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Wo ist der Weg?

Liechtensteins Finanzplatz befindet sich in einer Transformationsphase, die nun bereits sieben Jahre dauert. Dabei ist noch immer nicht klar, was eigentlich am Ende herauskommen soll.
Heinz Frommelt
Heinz Frommelt, Partner der Kanzlei Sele, Frommelt & Partner mit Sitz in Vaduz. (Bild: pd)

Was für ein Standort sind wir dann? Sind wir einfach nur ein weiterer Weissgeld-Standort? Solche gibt es zahlreiche in Europa und auf der Welt. Was also soll uns besonders machen, wie positioniert sich Liechtenstein? Klar, es gibt immer wieder Vorstösse, Innovationsclubs, Standortmarketing, aber meist wird das zu vermarkten versucht, was schon da ist. Es wird am Bestehenden weitergebastelt. Aber es braucht einen speziellen «Add-on», einen Zusatz, der den Ausschlag gibt.

Wir brauchen mehr Waghalsigkeit, mehr Out-of-the-box-Denken als In-the-box-Verweilen. Wir brauchen mehr Innovationsförderung, mehr Bildung für Förderung von Innovationen. Sich nur von einem Geschäftsmodell wegzutransformieren, genügt allein nicht. Dafür müssen wir auch lieb gewonnene alte Zöpfe abschneiden, die uns zur beschau­lichen, aber wirtschaftlich unattraktiven, einfachen mitteleuropäischen Landschaft verkümmern lassen. Wir müssen zu einem echten Strukturwandel bereit sein, zu einem Sprung in die Zukunft.

Wo ist unser «Wahnsinns»-Button?

Ein Blick über den Tellerrand hinaus zeigt, dass sich in vielen Bereichen Veränderungen abzeichnen oder schon da sind. Investoren beginnen, aufgrund der Minuszinsen Bargeld zu horten, junge Professoren lehren spielerisch übers Internet und entern damit das Bildungssystem, die Kids bilden sich praktisch selbst aus und selbst in die altehrwürdige Autoindustrie kommt Bewegung. Wer hätte noch vor Kurzem gedacht, dass in einem Auto – wie im Elektroniksportwagen Tesla – ein Insane-(Wahnsinns)Button Verwendung findet, um die ungeheuerliche Beschleunigung zu manifestieren. Das ist jung, frech – out of the box eben.

Welchen Strukturwandel aber wollen wir? Wo ist unser «Wahnsinns»-Button? In der Komfortzone zu verweilen, ist nicht nur langweilig, sondern auch gefährlich. Liechtensteins Strukturen haben sich – Weissgeldstrategie hin oder her – in den letzten 50 Jahren nicht wirklich verändert. Wir sind nur gewachsen, aber nicht «mutiert». Ein Dinosaurier im kalten Meer der Veränderung.

Die neue Art des Investors evaluiert einen Standort für sein Unternehmen nicht nur mehr aus den bestehenden Bedingungen heraus, ausschlaggebend für seinen Standortentscheid sind auch die Veränderungswilligkeit und Anpassungsfähigkeit des Standortes und vor allem seiner Akteure. Es sei die Frage erlaubt: Sind Standortfaktoren wie Stabilität, Berechenbarkeit und Sicherheit heute wirklich noch die allein entscheidenden Faktoren für eine Standortwahl? Für eine neue Industrie? Sind es nicht eher zukunftsgewandte Faktoren wie Innovations- und Wandlungsfähigkeit, die Freude an Neuem, ein echtes Bedürfnis nach Dynamik, Menschen, die das Neue treiben und es zum Erfolg führen? Ohne diese Faktoren ist ein Standort heute nicht mehr attraktiv. Es braucht mutige Unternehmer, pfiffige Beamte, junge, schlaue Köpfe, die man frühzeitig in den richtigen Branchen, die es auch morgen noch geben wird, ausbildet, ja auch ein paar «Verrückte», Draufgänger ebenso wie besonnene, erfahrene Kräfte.

Solange Liechtenstein alle Energie allein auf die Verteidigung und Vermarktung bestehender Standortvorteile setzt, wird es nicht die Kraft haben, einen echten Strukturwandel herbeizuführen, einen liechtenstei­nischen Wahnsinns-Button zu erfinden. Dann werden wir zurückbleiben. Die alten Industrien werden zurückgehen oder gar aussterben, der Finanzplatz wird sich mit seinem Weissgeld zurechtschmiegen, die Entwicklung aber findet woanders statt. Wir müssen nicht immer wieder unsere Finger zählen und dann der Welt verkünden, dass es zehn sind. Wir brauchen nicht Austauschbares herausputzen und als etwas Besonderes darstellen. Wir müssen uns neu erfinden, uns etwas trauen, auf neue Arten von Bildung setzen, in Form, Inhalt und Thema. Hier Hand zu bieten, weiter vorzudenken, ist Sache des Staates. Allein die Zukunft den Privaten zuzuweisen, wie dies gebetsmühlenartig von offizieller Seite wiederholt wird, wird nicht ausreichen.

Artikel: http://www.vaterland.li/wirtschaft/meinungen/wo-ist-der-weg-art-124448

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