imposant muss er gewirkt haben, der fürstliche Meierhof, der sich neben der «Oberen Reichsstrasse» in der Nähe des Schaaner Waldes befand. Ideal gelegen an der Strasse, die einst die Kultur- und Wirtschaftszentren Deutschlands und Italiens verband, die von Nendeln über Dux, das Vaduzer Oberdorf, zum Schloss Vaduz, den Meierhof, das Triesner Oberdorf bis nach Balzers und weiter führte. Damals lag der Gamanderhof absolut zentral. Auf rund 1000 Quadratmetern standen das Wohnhaus, die riesige Stallscheune, die fast doppelt so gross war wie das Haus, und der mit Mauern umrahmte Innenhof – für die damaligen Verhältnisse ein ansehnliches Gehöft.

1721 fertig gestellt

1721 wurde er fertig gestellt. Zwei Jahre vorher, 1719, wurden die beiden Herrschaften Schellenberg und Vaduz zum Reichsfürstentum Liechtenstein erhoben. Gemäss geschichtlichen Quellen erteilte Fürst Anton Florian von Liechtenstein kurz darauf den Auftrag zum Bau des Meierhofs in Schaan – wohl aus wirtschaftlichen Überlegungen. Der Lindauer Geometer Johann Jakob Heber zeichnete in fürstlichem Auftrag die Baulichkeiten 1721 in Grundrissen und Ansichten, es handelt sich hierbei wohl um einen der frühesten Baupläne Liechtensteins. Historiker gehen aufgrund dendrochronologischer Untersuchungen der verwendeten Bauhölzer davon aus, dass der Ökonomiebau 1720 und das Wohnhaus 1721 fertig gestellt wurden. Die Jahreszahl von 1720 steht heute noch auf den Wetter- fahnen auf dem Dach des Wohn- hauses.

Meierhof oder Bettlerhof?

Gewünscht hatten sich die Fürsten einen Gewinn bringenden Wirtschaftsbetrieb, bekommen haben sie einen «Bettlerhof». Im Jahr 1726 betrug der Ertrag an Heu und Emd 26 Klafter im Wert von 156 Gulden, jener an Streu 22 Fuder im Wert von 66 Gulden. Dies ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass dem Fuhrknecht «oder Bauw Maister auf dem herrschafftlichn Meyerhoff Gamandra» eine Jahresbesoldung von 200 Gulden zustand. Gerade mal 14 Jahre bewirtschaftete die Herrschaft ihr Gut selbst, bevor sie es verpachtete. Die Pächter wechselten im Fünfjahrestakt.
Im Jahr 1780 ging die Ära des in fürstlichem Besitz stehenden Meierhofs zu Ende. Der letzte Pächter stieg sogar vor Ablauf des Pachtvertrags aus. Über die Gründe, die zum Verkauf des Herrschaftshofs führten, besteht kein Zweifel: Fehlende Rentabilität und hohe Unterhaltskosten. Die Gemeinde Schaan kaufte den Hof für 15 000 Gulden und verkaufte ihn schon wenige Jahre später an die Gebrüder Christoph und Anton Frommelt. Der Gamanderhof wechselte seine Besitzer noch viele Male.
Die letzten privaten Besitzer waren die von Halems – eine Adelsfamilie aus Deutschland. Sie kauften den Gamanderhof in den 1940er Jahren, renovierten die Fassaden und gestalteten die Innenräume des Wohnhauses neu. Sie achteten jedoch darauf, dass die Erneuerungen zum einzig in barocker Prägung erhaltenen Herrenhof Liechtensteins passten. So stammt beispielsweise die massive Eingangstüre aus Holz aus dem 18. Jahrhundert.

Schatzkammer für Historiker

Imposant wirkt der Gamanderhof noch heute – sofern man ihn findet. Er liegt etwas versteckt hinter Hecken und Bäumen an der Plankner Strasse, abseits vom Schaaner Dorfzentrum. Die «Obere Reichsstrasse» gibt es längst nicht mehr. Sie verlor im ausgehenden 18. Jahrhundert nach dem Ausbau der «Unteren Reichsstrasse» Nendeln-Schaan-Vaduz ihre Bedeutung. Die Hofanlage ist heute kleiner als ursprünglich erbaut. Ein Grossteil des Stalls wurde wahrscheinlich nach einem Brand im 19. Jahrhundert abgebrochen, die Mauern um den Innenhof sind teilweise aufgelassen. Das
Wohnhaus sieht aber noch fast so aus wie vor 300 Jahren und ist eine wahre Schatzkammer für Historiker und Denkmalpfleger (siehe Kasten).

Den Hof erhalten

Als die Familie von Halem den Gamanderhof, der seit 1951 unter Denkmalschutz steht, Mitte der 1990er Jahre zum Verkauf ausschrieb, war lange unklar, was mit der historischen Anlage passieren soll. Projekte gab es zur Genüge. Ein Unternehmer beispielsweise wollte den Hof kaufen und als modernes Wohn- und Bürogebäude ausbauen und erweitern. Eine
Idee, die letztlich aufgrund der Übernutzung der Liegenschaft nicht umgesetzt werden konnte. Das Land erwarb den Gamanderhof schliesslich im Jahr 2002 mit dem Ziel, den Hof und seine Umgebung vollumfänglich zu erhalten und für die Öffentlichkeit nutzen zu können. Die Endbestimmung für den ehemalig fürstlichen Meierhof steht aber noch nicht fest. Vorläufig sind der Historische Verein und das Historische Lexikon in das sanierte Wohnhaus eingezogen. Auch zwei Vereinsprojekte – das Liechtensteiner Namenbuch und die Kunstdenkmäler-Inventarisation – sind im Gebäude untergebracht. Die längerfristige Nutzung des Hauses ist aber noch offen. Was mit dem Stall passiert, ist ebenfalls ungewiss. Ein Plenar- oder Konzertsaal? Platz wäre auf jeden Fall genug vorhanden.

 

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