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Bundesrat Cassis löscht Hunderte Tweets

Bundesrat Ignazio Cassis hat Hunderte Twitter-Nachrichten aus seiner Zeit vor der Wahl in die Regierung von seinem Kurznachrichtendienst-Konto entfernt. Experten warnen, dass diese Bereinigung negativ ausgelegt werden könnte.
Bundesrat Ignazio Cassis hat vor Weihnachten seinen Twitter-Account neu geordnet und dabei mehrere Hundert Tweets gelöscht. Experten halten das für risikoreich.
Bundesrat Ignazio Cassis hat vor Weihnachten seinen Twitter-Account neu geordnet und dabei mehrere Hundert Tweets gelöscht. Experten halten das für risikoreich. (Bild: KEYSTONE/PETER KLAUNZER)

Wie der "Tages-Anzeiger" am Donnerstagabend unter Berufung auf die Cache-Funktion von Google berichtete, zählte Cassis' Twitter-Konto @ignaziocassis am 17. Dezember 2017 noch 580 Kurznachrichten. Nach der Säuberungsaktion waren es am Donnerstag nur noch deren 43. Über 90 Prozent verschwanden.

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) erklärte die Säuberungsaktion am Freitag auf Anfrage damit, dass Cassis entschieden habe, sein bestehendes Twitterkonto als offizielles Konto des Departementsvorstehers weiterzuführen. Anstatt ein neues Konto zu eröffnen, habe Cassis auf diese Weise seine mehreren Tausend Follower behalten können, so das EDA.

Die Rollen eines Bundesrates und eines FDP-Nationalrats würden unterschiedliche "Kommunikationsebenen" bedürfen - deshalb habe der Kommunikationsdienst Cassis vorgeschlagen, zum Neustart des Accounts die Mehrzahl der bisherigen Tweets zu löschen.

Brexit-Tweet gelöscht

Cassis trat Twitter im März 2011 bei. Gemäss Angaben der Webseite Politwoops, die gelöschte Tweets von Politikern archiviert, wurden seitdem mehrere Hundert Kurznachrichten vom Konto gelöscht. Einige davon waren zuvor während mehreren Jahren einzusehen.

Unter den entfernten Äusserungen ist etwa ein Tweet vom Juni 2016 nach dem Austrittsentscheid Grossbritanniens aus der EU. Im Wortspiel erklärte der damalige Tessiner FDP-Nationalrat: "Brexit, Grexit, Quitaly oder Endenemark? AdiEU everybody!". Seit Anfang November ist Cassis Schweizer Aussenminister. Zu seinen wichtigsten und umstrittensten Aufgaben zählt dabei das EU-Dossier.

Negative Auslegung möglich

Sie hätte Bundesrat Cassis auf das Risiko aufmerksam gemacht, dass die Tweetlöschung berge, sagte Kommunikationsexpertin Marie-Christine Schindler auf Anfrage. Ein solches Verhalten mache "hellhörig" und könne negativ ausgelegt werden.

Zugleich könne sie die Aktion aber auch nachvollziehen: Cassis sei von einem wenig bekannten Nationalrat mit der Wahl in den Bundesrat zu einer Person öffentlichen Interesses geworden. Es liege deshalb auf der Hand, dass Cassis auch seine Profile und Mitgliedschaften habe überdenken müssen, sagte Schindler. Durch Löschen habe er vermeiden wollen, dass alte Tweets aus ihrem Kontext gerissen und irgendwann gegen ihn verwendet werden könnten.

Wenn Bundesräte wie im Fall von Cassis mit eigenem Account auftreten ist es laut Schindler wichtig, dass sie in kurzen Botschaften ausdrucksstark sind und den Account auch regelmässig bespielen. Auch das "Zuhören" und Interagieren sei wichtig. Gelingt dies, sei für einen Bundesrat eine Basis geschaffen, nahe an den Themen und Menschen zu sein und konsistent, glaubwürdig und authentisch nach aussen aufzutreten.

Unterschiedliche Richtlinien

Gemäss dem EDA gibt es im Departement und in der Bundesverwaltung allgemein keine speziellen Direktiven, wie Amtsträgerinnen und Amtsträger mit Social Media umgehen sollen.

Für das EDA handle es sich bei Aussenminister Cassis um einen "Präzedenzfall", weil seine Vorgängerinnen und Vorgänger bei Amtsantritt keine eigenen Social-Media-Konten gehabt hätten.

Wie Bundesrat und Bundesverwaltung kommunizieren sollen, ist zwar im Leitbild der Konferenz der Informationsdienste festgehalten, allerdings geht es darin um allgemeine Kommunikationsrichtlinien: Es soll beispielsweise "aktiv" und "sachlich und wahr" und "koordiniert" informiert werden.

Dafür tauschen sich unter anderem die Informationsbeauftragten der einzelnen Departemente täglich an Telefonkonferenzen aus.

Das Eidgenössische Personalamt (EPA) hat einen Leitfaden herausgegeben, wie Angestellte der Bundesverwaltung mit Social Media umgehen sollen. Dieser ist im Internet einsehbar.

Als Tipp an die Bundesangestellten schreibt das EPA: "Prüfen Sie Einträge sorgfältig, bevor Sie diese veröffentlichen. Das Web vergisst nie."

One-Man-Show und Kollektiv

Die Sektion Kommunikation der Bundeskanzlei teilte auf Anfrage mit, dass neben Ignazio Cassis zwei weitere Bundesräte über einen personalisierten Twitter-Account verfügen: Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann ist laut Twitter-Angaben im Januar 2015 dem sozialen Netzwerk beigetreten - da war er bereits seit fünf Jahren im Bundesrat. @_BR-JSA hat mehr als 21'000 Follower.

Innenminister Alain Berset verzichtet zwar in seinem Twitternamen (@alain_berset) auf eine genaue Amtsbezeichnung, twittert aber als Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Inneren und als Bundesrat. Er trat schon vor seiner 2011 erfolgten Wahl in die Landesregierung dem sozialen Netzwerk bei. Aus dieser Zeit als Ständerat resultieren jedoch insgesamt nur 15 Tweets. Der künftige Bundespräsident ist mit rund 82'000 Followern das reichweitenstärkste Mitglied der Landesregierung auf Twitter.

Zum Vergleich: Doris Leuthard, Ueli Maurer und Guy Parmelin kommunizieren auf Twitter über ihre jeweiligen Departement-Accounts und kommen darüber zusammengerechnet nur auf rund 14'000 Follower.

Bersets Departement des Innern (EDI) verfügt dagegen über keinen eigenen Twitter-Account - jedes Bundesamt könne jeweils selbst darüber entscheiden, ob und in welcher Weise sie bei dem Kurznachrichtendienst aktiv sein möchte, sagte EDI-Pressesprecher Markus Binder auf Anfrage. Bundesrat Berset retweete dann die jeweiligen Mitteilungen der Ämter. Seinen Twitter-Account bewirtschafte Berset selbst, bei Facebook sei ein Team aktiv.

Beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ist weder das Departement noch ihre Vorsteherin Simonetta Sommaruga auf Twitter präsent. Allerdings nutzen der EJPD-Informationschef Guido Balmer und das Bundesamt für Polizei (fedpol) den Kurznachrichtendienst. (sda)

 
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