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Investor Summit

«Ich möchte jungen Gründern helfen»

Carsten Maschmeyer ist der bekannteste Start-up-Investor Deutschlands und aktuell an ungefähr 120 Start-ups beteiligt. Der Mentor der TV-Sendung «Die Höhle der Löwen» spricht am Investor Summit Liechtenstein am 30. November über seine Erfahrungen und seine Investmentphilosophie.
Carsten Maschmeyer ist anlässlich des Investor Summit am 30. November in Liechtenstein. (Bild: Wolf Lux)

Herr Maschmeyer, Sie waren selbst erfolgreicher Unternehmer und haben dann auf die Investorenseite gewechselt. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie selbst in Start-ups investieren?
Carsten Maschmeyer: Vor über 30 Jahren war ich selbst Gründer eines Start-ups – auch wenn man das damals nicht so bezeichnet hat. Ich habe die unabhängige Finanzberatung erfunden, ein Unternehmen mit 10 000 Mitarbeitern aufgebaut, an die Börse gebracht und dann 2007 an den grössten Schweizer Lebensversicherer verkauft. Danach hatte ich zugegebenermassen viel Freizeit, aber das wurde mir nach wenigen Wochen zu langweilig. Ich hatte den Drang, diese jahrzehntelange Unternehmer-Erfahrung an die nächste Generation weiterzugeben. Denn Erfolg ist für mich auch, wenn andere Erfolg haben und ich dazu etwas beitragen kann. So bin ich mit jungen Gründern und Start-ups intensiver in Berührung gekommen, habe begonnen zu investieren und den Gründern als Mentor und Coach zur Seite zu stehen. Das fasziniert und motiviert mich bis heute ­jeden Tag.

In wie viele Start-ups haben Sie aktuell investiert und mit welchem Fokus?
Aktuell ungefähr 120. Wir investieren in viele unterschiedliche Branchen und der Fokus liegt auf Technologieunternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen: künstliche Intelligenz, Mobility, Big Data, Cyber & Data Security, Fintech, Insurtech, Proptech. Unser regionaler Fokus ist Deutschland, Europa und USA. Die Start-ups sind aufgeteilt auf unsere Wachstumsfinanzierer Alstin Family und Alstin Capital, unseren Frühphaseninvestor seed+speed ventures und unser US-Venture-Investment-Unternehmen Maschmeyer Group Ventures.

Wie gehen Sie bei der Auswahl konkret vor? Verfolgen Sie eine spezielle Investmentphilosophie?
Meine Überzeugung ist: Es gibt keine guten Unternehmen, es gibt nur gute Unternehmerinnen und Unternehmer! Bei mir kommen Gründer immer vor dem Produkt. Ideal ist, wenn das Gründerteam komplementär ist: Wenn sich drei junge Leute vorstellen und alle waren auf derselben Uni, bei denselben Professoren, sage ich denen: «Das sind zwei zu viel und gleichzeitig zwei zu wenig.» Denn ich brauche ein Team mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Erfahrungen. Und mittlerweile gibt es noch ein weiteres Kriterium, die Coronatauglichkeit: Wird das Produkt oder die Dienstleistung auch während und nach der Pandemie gebraucht?

Sie sind Mentor in der TV-Show «Die Höhle der Löwen». In solchen Fernsehformaten sieht der Abschluss eines Investments oft sehr pragmatisch und leicht aus. Wie sieht dies in der Realität aus?
Die «Höhle der Löwen» ist schon sehr nah an der Realität. Klar, der Pitch kann bei der Aufzeichnung bis zu zwei Stunden dauern, der Sender «VOX» schneidet das dann zuschauergerecht zusammen. Die eigentliche Arbeit beginnt aber erst nach dem Handschlag in der Sendung. Mein Investmentteam und ich treffen uns mit den Gründerinnen und Gründern, besprechen die nächsten Schritte, optimieren die Strategie, erstellen die Beteiligungsverträge. Auch stellen wir unsere Kontakte zur Verfügung und helfen im Sales, vor allem b2b. Das ist eine sehr arbeitsintensive und zugleich sehr spannende Zeit.

Die Politik muss Anreize schaffen, damit mehr privates Kapital in Venture Capital fliesst, anstatt selbst noch stärker als VC-Investor auf dem Markt aufzutreten.

Wie gehen Investoren wie Sie mit Schwierigkeiten bei Start-ups um?
Mein Team und ich sind immer für die Gründerinnen und Gründer da und unterstützen, wo wir können. Meine Rolle ist formal der Investor. Tatsächlich bin ich auch Mentor, Unterstützer, Sparringspartner. Und ja, während Corona war ich für einige Gründer auch Seelsorger, Motivator und Krisenmanager. An einem Tag hatte ich fast 100 Telefonate mit Gründern, Investoren, meinem Team. Da werden Lösungen gesucht, Ideen entwickelt, Erfahrungen ausgetauscht, Gründer vernetzt.

Was raten Sie Start-ups? Wie sollen Start-ups vor allem in Krisenzeiten mit Umsatzeinbussen umgehen?
Natürlich muss in Sondersituationen wie während einer Pandemie alles auf den Prüfstand. Da heisst es erstmal Kosten senken und die Liquidität sichern. Gründerinnen und Gründer sollten dann auch schnellstmöglich nach ergänzenden und alternativen Erlösquellen suchen. Und beim Vertrieb ist dann Kreativität gefragt. Denn Sales ist gerade in Sondersituationen alles!

Wie können Regierungen generell die Start-up-Szene bzw. das Venture-Capital-Ökosystem besser unterstützen, um die digitale Transformation des Wirtschaftsstandortes zu beschleunigen?
Die Politik muss Anreize schaffen, damit mehr privates Kapital in Venture Capital fliesst, anstatt selbst noch stärker als VC-Investor auf dem Markt aufzutreten. Das führt dann nur zu Wettbewerb und treibt die Bewertungen in die Höhe. Wir brauchen auch bessere Möglichkeiten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Start-ups zu Mitunternehmern zu machen. In Deutschland tut sich da gerade etwas, um durch steuerlich begünstigte Mitarbeiterbeteiligungen eine stärkere Bindung ans Unternehmen zu erreichen und sie besser am Unternehmenserfolg teilhaben zu lassen. Ausserdem ist es wichtig, dass für Start-ups der Zugang zur Börse leichter gemacht wird.

Europa scheint in der Digitalisierung im Zweikampf zwischen den USA und China zerrieben zu werden. Teilen Sie diese Ansicht?
Grösstenteils ja. Um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, brauchen wir in Europa einen massiven Bewusstseins-Shift bei der Frage, wie viel in Zukunftsfelder wie künstliche Intelligenz (KI) investiert werden soll. Die Budgets im Vergleich zu China und den USA sind geradezu ­lächerlich. Mehr als 150 Milliarden Dollar will die Volksrepublik bis 2030 in die Erforschung der KI investieren. In den USA wurde kürzlich ein 190-Milliarden-Dollar-Programm für Forschung und Entwicklung im Senat verabschiedet, ein riesiger Teil davon wird zur Förderung künstlicher Intelligenz verwendet. Die komplette EU bringt nur rund 20 Milliarden auf, Deutschland selbst hat nur fünf Milliarden eingeplant. Das ist ganz klar zu wenig, um mitzuhalten.

Für mich ist das Silicon Valley nicht nur eine Region, sondern ein Ort voll kreativer Fantasie und positiver Lebenseinstellung.

Sie sind auch im Silicon Valley tätig. Welche Unterschiede bemerken Sie zum Umfeld in Europa?
Für mich ist das Silicon Valley nicht nur eine Region, sondern ein Ort voll kreativer Fantasie und positiver Lebenseinstellung. Hier spielen sich Eliteuniversitäten, Tech-Giganten und Investoren gegenseitig die Bälle zu. Ein einmaliges Ökosystem, das so auch nicht kopier­bar ist. Kein Wunder, dass hier alle grossen VC-Fonds der Welt sitzen. Auch ich habe seit 2017 ein Team in der Bay Area. Ausserdem ist die Deal-Time viel kürzer: Vom ersten Treffen bis zum Investment dauert es oft nur einige Tage. Und auch die Gründerinnen und Gründer treten ganz anders auf. Die Pitches sind ausgerichtet auf Wachstum. Die Gründer nehmen Misserfolg als Auszeichnung und sagen mir: «Carsten, ich habe schon zwei Firmen gegründet und bin pleite gegangen. Jetzt weiss ich, wie es funktioniert, und hier sind meine Learnings.» In Deutschland würde diese Zeit als Sabbatical im Lebenslauf getarnt werden. Die Kultur ist schon eine ganz andere.

Sie kommen zum Investor Summit nach Liechtenstein. Mit welchen Erwartungen kommen Sie zu diesem Event?
Das Summit ist exzellent vorbereitet und geplant, jetzt freue ich mich, bald dabei zu sein. Ein ideales Format, wo sich Investoren, Unternehmer und Politiker austauschen, um gemeinsam über unsere Zukunft zu diskutieren. Ich bin mir sicher, dass von diesem Tag kreative Impulse ausgehen, die weit über das Fürstentum hinausreichen.

Interview: Patrick Stahl

 

Stargast am Investor Summit Liechtenstein
Der Investor Summit Liechtenstein vernetzt seit über zehn Jahren Investoren und Entscheidungsträger mit innovativen Start-ups und Wachstumsunternehmen. Die nächste Ausgabe am 30. November 2021 im Saal am Lindaplatz (SAL) in Schaan bietet zwei Top-Speaker: Der bekannte Investor Carsten Maschmeyer, Geschäftsführer der Maschmeyer Group und Mentor in der TV-Sendung «Höhle der Löwen», und S. D. Prinz Max von und zu Liechtenstein, CEO der LGT Group, geben exklusive Einblicke in ihre Investmenttätigkeit. Moderatorin ist Sunnie Groeneveld. Im Zentrum der Veranstaltung stehen die Pitches ausgewählter Start-ups und Wachstumsfirmen auf der Hauptbühne. Sieben ausgewählte Start-ups und KMU präsentieren sich vor Entscheidungsträgern und Investoren.

 
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