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Schlegel: «Wer in Europa ist attraktiver als wir?»

Paul Schlegel aus Grabs präsidiert für ein Jahr den St. Galler Kantonsrat. Der höchste St. Galler Parlamentarier setzt sich seit Jahren für grenzüberschreitende Beziehungen ein ? beruflich, politisch und privat. «Wir müssen unsere Trümpfe besser spielen», sagt Schlegel.

Herr Schlegel, wir sitzen gemütlich in Ihrem Garten. Solche Momente dürften in den nächsten Monaten rar sein ? Sie sind für ein Jahr Kantonsratspräsident und höchster St.Galler. Wie viel Zeit nimmt das Amt in Anspruch?

Paul Schlegel: Ich habe schon länger einen straffen Terminkalender ? und mache trotzdem jedes Jahr fünf Wochen Ferien. Das wird auch in meinem Amtsjahr als Kantonsratspräsident nicht anders sein. Die Wahl erfolgte nicht aus heiterem Himmel. Im Hinblick auf das Amt habe ich bewusst andere Funktionen abgegeben. In meinem Jahr als höchster St.Galler wird die Politik mindestens 50 Prozent meiner Arbeitszeit beanspruchen ? die Frage ist lediglich, von welcher Wochenarbeitszeit man ausgeht. (lacht) Dieses spezielle Jahr darf aber auch etwas anstrengender sein. Normalerweise habe ich eine 5-Tage-Woche, im Amtsjahr kann die Arbeitswoche auch mal sechs oder gar sieben Tage haben.

Sind Sie in den nächsten Monaten mehr Politiker als Unternehmer?

Unser System lässt zu, beides gleichzeitig zu sein. Ich bleibe auch als Kantonsratspräsident Unternehmer. Man kann mich als Unternehmer mit Zusatzaufgaben bezeichnen.

Wie mussten Sie sich in der Unternehmung im Hinblick auf Ihr Kantonsratspräsidiumsjahr organisieren?

Eigentlich nicht anders als bisher. Delegieren ist eine meiner Stärken, ich habe Vertrauen in gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und einen guten Assistenten an meiner Seite. Zudem plane ich seit jeher zeitliche Reserven für Unvorgesehenes und Schönes ein.

Haben Sie schon als Kind davon geträumt, höchster St. Galler zu sein?

Nein. Mein Elternhaus war eher unpolitisch, mein politisches Interesse erwachte erst in der Mittelstufe. Mit 18 trat ich den Jungfreisinnigen bei, ins Rollen kam meine politische Karriere, als ich mit 34 in den Kantonsrat gewählt wurde. Im Parlament entwickelte ich rasch Interesse für dieses Amt. Der richtige Zeitpunkt für eine Kandidatur als Kantonsratspräsident wird durch zahlreiche Faktoren bestimmt, etwas Glück gehört auch dazu. Als ehemaliger Vizepräsident der staatwirtschaftlichen Kommission und langjähriges Mitglied der Finanzkommission bringe ich heute sicher das ideale Rüstzeug mit.

Die Machtfülle eines Kantonsratspräsidenten ist nicht ganz so gross wie die des Fürsten von Liechtenstein. Würden Sie gerne mal die Rollen tauschen?

Da bleibe ich schön am Boden! (lacht) Kantonsratspräsident ist man für ein Jahr, in einer Monarchie Staatsoberhaupt zu sein, ist eine ganz andere Sache. Ich habe grosse Achtung vor dem Fürstenhaus und schätze die Fürstliche Familie sehr. Unsere ganze Region profitiert von ihr. Ein Rollentausch ? und sei er auch nur für kurze Zeit ? ist vom System her nicht machbar. Ich spreche lieber über Machbares. Es ist für die gesamte Region enorm wichtig, dass wir St.Galler mit dem Land Liechtenstein auf verschiedenen Ebenen gut zusammenarbeiten. Mit der Liechtensteiner Regierung und Erbprinz Alois führe ich seit mehreren Jahren regelmässig Gespräche über die Fortschrittsthematik für unsere Region. Sie sehen, auch in der Hinsicht habe ich als Kantonsratspräsident keinen Von-0-auf-100-Start hingelegt, und genauso werde ich diese Arbeit auch in Zukunft weiterführen. Meine Arbeit für Land und Leute wird weitergehen ? ich bin schliesslich erst 49.

Welche politischen Ziele haben Sie für die Zeit nach Ihrem Präsidialjahr?

Ich habe in den letzten Jahren politisch ein grosses Netzwerk aufgebaut, das ich für die Anliegen meiner Heimat nutzen will. Meine politische Laufbahn wird weitergehen. Wohin sie führen wird, weiss ich derzeit noch nicht. Es muss nicht alles geplant sein.

Ein Wechsel auf die nationale Ebene ist für Sie denkbar?

Ja, aber ebenso denkbar ist für mich, andere politische Aufgaben im Kanton St.Gallen zu übernehmen. Ich bin für vieles offen. Auch als Unternehmer und Berater muss man ständig offen sein.

Sie sind Präsident des Vereins Liechtenstein-Werdenberg. Wie präsentieren sich die freundnachbarschaftlichen Beziehungen aus Sicht des Kantonsratspräsidenten?

Sie sind recht gut, es besteht auf beiden Seiten der Wunsch nach grenzverbindender Zusammenarbeit. Viele Organisationen und Staatsverantwortliche leisten gute Arbeit, die Probleme zwischen Liechtenstein und Werdenberg beziehungsweise St.Gallen werden direkt andiskutiert und man arbeitet gemeinsam an Lösungen.

Sie sagten in Ihrer Antrittsrede vor dem Parlament, der Kanton St.Gallen habe in der Standortförderung noch brachliegendes Potenzial. An welche Bereiche denken Sie da?

In jüngerer Vergangenheit ist einiges passiert: Es hat Neuansiedelungen von Unternehmen wie Würth gegeben, der Europasitz von Sigma Aldrich wurde nach St.Gallen verlegt. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir noch «mehr Aussenminister werden müssen». St. Gallen ist ein Ringkanton mit vielen Vorzügen und starken Nachbarn ? Liechtenstein, Zürich, Schwyz und mehr. Die Chancen für die Zukunft liegen in der Zusammenarbeit. Und da darf man sich mit Recht fragen: Wer in Europa ist attraktiver als wir? Wir müssen uns aber zeigen und präsentieren! Sicherheit, gute Lebensqualität, reine Luft, klare Gesetzgebung ? wir haben viele Trümpfe in der Hand, die es auszuspielen oder vielmehr erst einmal bekannt zu machen gilt.

Wie steht der Bezirk Werdenberg im innerkantonalen Vergleich da?

Im Export, in der Bauwirtschaft und bei den Dienstleistungen dürfen wir uns zeigen. Auch die Landwirtschaft ist gut organisiert. Der Bildungsplatz ist hervorragend. Werdenberg ist ein starker Standort und wir Werdenberger sind auch gut vernetzt. Unsere Bevölkerung will arbeiten und bietet gute Qualität zu einem vernünftigen Preis.

Gibt es dennoch Bereiche, in denen Nachholbedarf besteht?

Die Erschliessung des öffentlichen Verkehrs muss massiv besser werden. Und zwar in beide Richtungen ? sowohl nach St.Gallen wie auch nach Zürich. Der Spitalstandort Grabs soll ausgebaut werden und die grenzverbindende Region soll davon profitieren.

Sind Sie zuversichtlich, dass dies klappt?

Ja, wir haben in der Vergangenheit bereits viel erreicht. Ein Trumpf ist sicherlich der überparteilich starke Zusammenhalt der Werdenberger Kantonsräte. Seit dem Jahr 2000 treffen wir uns einmal jährlich und diskutieren unsere regionalen Themen. Der dabei entstandene Zusammenhalt hat für die Region gute Erfolge gebracht.

Sie sind aber nicht nur Unternehmer und Politiker, sondern auch Familienvater. Reservieren Sie sich bestimmte Zeiten für die Familie?

Das mache ich. Wenn Sie meine Frau oder die Kinder fragen, sind diese sicher der Ansicht, dass diese Zeit zu knapp bemessen ist.

Wie erreichen Sie eine ausgeglichene Work-Life-Balance?

Ich bin nicht nur Politiker und Unternehmer, sondern auch etwas Lebemensch ? und ich habe viele Chancen, zu neuen Kräften zu kommen. (lacht) Mein Motto lautet «Lebe heute und nicht morgen». Besonders in anstrengenden Lebensphasen stelle ich die Freude am Leben in den Mittelpunkt, viel Abwechslung und etwas Sport tragen das Ihre bei.

Sie sind sehr gut vernetzt, gelten auch als jemand, der Menschen zusammenbringt. Netzwerken macht Ihnen Spass?

Ja, Netzwerken macht mir Spass. Ich habe es früh gelernt und ein Stück weit ist es mir auch gegeben. Ich gehe mit Kontakten sehr sorgfältig um. Ein Netzwerk ist ein wertvoller Schatz, der sorgfältig gepflegt werden muss. Für mich ist wichtig, dass Menschen innerhalb meines Netzwerkes gegenseitig voneinander profitieren können.

Sie sind Co-Präsident des Vereins Expo Bodensee-Ostschweiz 2027. Was erhoffen Sie sich von einer Landesausstellung in der Ostschweiz?

Die Ostschweiz soll mehr Selbstvertrauen entwickeln. Wir Ostschweizer müssen wissen, wer und was die Ostschweiz eigentlich ist. Mit der Expo 2027 werden wir unserer Jugend einen Zukunftsschlüssel in die Hand geben. Ich verspreche, im Vorfeld der Expo 2027 wird auch Bundesbern die Ostschweiz von einer ganz neuen Seite kennenlernen! Wir Ostschweizer können viel mehr, als man uns gemeinhin zutraut. Wir werden bislang noch zu wenig wahrgenommen und deshalb häufig unterschätzt. Ich wünsche mir deshalb, dass die Ostschweiz mit der Expo 2027 ihre Vorzüge präsentieren und in der ganzen Schweiz Sympathien sammeln kann.

Sollte die nächste Landesausstellung 2027 in der Ostschweiz stattfinden, werden Sie kurz vor dem Pensionsalter stehen. Wo sehen Sie sich 2027? Noch immer an vorderster Expo-Front?

Dies weiss ich heute nicht. Bei der letzten Landesausstellung wurde das Team einige Male umgebaut; vielleicht ist es dieses Mal stabiler. Wichtig ist, dass es 2027 eine gute Landesausstellung in der Ostschweiz gibt. Für eine solche habe ich den St.Galler Anstoss gegeben und auf eine solche arbeite ich hin. (Interview: fass)

 

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