Zehntausende gedenken in Serbien der Bahnhofstragödie mit 16 Toten
Mit 16 Schweigeminuten haben Zehntausende Menschen in der nordserbischen Stadt Novi Sad der 16 Opfer des Bahnhofsunglücks vor genau einem Jahr gedacht. Die Menschenmasse füllte nicht nur den weiten Platz vor dem Bahnhof, sondern auch den kilometerlangen Freiheitsboulevard (Bulevar Oslobodjenje), wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur beobachtete. Vor dem Bahnhof, dessen Vordach am 1. November des Vorjahres eingestürzt war und die Opfer unter sich begrub, legten Studierende und Bürger Blumen und Kränze nieder.
Die Tragödie hatte die bisher mächtigste und am längsten anhaltende Protestbewegung in der neueren Geschichte Serbiens ausgelöst. Deren Teilnehmer sehen in der Korruption und Schlamperei unter Präsident Aleksandar Vucic die Ursache für den Einsturz am frisch renovierten Bahnhofsgebäude. Erkenntnisse von Experten weisen gleichfalls auf schwere Mängel bei den Renovierungsarbeiten hin.
Festlicher Empfang für Studierende
Zu dem Gedenken versammelten sich Bürger aus ganz Serbien. Tausende Studenten waren zu Fuss und auf Fahrrädern aus allen Landesteilen nach Novi Sad gekommen. Viele von ihnen hatte die Bevölkerung von Novi Sad bereits am Freitagabend festlich empfangen. Auch in den Dörfern auf dem Weg zum Ort des Gedenkens erlebten die zu Fuss Marschierenden einen herzlichen Empfang mit Speis und Trank und einer Schlafstatt.
Die Vucic-Regierung stoppte bereits am Freitagnachmittag den Bahnverkehr zwischen der Hauptstadt Belgrad und Novi Sad. Sie begründete das mit einer «Bombendrohung». Das erscheint insofern nicht glaubwürdig, als die Regierung auch vor früheren Massenprotesten den Bahnverkehr mit derselben Begründung eingestellt hatte.

Uni-Besetzungen standen am Anfang
Die Proteste begannen knapp zwei Wochen nach dem Unglück von Novi Sad. Initiiert hatten sie Studierende, die ihre Universitäten besetzten und mit Strassenblockaden auf sich aufmerksam machten. Im Vordergrund hatten damals die Forderung nach Rechtsstaatlichkeit und Rechenschaftspflicht für die Regierenden gestanden. Auch wurde verlangt, dass die Verantwortlichen für den Tod von 16 Menschen, bis hinauf zur politischen Spitze, vor Gericht gestellt werden. Bisher liegen aber nicht einmal noch gerichtlich zugelassene Anklagen vor.
Die beharrlichen Aktionen der Studentinnen und Studenten überzeugten immer mehr Bürger, die sich der Protestbewegung anschlossen. Seit einigen Monaten verlangt die Bewegung vorgezogene Neuwahlen. Beobachter sprechen davon, dass es der Bewegung gelungen sei, eine bisher apathische Bevölkerung wachzurütteln. «Die Bewegung hat Serbien die Hoffnung zurückgegeben», schrieb die unabhängige Wochenzeitung «Vreme» in einem Kommentar in ihrer jüngsten Ausgabe.
Vucic reagiert mit Repression
Vucic bestimmt seit 2012 in wechselnden Funktionen die Geschicke Serbiens. Die meisten Entscheidungen trifft er alleine.
Die Renovierung des Bahnhofs von Novi Sad ist Teil des Neubaus der Eisenbahnlinie Belgrad-Budapest. Generalunternehmer sind chinesische Unternehmen. Für Vucic handelt es sich um ein Prestige-Objekt. Auf die Proteste reagierte er mit Polizeigewalt, Justizrepressionen und Desinformations-Kampagnen. (dpa)
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben







Kleines Vademecum für Kommentarschreiber
Wie ein Kommentar veröffentlicht wird – und warum nicht.
Wir halten dafür: Wer sich an den gedeckten Tisch setzt, hat sich zu benehmen. Selbstverständlich darf an der gebotenen Kost gemäkelt und rumgestochert werden. Aber keinesfalls gerülpst oder gefurzt.
Der Gastgeber bestimmt, was für ihn die Anstandsregeln sind, und ab wo sie überschritten werden. Das hat überhaupt nichts mit Zensur zu tun; jedem Kommentarschreiber ist es freigestellt, seine Meinung auf seinem eigenen Blog zu veröffentlichen.
Jeder Artikel, der auf vaterland.li erscheint, ist namentlich gezeichnet. Deshalb werden wir zukünftig die Verwendung von Pseudonymen – ausser, es liegen triftige Gründe vor – nicht mehr dulden.
Kommentare, die sich nicht an diese Regeln halten, werden gelöscht. Darüber wird keine Korrespondenz geführt. Wiederholungstäter werden auf die Blacklist gesetzt; weitere Kommentare von ihnen wandern direkt in den Papierkorb.
Es ist vor allem im Internet so, dass zu grosse Freiheit und der Schutz durch Anonymität leider nicht allen guttut. Deshalb müssen Massnahmen ergriffen werden, um diejenigen zu schützen, die an einem Austausch von Argumenten oder Meinungen ernsthaft interessiert sind.
Bei der Veröffentlichung hilft ungemein, wenn sich der Kommentar auf den Inhalt des Artikels bezieht, im besten Fall sogar Argumente anführt. Unqualifizierte und allgemeine Pöbeleien werden nicht geduldet. Infights zwischen Kommentarschreibern nur sehr begrenzt.
Damit verhindern wir, dass sich seriöse Kommentatoren abwenden, weil sie nicht im Umfeld einer lautstarken Stammtischrauferei auftauchen möchten.
Wir teilen manchmal hart aus, wir stecken auch problemlos ein. Aber unser Austeilen ist immer argumentativ abgestützt. Das ist auch bei Repliken zu beachten.
Wenn Sie dieses Vademecum nicht beachten, ist das die letzte Warnung. Sollte auch Ihr nächster Kommentar nicht diesen Regeln entsprechen, kommen Sie auf die Blacklist.
Redaktion Vaterland.li
Diese Regeln haben wir mit freundlicher Genehmigung von www.zackbum.ch übernommen.