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Liechtenstein ? Lima: Ein Kulturschock

1975 ist Pedro Brunhart aus Balzers nach Peru ausgewandert. Er verdiente sein Geld als Lehrer, als Schreiner und als Wollenfärber. Heute lebt er in La Paz, Bolivien, betreibt ein Restaurant und eine Buchhandlung und ist aktiv in einer politischen Partei tätig.

La Paz/Balzers.– Vor 36 Jahren reiste Pedro Brunhart als Entwicklungshelfer unter Vertrag des Liechtensteinischen Entwicklungsdienstes nach Lima, Peru. Der studierte Theologe lebte dort mit den Bethlehem-Missionaren zusammen und unterrichtete Kinder in Religion. Seine damalige Frau setzte sich als Krankenschwester ein. Als einen «Kulturschock» beschreibt er die ersten Eindrücke seiner neuen Heimat. Es war die Armut, die ihn sehr berührte. «Deshalb bin ich so wenig wie möglich ins Zentrum gefahren, denn dort war die Armut am offensichtlichsten.»
Zwar blieb Pedro Brunhart in Lima, wechselte aber nach rund drei Jahren seinen Beruf. Er arbeitete eine Zeit lang als Schreiner, dann als Deutschlehrer, danach setzte er sich für ein ausländisches Projekt ein, bevor er ein eigenes Geschäft aufbaute und dabei Kunsthandwerk vor allem in die Schweiz exportierte.

Wollenfärber

Nach neun Jahren zog Pedro Brunhart mit seiner zweiten Frau, einer Peruanerin, nach Bolivien. «Ich wollte nicht mehr länger in einer Grossstadt leben», begründet der 65-Jährige. Er zog mit seiner Frau in das Dorf Sajama und lebte dort sehr bescheiden. Das nächste Dorf, in welchem es Strom gab, lag rund 200 Kilometer entfernt. «Ich hatte weder einen Fernseher noch ein Telefon – so zu leben, gefiel mir sehr gut.» Auch hatte Pedro Brunhart nie Heimweh – obwohl er drei Brüder, eine Schwester und seine Eltern in Liechtenstein zurückliess. «Ich hoffte und hoffe immer noch, in der dritten Welt einen sinnvollen Beitrag zu leisten.» In Sajama verdiente der Auswanderer sein Geld als Wollenfärber. «Das erste Jahr war ziemlich schwierig», erinnert er sich. Nach und nach konnte er sich aber hoch arbeiten, tüftelte an Farben herum und entwarf Pullover. «Die Verarbeitung der Wolle wurde immer wichtiger als die Wollfärberei selbst und wir benötigten für die Produktion mehr Leute.» So verlagerte sich seine Arbeit allmählich nach La Paz, dem Regierungssitz Boliviens. Die Aufenthalte in La Paz wurden länger und die in Sajama kürzer – bis Pedro Brunhart mit seiner Frau schliesslich ganz nach La Paz zog.

Aktiv in der Politik

Mittlerweile besitzt und betreibt Pedro Brunhart in La Paz mit anderen Teilhabern eine esoterische Buchhandlung sowie mit seiner Frau ein vegetarisches Restaurant. «Wir haben mit beiden Betrieben eine Nische gefunden und können gut davon leben.» Ausserdem betreut Pedro Brunhart eine biologische Landwirtschaft, in welcher er nebst dem Gemüse für das Restaurant vor allem eigene Samen und biologische Insektizide produziert.
Weiters arbeitet der 65-jährige in einer politischen Partei, der grössten Oppositionspartei, die den Bürgermeister von La Paz stellt. Übersetzt heisst die Partei «Ohne Angst» und macht sich zum Ziel, eine Brücke zwischen der europäischen und der andin–amazonischen Kultur zu schlagen.
Dem Auswanderer wird nie langweilig: Im Moment macht er zusätzlich Reklame für Trocken-WCs. «Dies wäre eine gute Sache in den ländlichen Gebieten Boliviens», ist Pedro Brunhart überzeugt. Auch interessiert er sich für Fotovoltaik und elektrische Autos.

Gut eingelebt

Neben seinen vielen Beschäftigungen nimmte sich Pedro Brunhart einmal in der Woche Zeit, um über das Internet in den liechtensteinischen Zeitungen zu lesen. «Wenn Wahlen sind, schaue ich mehr rein – die Ergebnisse interessieren mich noch immer.» Deshalb würde es ihn freuen, an Abstimmungen und Wahlen teilnehmen zu können. Seit Kurzem hat er auch wieder einen Liechtensteiner Pass – «früher erlaubte dies das bolivianische Recht nicht.»
Ans Zurückkommen denkt Pedro Brunhart aber nicht: «Ich vermisse überhaupt nichts aus Liechtenstein», sagt er. «Nicht weil ich meine, hier sei alles besser, sondern deswegen, weil ich mich hier gut eingelebt habe.» (bfs)

 

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