Der jüngste Agnelli
Es gibt keinen anderen Klub in Italien, der so stark von einem Besitzer geprägt ist wie Juventus Turin. Seit 95 Jahren hat die Familie Agnelli das Sagen, seit 1923 der älteste Sohn von Fiat-Gründer Don Giovanni seinen Lieblingsklub vor dem drohenden Untergang retten wollte. Seither geben die Agnellis beim Rekordmeister mal deutlicher, mal subtiler den Ton an. Derzeit ist der Ausbau zum Unterhaltungszweig der Agnelli-Holding Familiensache.
Lange Jahre war Juventus Turin mehr eine unterhaltsame Nebenbeschäftigung als ein Geschäft. Der 2003 verstorbene Gianni Agnelli, der charismatischste und bekannteste Vertreter des Clans, pflegte mit dem Helikopter beim Training vorbeizuschauen, dem einen oder anderen Spieler auf die Schulter zu klopfen und sich dann wieder ernsteren Dingen zuzuwenden. Das Tagesgeschäft im Klub überliess er Vertrauenspersonen, etwa dem ehemaligen Stürmer Giampiero Boniperti, der von 1971 bis 1990 Präsident war.
Seit 2010 ist nun wieder - und erstmals seit den Fünfzigerjahren - ein Agnelli Präsident. Andrea Agnelli, der Neffe von Gianni, übernahm das Ruder, als der Klub sich wieder hoch arbeiten musste nach der Zwangsrelegation 2006. Seine Bilanz lässt sich sehen. Sieben Meistertitel in Folge gewann das Team zuletzt, und der Umsatz wuchs von 170 Millionen auf mittlerweile über 500 Millionen Euro. Juventus Turin hat sich wieder in der europäischen Elite positioniert, und Andrea Agnelli ist nicht umsonst seit einem Jahr Präsident der einflussreichen European Club Association ECA.
Ronaldo als Investition
Andrea Agnelli hat nicht die Ausstrahlung seines Onkels und erst recht nicht die gleiche Auffassung vom Fussballgeschäft. Der 45-Jährige, der in Oxford und Mailand studiert hat, rechnet, vergleicht, bilanziert und stellt Prognosen auf. Juventus generiere 80 Prozent seiner Einnahmen in Italien, obwohl die Mehrheit der rund 200 Millionen Fans ausserhalb zu finden seien. Man müsse diese Leute besser erreichen: "Heute dreht sich alles darum, die Marke in einem guten Licht zu zeigen."
An der Marke Juventus hat Andrea Agnelli in den letzten Jahren viel gebastelt. Er hat ein einfacher zu vermittelndes Logo kreieren lassen. Zwei simple "J" stehen nun für Juventus und markieren alle neuen Geschäftsfelder von der J Academy bis zum J Hotel im J Village, dem Komplex neben dem eigenen Stadion. Und im Sommer hat sich der Präsident mit Cristiano Ronaldo auch einen teuren, aber sehr wirkungsvollen Botschafter geleistet. "Zum ersten Mal in der Geschichte von Juventus Turin wurden bei einer Verpflichtung die kommerzielle und die sportliche Seite gewichtet", erklärte Agnelli den Zuzug des 33-jährigen Portugiesen, der inklusive Transfersumme und Lohn gegen 350 Millionen Euro kostet.
Sportlich soll die Aufrüstung bald zu einem Champions-League-Titel führen, den die Turiner seit 1996 nicht mehr gewonnen haben. Finanziell hat gerade die Investition in Ronaldo, der am Dienstagabend gegen YB gesperrt ist, schon einiges gebracht: Die seit 2001 an der Börse gehandelte Aktie ist in den letzten Wochen stark gestiegen, die Ticketpreise konnten erhöht werden, und das Trikot von Ronaldo verkauft sich teuer und gut.
Die Nummer 2 der Familie
Die deutlicher auf das Kommerzielle ausgerichtete Strategie führte allerdings auch zum Zerwürfnis zwischen Agnelli und seinem wichtigsten Mitarbeiter, CEO Beppe Marotta, der als Architekt der sieben Meistertitel gilt. Marotta wird Ende Monat seinen Posten verlassen. An seiner Linie will Agnelli festhalten. Er steht durchaus auch unter Druck, denn innerhalb der Familienorganisation ist er nur die Nummer 2.
In der Familien-Holding "Exor" steht Andrea Agnelli im Schatten von John Elkann, dem Enkel von Gianni Agnelli, der als CEO das Vermögen und die Beteiligungen der Agnellis verwaltet, im letzten Jahr hatten diese einen Wert von 143 Milliarden Euro. Zum Portfolio gehören unter anderem auch 30 Prozent von Fiat Chrysler und 23 Prozent von Ferrari. Bei beiden Firmen präsidiert der wie Agnelli 42-Jährige den Verwaltungsrat. Die über 60 Prozent Anteile an Juventus Turin sollen Elkann derweil nicht speziell am Herzen liegen, heisst es gerüchteweise. (sda)
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