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Richard Fischer: «Ich hinterfrage die Regeln»

Richard Fischer ist nach 30 Jahren bei der VAT AG in Haag aus dem Unternehmen ausgeschieden. Langweilig wird ihm deswegen aber nicht: Der golfbegeisterte Vorarlberger hat bereits neue Projekte am Laufen. «Ich bin seit jeher immer schnell unterwegs», sagt Richard Fischer.

Die VAT AG in Haag wurde Anfang dieses Jahres von zwei Finanzinvestoren übernommen. Mit dem Verkauf ist auch Ihre Ära im Unternehmen zu Ende gegangen. War das Ihr Lebenswerk?

Richard Fischer: Ja, klar. Die Tätigkeit in den vergangenen 30 Jahren war sehr intensiv. Das ist schon eine Art Lebenswerk. Meine Tätigkeit bei der VAT war sicher der dominante Anteil, der Kern meines Berufslebens.

30 Jahre im selben Unternehmen zu bleiben, ist heutzutage eher ungewöhnlich. Mögen Sie keine Veränderungen?

Wenn ich etwas anfange, dann bleibe ich auch dabei. Ich habe die Firma damals mit 100 Mitarbeitern übernommen und habe daraus zusammen mit sehr guten Mitarbeitern eine weltweit tätige Firma aufbauen können, die internationaler Marktführer ist. Das war ein spannender Weg, auf dem man nicht einfach mittendrin aufhört. Es ist aber auch ein langer Weg und es gab auch viele Veränderungen im Laufe der Zeit, aber immer innerhalb des Unternehmens. Es ist klar: Wenn man ein Unternehmen mit regionalem Fokus international ausrichtet ? wir haben heute Niederlassungen in Japan, Amerika, Frankreich, England, Korea, Taiwan und Singapur ?, dann ist fundamentale Veränderung angesagt.

Und jetzt, wie ist das Leben danach?

Es ist nicht ein Leben davor und danach, sondern es ist eine kontinuierliche Veränderung. Ich habe ja zuerst 20 Jahre praktisch alleine die Geschäftsführungstätigkeit der VAT ausgeübt ? dann zehn Jahre als Verwaltungsratspräsident der VAT und im Verwaltungsrat der Inficon, in dem ich heute noch tätig bin.

Sie sagen selbst, Ihr Leben besteht heute aus drei Dritteln.

Wenn ich sage, mein Leben besteht aus Dritteln, dann meine ich die öffentlichen Tätigkeiten. Es gibt natürlich das Privatleben, in dem die Familie das Wichtigste ist. Das eine Drittel besteht aus meiner Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied der Inficon sowie der Vermögensverwaltung, ein Drittel dreht sich um Infrastrukturprojekte wie dem Golfpark und ein Drittel um soziale Projekte. Im Moment ist das Drittel mit dem Golfpark stark vertreten, weil wir gerade ein neues Clubhaus gebaut haben mit vielen aussergewöhnlichen Ideen, die selten, wenn nicht sogar weltweit einzigartig sind ? um den Platz zu verbessern auf ein Championship-Niveau.

Gibt es keinen klaren Fokus?

Doch, aber immer wieder andere im Leben. Mein Ziel ist es, die Balance des Lebens über mehrere Jahre innerhalb dieses Rahmens zu halten. Das reicht angefangen vom Berufsleben bis hin zu Sozialprojekten. Was auch immer gerade das Dominante ist, muss in meinen Augen fokussiert gemacht werden, weil der Mensch nur dann eine gute Leistung erbringt, wenn er sich auf etwas konzentriert.

Viel Zeit investieren Sie in den Golfpark Rankweil. Wie kam es dazu?

Ich bin stark verwurzelt in meiner Heimat. Während meiner Tätigkeit als Geschäftsführer habe ich bei einem Lieferanten-Meeting in Amerika erlebt, dass am ersten Tag eine Runde Golf gespielt wurde, um die Lieferanten in Stimmung zu bringen, und danach ist man geprügelt worden für bessere Preise. Da ich nicht golfen konnte, bin ich nur geprügelt worden (lacht). Damals habe ich aber auch als Nicht-Golfer gesehen, dass die Landschaft von Golfplätzen wunderschön ist. Das sind in Wirklichkeit keine Plätze, sondern Parkanlagen. Das hat bei mir den Wunsch aufkommen lassen, so einen Park auch in meiner Heimat zu haben.

Wie wurde die Idee dann konkreter?

In unseren Ländern ist es so, dass das starke Lobbying der Landwirtschaft Golfplätze zu verhindern versucht oder mindestens in Bergregionen drängt. Das mag für den Tourismus okay sein, unsere Wohnbevölkerung, insbesondere Arbeitende oder Jugendliche, aber auch Schulklassen können nicht eine halbe Stunde zum Golfplatz fahren und dann wieder zurück. Darum habe ich mir überlegt, dass genau dort, wo die Menschen leben, auch ein Golfplatz sein sollte.

Mit dem Golfplatz sind Sie in die öffentliche Schusslinie geraten.

Ja. Ich habe völlig unterschätzt, welche Konsequenzen ein solches Projekt nach sich zieht. Ich habe naiverweise gedacht, dass alle begeistert sind: Die Grünen, weil ein Park entsteht, anstatt industrieller Landwirtschaft. Die konservative Partei, weil Infrastruktur und Arbeitsplätze entstehen, noch dazu ohne Subventionen. Ich habe gedacht, dass die sozialistische Partei dafür ist, weil der Park auf Grundstücken der Stiftung «Jupident» entstand, die damit höhere Pachterlöse erwirtschaftet, die dann wieder Sozialzwecken zugutekommen. Ich dachte daher, das sei auf allen Ebenen ? also ökonomisch, ökologisch, sozial ? ein ganz tolles Projekt und würde von allen unterstützt.

Das sahen aber nicht alle so?

Nein. Ich habe bald gemerkt, dass es bei Parteien oft nicht um das Beste für das Gemeinwohl geht, sondern um ihre Wählergruppen und Lobbying. Zum Beispiel gibt man mit einem neuen Golfpark auf bisherigem industriellem Landwirtschaftsgrund die Hälfte der notwendigen 60 Hektare der Natur in Form von Seen, Teichen, Biotopen und Blumenwiesen zurück. Das ist eine gewaltige Verbesserung. Trotzdem waren die Grünen mit allen Mitteln dagegen. Warum? Dreimal sind oberste Gerichtshöfe bemüht worden und unglaublich viele Steine sind uns in den Weg gelegt worden. Gott sei Dank gibt es heute immer mehr Leute, die ehrlicherweise sagen: «Ich war damals dagegen, aber was hier an Biotopen, Bäumen und Park entsteht, ist auch für Nicht-Golfer eine tolle Sache.»

Würden Sie das Projekt im Nachhinein wieder starten?

Es war gut, dass ich nicht gewusst habe, was auf mich zukommt, sonst hätte ich es nicht gemacht. Am meisten hat mich geärgert, dass man persönlich angefeindet wird.

Sie geben offenbar nicht so schnell auf?

Von schnell aufgeben kann gar keine Rede sein. Wenn man derart bekämpft wird, in einer Art, die man als nicht angemessen empfindet, dann wächst in mir die Lust zu kämpfen.

Ein anderes Drittel dreht sich um Sozialprojekte. Warum ist Ihnen das wichtig?

Ich hatte zwar keine finanziellen Startmittel, aber eine ausgezeichnete Ausbildung. Ich musste vieles selber erarbeiten, hatte aber grosses Glück im Leben und wirtschaftlichen Erfolg. Dann ist es auch angemessen, dass man einen Teil zurückgibt. Wenn es einem gut geht, sollte ein Gedanke im Vordergrund stehen: Es ist mehr als genug da, Teilen ist angesagt ? insbesondere intelligent teilen.

Wie teilt man intelligent?

Ich war viel auf Reisen, auch in sehr armen Ländern. Wenn man dort die Landflucht betrachtet, stellt man immer wieder das gleiche Muster fest: Es kommen Menschen mit land­wirtschaftlichem Hintergrund in die Stadt, die keinerlei Fähigkeiten haben, die in der neuen Umgebung gebraucht werden. Ich glaube, die beste Form der Unterstützung ist der Bau von Berufsschulen, und das sind meine wichtigsten Projekte.

Welche Eigenschaften schätzen Menschen an Ihnen?

Ich glaube sicher, dass mir alle Zuverlässigkeit und Perfektion attestieren würden. Ich unterscheide dabei zwischen einer Akkuratheit, die ins Pedantische geht, und effizienter Perfektion. Für Pedanterie habe ich überhaupt kein Verständnis. Wenn es darum geht, Regeln einzuhalten nur der Regeln willen, auch wenn sie sinnlos sind, dann löst das bei mir Widerstand aus; ich hinterfrage zuerst die Regeln. Wenn man für jemanden etwas tun will ? als Firma oder auch privat ?, dann soll das auf eine effiziente und für den Kunden nutzbringende Art erfolgen. Darauf beharre ich und diese Form der Perfektion strebe ich an.

Ästhetik ist Ihnen ebenfalls wichtig. Wie äussert sich das?

Ästhetik ist hilfreich bei einem Produkt, das man verkaufen will. Sie ist nicht so messbar wie Perfektion oder Effizienz. Aber einen Massstab gibt es, nämlich, ob etwas einer überwiegenden Mehrheit gut gefällt. Persönlich äussert sich das Streben nach Schönem bei mir, indem ich Kunst sammle oder alte Häuser aus der Jahrhundertwende renoviert habe, deren Verfall schade gewesen wäre.

Sie sammeln aber auch Autos.

Ich habe wunderschöne Sportwagen, sowohl alte als auch neue, besondere Modelle von deutscher Werksarbeit und italienischer Schönheit, von denen ich denke, dass sie sehr ästhetisch sind ? eine private Spinnerei.

Sie sind gerne schnell unterwegs?

Ja, ich bin zeitlebens schnell unterwegs, mir ist immer alles zu langsam gegangen. Ich denke schnell und will, dass Dinge schnell weitergehen. Das ist mein Problem, dass ich nicht genügend Geduld und Musse besitze.

Keine Angst, Fehler zu machen?

Nein, überhaupt nicht. Fehler gehören dazu, wenn man viele Entscheidungen in kurzer Zeit treffen muss. Ich glaube, wenn man viel bewirken will, muss man viel und schnell entscheiden. Lieber treffe ich zehn Entscheidungen und eine geht daneben und ich korrigiere sie dann, als keine Entscheidung zu treffen. (Interview: dws)

 
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