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Liechtenstein auf dünnem Eis

Das Sexgewerbe blüht ? auch in Liechtenstein. Nicht immer machen Frauen das, was sie machen, freiwillig. Um Menschenhandel und Sexarbeit in Liechtenstein drehte sich gestern eine spannende Gesprächsrunde in Schaan.

Jedes Jahr kommen rund 360 Frauen mit einer Kurzaufenthaltsbewilligung als Artistin nach Liechtenstein. Sie bleiben acht Monate und arbeiten als Tänzerinnen in einem der insgesamt sechs Etablissements und Nachtclubs im Land. So ihr offizieller, legaler Status. «Grundsätzlich ist Prostitution in Liechtenstein verboten», sagte Jules Hoch, Chef der Kriminalpolizei, gestern im Rahmen eines Podiumgesprächs im TaKino. Infolge der hartnäckigen Fragen von Moderatorin Claudia Heeb-Fleck musste er aber zugeben, dass Prostitution geduldet werde, solange sie nicht sichtbar ist und kein öffentliches Ärgernis darstellt. Die Polizei könne aber kaum etwas gegen die verborgene Prostitution tun. Zwar vermute man, dass in den sogenannten Separées der Nachtclubs kaum nur Beine gezeigt werden, «beweisen können wir das aber nicht», sagte Jules Hoch. Anzeigen gebe es diesbezüglich auch keine. Das sehr offene Gespräch zeigte, dass die offiziell als Tänzerinnen registrierten Frauen aus Russland, Moldawien, Asien oder Südamerika in einem Gewerbe arbeiten, «in welchem vieles im Verborgenen passiert», wie Claudia Heeb-Fleck sagte. Sie stellte aber klar, dass nicht jede Frau, die im Sexgewerbe arbeitet, gezwungen oder gar Opfer von Menschenhandel wurde.

Statistisch gesehen, gibt es in Liechtenstein keinen Fall von Menschenhandel. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass gerade bei Kabarett-Tänzerinnen, wie sie auch in Liechtenstein tätig sind, Frauen ausgebeutet werden, wie Dorothea Winkler vom Fraueninformationszentrum FIZ in Zürich bestätigte. Zahlen zu nennen, sei schwierig. Dennoch: Von den 170 Frauen, welche letztes Jahr die Beratungsstelle FIZ aufsuchten, seien 11 Opfer von Menschenhandel gewesen. «Sie waren Tänzerinnen in Kabaretts», sagte Dorothea Winkler.

Sowohl das schweizerische als auch das liechtensteinische Rechtssystem ist darauf ausgerichtet, solchen Frauen zu helfen. In Liechtenstein gibt es einen Leitfaden, der, falls ein Fall von Menschenhandel aufgedeckt wird, zur Anwendung kommt. Auch das Opferhilfegesetz biete den nötigen Schutz – nicht nur im Fall von Menschenhandel, sondern immer dann, wenn sich eine Frau als Opfer fühlt, wie Barbara Banzer von der Opferhilfestelle ausführte. «Der Rechtsstaat und seine Organe sind verpflichtet, die Schwachen, die Leidtragenden und Unschuldigen unter den Menschen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen», sagte Regierungschef Klaus Tschütscher. «Im Fall von Menschenhandel gelingt ihm das bisher nur teilweise. Es muss ihm aber eines Tages ganz gelingen.» Dieser Meinung waren alle auf dem Podium. Patricia Matt von der Fachstelle für Sexualfragen sprach sich für eine Enttabuisierung der Prostitution aus. Erst wenn möglichst viele hinschauen, können auch die Ungerechtigkeiten beseitigt werden, ist sie überzeugt. Vor allem aber gehe es darum, menschenwürdige Bedingungen zu schaffen, zu informieren und zu sensibilisieren.
Ausserdem müsste Liechtenstein etwas an der rechtlichen Situation ändern, ist Dorothea Winkler überzeugt. «Solange sich niemand an Prostitution stört, ist sie erlaubt – Liechtenstein bewegt sich mit dieser Regelung auf sehr dünnem Eis.»

Noch heute ist die Ausstellung «Ohne Glanz und Glamour» zum Thema Frauenhandel, von 17.30 bis 20.30 Uhr, im Schulzentrum Mühleholz II in Vaduz zu sehen. (jak)

 

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