Dreisprachigkeit verursacht Kosten
Von den 198'000 Einwohnern Graubündens bezeichnen sich über 30'000 als Rätoromanen und mehr als 25'000 geben Italienisch als Hauptsprache an, sind Italienischbündner oder Italiener. Der Kanton ist laut Verfassung offiziell dreisprachig.
Online ist davon wenig zu merken. Ausserhalb der kantonalen Verwaltung fallen Italienisch und Rätoromanisch mangels gesetzlicher Vorgaben meistens dem Rotstift zum Opfer.
Von den grossen "kantonsnahen" Unternehmen und Organisationen glänzt einzig die Rhätische Bahn mit einer Homepage in allen drei Sprachen. Um sich über die Leistungen des Kantonsspitals oder die Angebote der Kantonalbank GKB zu informieren, sind Deutschkenntnisse zwingend. Auch die Psychiatrischen Dienste Graubündens schreiben Kommunikation nur auf Deutsch gross.
Bei der Tourismusorganisation Graubünden Ferien kommt man mit Deutsch und mit Englisch weiter. Und das Energieunternehmen Repower mit Hauptsitz im italienischsprachigen Poschiavo präsentiert sich auf Deutsch und auf Italienisch, nicht aber auf Rätoromanisch.
Übersetzung rechnet sich nicht
Als Erklärung nennen Kantonsspital und Kantonalbank in erster Linie die Kosten. Der Webauftritt des Spitals umfasse an die 600 Seiten, sagt Mediensprecher Dajan Roman. Zudem sei die Übersetzung von medizinischer Terminologie anspruchsvoll.
Eine erste Gesamtübersetzung in Italienisch und Romanisch käme das Spital auf rund 100'000 Franken zu stehen. Aktualisierungen würden jährlich mit geschätzten 50'000 Franken zu Buche schlagen.
Für das privatwirtschaftlich geführte Spital rechne sich das nicht, zumal die Rätoromanen der deutschen Sprache mächtig seien und viele Italienischbündner Deutschkenntnisse hätten, erklärt der Mediensprecher. Sprechen könnten Patienten aber in ihrer jeweiligen Sprache, das Spital habe Dolmetscher.
Bei der Kantonalbank war eine Übersetzung der Webseite bis 2016 technisch gar nicht möglich. Die Homepage war nicht "mehrsprachenfähig". Die Staatsbank fördere die Mehrsprachigkeit aber über einen Beitragsfonds, betont Plutarch Chiotopulos von der GKB-Kommunikation.
Das Geldinstitut unterstütze italienische und romanische Veröffentlichungen, Veranstaltungen und Projekte. "Das schien uns in der Vergangenheit wichtiger, als die Übersetzung der Webseite", erklärte Chiotopulos. Die wichtigsten Kommunikationsmittel und Publikationen - etwa im E-Banking - seien aber übersetzt.
Dauerthema für Sprachorganisationen
Die spärliche Präsenz im Internet ist für die Organisationen der Sprachminderheiten ein Dauerthema. Für Pro Grigioni Italiano (PGI), die Organisation der italienischsprachigen Bündner, ist die Sprachsituation "sehr unbefriedigend".
"Wir bekommen nicht den vollständigen Service Public", sagt Generalsekretär Giuseppe Falbo. Die Italienischbündner würden marginalisiert. Besonders problematisch sei es im Gesundheitswesen.
PGI wandte sich sogar an den Europarat. "Der Europarat empfahl den Behörden, das Italienische weiterhin zu fördern in der Verwaltung und im öffentlichen Sektor, und insbesondere auch in der Gesundheitsversorgung", erzählt Falbo.
Italienischbündner seien auf sprachliche Gleichbehandlung noch stärker angewiesen als Rätoromanen, so der PGI-Präsident. Während letztere generell zweisprachig seien, bliebe für Italienischbündner Deutsch stets eine Fremdsprache.
Spiegel der Sprachrealität
In der Tat wird die Situation von der rätoromanischen Sprachorganisation Lia Rumantscha nicht ganz so dramatisch gesehen. Kommunikationschef Andreas Gabriel spricht von einer "mittleren Unzufriedenheit mit der Privatwirtschaft". Viel mehr Mühe habe die Lia Rumantscha mit romanischen und zweisprachigen Gemeinden, die nur auf Deutsch kommunizierten.
Bei vielen Institutionen klappe es auf der Webseite nicht mit dem Romanischen, in direktem Kontakt und am Telefon aber durchaus, sagte Gabriel. Der Aufwand für Übersetzungen sei wirklich hoch. Dennoch wäre es "völlig falsch", wenn die Privatwirtschaft Romanisch im Internet ganz weglasse mit dem Argument, die Übersetzung der gesamten Homepage sei zu aufwendig.
"Bis zu einer gewissen Tiefe der Homepage würden wir romanische Seiten erwarten", erklärte Gabriel. Unternehmen aus der Mittelzone zwischen Verwaltung und Wirtschaft, etwa Spitäler, sollten dabei vorspuren.
Kantonsspital und Kantonalbank geloben nun Besserung. Mittlerweile beurteile man den Stellenwert der Webseite vor dem Hintergrund der Digitalisierung anders, hiess es bei der GKB. Im nächsten Jahr realisiere die Bank eine italienische Version der Webseite.
Auch das Kantonsspital will die 10-jährige Webseite überarbeiten. Wichtigste Abschnitte sollen in den nächsten zwei bis drei Jahren in allen kantonalen Sprachen publizieren werden. (sda)
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