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Paul Zenhäusern: «Etschmert» in Kapstadt

Seit 39 Jahren lebt Paul Zenhäusern in Kapstadt. Die zweitgrösste Stadt Südafrikas wurde zu seiner Heimat ? obwohl der Liechtensteiner den ältesten Balzner oftmals vermisst: den «Pföh». Deshalb kehrt der Auswanderer auch immer wieder gerne zu seiner Familie zurück.

Kapstadt/Balzers. - «Etschmert am Telefon?», erklingts am anderen Ende der Telefonleitung. Kurze Verwirrung: Hab ich aus Versehen nach Balzers telefoniert? Ein Blick aufs Telefondisplay gibt Gewissheit: Hab ich nicht. Tatsächlich führt die Verbindung nach Kapstadt, wo Paul Zenhäusern seit 39 Jahren lebt. Da erstaunt das Balzner Dialektwort «etschmert» ? ausgesprochen ohne jeglichen Akzent ? doch ziemlich. Paul Zenhäusern lacht: «Zwar habe ich in der Zwischenzeit Englisch gelernt ? dabei das Balznerisch aber nie verlernt.» Dies, weil der 67-Jährige mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in diesem Liechtentensteiner Dialekt spricht. Sie verstehen Paul ohne Probleme ? und antworten auf Africaan. Mit ihnen spricht er balznerisch, weil es für ihn ein Stück Heimat bedeutet. Mit Freunden und Bekannten in Kapstadt unterhält er sich natürlich auf Englisch.

Mit dem Schiff

Eine Sprache, die für Paul Zenhäusern noch fremd war, als er im Juni 1974 im Hafen von Kapstadt angekommen ist. In Genua begann die lange Schiffsreise ? und mit ihr eine spannende Geschichte, von welcher Paul Zenhäusern auszugsweise erzählt. Die Zeit am Telefon ist begrenzt ? doch nach seinen ersten Worten wird klar: Man möchte Paul Zenhäusern sehr, sehr lange zuhören.

Hochzeitstag

Die grosse weite Welt interessierte Paul Zenhäusern zwar schon immer ? diese auch wirklich zu entdecken, dazu motivierte ihn ein Freund. Dieser verliess zwei Jahre vor ihm das Land und reiste nach Kapstadt. Trotz Entfernung hielten die beiden Freunde regen Briefkontakt. «Er erzählte von einer schönen Gegend und genügend Arbeit», erinnert sich Paul Zenhäusern. Dies überzeugte ihn und der damals 28-Jährige brach seine Zelte in Liechtenstein ab und machte sich auf zu neuen Ufern: nach Kapstadt.
Schnell fand er eine Arbeit als Mechaniker. Um Kontakte zu knüpfen, besuchte Paul Zenhäusern Immigranten-Abende, zu welcher der Bezirk, in welchem er wohnte, regelmässig einlud. Und auch die Liebe liess nicht lange auf sich warten: Hermine heisst die Frau, die er später auch heiratete. «Sie arbeitete bei der Immigration, wo wir uns kennenlernten», erzählt Paul Zenhäusern. Dann macht er eine Pause. «Ha!», ruft er schliesslich in den Telefonhörer. «Genau heute vor 36 Jahren haben wir geheiratet!» Es ist ja erst Nachmittag ? die Überraschung für seine Frau kann er sich immer noch auf den Abend aufsparen ...

Johannesburg und Kapstadt

Für vier Jahre zog es das Ehepaar nach Johannesburg, Weihnachten 1979 gings dann aber wieder zurück in den Südwesten nach Kapstadt, wo sie bis heute sesshaft sind. Ihre Tochter Janine und ihr Sohn Louis machten die Familie schliesslich komplett. «Janine hat Medizin studiert und arbeitet heute als Ärztin in einem Krankenhaus ganz in der Nähe», erzählt Paul Zenhäusern stolz. Louis ist gelernter Koch und in einem Gourmetrestaurant in einer bekannten Weingegend von Kapstadt tätig.

Zum Braai mit Freunden

Trotz den beinahe vier Jahrzehnten, die Paul Zenhäusern nicht mehr in Liechtenstein lebt, vermisst er das eine oder andere aus seiner Heimat. «So blöd es klingt, aber manchmal vermisse ich den ältesten Balzner, den Pföh», sagt er. Auch an verschiedene Kirchenbräuche, mit denen er aufgewachsen ist, denkt er heute noch. Ebenso sei das Stammtischleben in Liechtenstein anders gewesen ? «und vor allem am Anfang habe ich den Turnverein sehr vermisst». In all den Jahren hat sich Paul Zenhäusern aber auch in Kapstadt einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Mit ihnen schaut er sich gerne mal ein Rugby-Spiel an, geht mit ihnen auf ein Bier oder trifft sich zum Braai, wie in Kapstadt das Barbecue genannt wird.
Was das kulinarische Angebot in Kapstadt anbelangt, möchte Paul Zenhäusern aber nicht mehr tauschen: «Es gibt hier sehr viele Köstlichkeiten, vor allem frischen Fisch.» Dass diese Leckereien auch noch vorzüglich zubereitet werden, dafür sorgen seine Frau und sein Sohn. «Wir gehen kaum auswärts essen, denn nirgends wird besser gekocht als bei mir zu Hause.» Nur wenn sich auch mal seine Frau bekochen lassen möchte, gönnen sie sich ein Essen in einem Restaurant. Paul Zenhäusern aber betont: «Zu Hause ist es immer noch am besten.»

Im Herzen Liechtensteiner

Eigentlich ist es gar nicht so, dass Paul Zenhäusern für immer auswandern wollte. «Meine Frau war jedoch kaum zu bewegen, nach Liechtenstein zu kommen.» Und mittlerweile sei der Zug tatsächlich abgefahren, sagt er. Umso mehr freut er sich auf die Besuche in Liechtenstein ? seine Mutter, die noch immer in Balzers lebt, ist 94 Jahre alt. Daher ist es Paul Zenhäusern wichtig, einmal im Jahr nach Liechtenstein zu reisen, die Zeit mit seiner Mutter zu geniessen, Verwandte, Bekannte und Freunde zu treffen.

Nun Pensionär

Wenn er sieht, dass es allen gut geht, kehrt er auch gerne wieder nach Kapstadt zu seiner eigenen Familie zurück. Beruflich hat er sich in den vergangenen Jahren als Mechaniker selbstständig gemacht. Seit einem Jahr geniesse er nun aber mehr oder weniger die Rente. Man merkt auch, dass ein Teil seines Herzes noch immer an Liechtenstein hängt ? und dort auch bleiben wird. So freut er sich, dass er durch die Rückbürgerung seiner Mutter ? die als Liechtensteinerin einst einen Schweizer geheiratet hatte ? nun auch wieder die Liechtensteiner Staatsbürgerschaft hat. Doch mit oder ohne Pass ? typische balznerische Worte wie «Böne» oder «Mätr» hat Paul Zenhäusern nie aus seinem Wortschatz gestrichen. Und natürlich auch das «etschmert» nicht. (bfs)

Zum Dossier: «Auswanderer - Goodbye Liechtenstein» 

 

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