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«Checksch es?» ? wie die Jugend redet

Wenn Jugendliche reden, verstehen über Dreissigjährige oft nur Bahnhof. Schnell ist dann von Sittenverfall und modernem Analphabetismus die Rede. Aber wieso reden die Jungen so und können sie wirklich nicht mehr richtig Deutsch?

«Hey Mann, wenn i met mira BFF und de Connection gi Liewand glubsche gang, pimpen mier üs vorhär richtig uf mit Knutschquark und Tussiträter, damet d Pimps üs abchecken.» Nichts verstanden? So oder so ähnlich könnte laut dem Buch «Hä?? Jugendsprache unplugged» von Langenscheidt ein Teenie reden, wenn er Folgendes erzählt: «Wenn ich mit meiner besten Freundin und unserem Freundeskreis ins Kino gehe, brezeln wir uns vorher mit Lipgloss und Highheels auf, damit die Jungs mit uns flirten.»
Manchmal versteht man wirklich nicht viel, wenn man jugendliche Konversationen an der Bushaltestelle oder im Schwimmbad mithört. Erwachsene klagen dann oft, die deutsche Sprache sei dem Untergang geweiht und viele Jugendliche könnten gar nicht mehr richtig Deutsch sprechen und lesen.

Jugendsprache gab es immer schon

Dabei vergessen sie gerne, dass sie selbst früher auch schon anders gesprochen haben als ihre Eltern. Wäre dem nicht so, würden wir heute noch Mittelhochdeutsch reden. Jede Generation entwickelt ihr eigenes Vokabular und kann Einfluss auf die Grammatik haben. Dies zum einen, weil Sprache ein sich ständig entwickelndes Medium ist, und junge Menschen neue Entwicklungen einfach schneller aufnehmen. Eine spezifische Jugendsprache entsteht aber auch, weil Junge sich von der älteren Generation abgrenzen möchten. Dies kann mit Hilfe der Mode oder Musik geschehen, aber eben auch durch die Sprache.

So wusste schon Goethe: «Ich hör' es gerne, wenn die Jugend plappert: Das Neue klingt. Das Alte klappert.» Als Erwachsener sollte man sich aber hüten, jugendliche Ausdrücke wie «fett» oder «porno» krampfhaft zu gebrauchen, die meisten Jugendlichen werden sich kopfschüttelnd abwenden. Bürgert sich dagegen ein vormals jugendliches Wort auch im erwachsenen Sprachgebrauch ein, werden die Teenies einfach neue Kreationen entwerfen, welche die Älteren dann wiederum nicht verstehen.

Können Jugendliche noch Deutsch?

Dass Jugendliche nicht mehr richtig lesen und schreiben können, dem widerspricht eine Studie von Eva Neuland, Professorin für Germanistik an der Bergischen Universität Wuppertal. Sie befragte 1200 Jugendliche in Deutschland zu ihrem Sprachgebrauch. Neuhaus kam zu dem Ergebnis, dass nur weil diese lieber «shoppen» gehen das nicht heisst, dass sie das Wort «einkaufen» nicht kennen.

Wie Jugendliche in ihrer Freizeit mit ihren Freunden sprechen, sagt nur wenig darüber aus, wie gut sie in der Schule sind oder komplexe deutsche Texte verstehen können. Heinrich Löffler, Sprachwissenschaftler der Universität Basel, sagte dazu gegenüber der «Schaffhauser Nachrichten»: «Keine Jugendsprache beeinflusst die Lesekompetenz. Signalwörter markieren die Gruppenzugehörigkeit, so wie die blau-weissen Schals der GC Fussballfans. Dabei geht es nicht nur um das sich Abheben von der Erwachsenenwelt, sondern auch um Bequemlichkeit, um Coolness. Die Sprache soll wie die Kleidung und das eigene Verhalten eine bestimmte Lebenseinstellung widerspiegeln.»

Englische Bedrohung

Auch der Einfluss des Englischen und die Übernahme sogenannter Anglizismen werden oft kritisiert. Viele sehen die deutsche Sprache durch zu viele fremdsprachige Wörter bedroht. Aber auch hier wird oft vergessen, dass die Integration von fremdsprachigem Vokabular zur normalen Entwicklung einer Sprache dazugehört. Wenn wir einander auf gut Schweizerdeutsch «tschau» sagen, bedienen wir uns dem Italienischen; sagen wir ganz einfach «merci», sprechen wir eigentlich Französisch. Einige Anglizismen werden sich hierzulande sicher einbürgern, wie zum Beispiel das oft verwendete Wörtchen «cool». Andere jedoch werden einer Jugendsprache vorbehalten bleiben, die sich ihrer bedient, um sich von der Erwachsenenwelt abzugrenzen und einen bestimmten Lebensstil auszudrücken.

Jugendliche Kreativität

Wer allerdings die SMS-Texte einiger Jugendlicher liest, könnte schon auf die Idee kommen, es handle sich um eine fremde Sprache. «BiDuNoWa? mu,sms!hdgdl,cu» könnte da zum Beispiel stehen (Übersetzung für Laien: «Bist du noch wach? Vermiss dich, schreib mir schnell! Hab dich ganz doll lieb, bis bald»). Aber solche Abkürzungen sind vorwiegend durch die Zeichenbeschränkung einer SMS entstanden. Wer nur 160 Zeichen zur Verfügung hat, muss eben erfinderisch sein.
Dieses Beispiel zeigt, dass die Entstehung von Jugendsprachen durchaus auch positive Aspekte hat. Wer so kreativ mit der Sprache umgehen kann, fördert das eigene Sprachverständnis und -gefühl. Denn nur wer versteht, wie eine Sprache funktioniert, kann mit ihr kreativ arbeiten und sie sinnvoll verändern.

«Das sagt mein Vater immer»

Im Schwimmbad Mühleholz amüsieren sich Nadine und Eliane, beide 18, sichtlich über den Jugendsprachführer von Langenscheidt. Viele der Wörter kennen sie zwar, benutzen sie aber selber nicht. Auf die Frage, weshalb Jugendliche anders sprechen als Erwachsene, kommt die prompte Antwort von Eliane: «Damit die Erwachsenen uns nicht verstehen!» Dass man die Sprache des Freundeskreises annehme, sei unvermeidlich: «Wenn alle um dich herum so reden, fängst du automatisch auch damit an», meint Nadine. Auch Victoria und Rahel, vierzehn und dreifzehn Jahre alt, sind von «Jugendsprache unplugged» kaum mehr loszureissen.

Obwohl sie die meisten Ausdrücke kennen und auch benutzen, glauben sie nicht, dass dies ihre Deutschkenntnisse beeinflusst: «Unter uns Jugendlichen reden wir eben so und gebrauchen auch viele Abkürzungen, aber das heisst nicht, dass wir nicht auch normales Deutsch sprechen können», sagt Rahel. Und nach einem weiteren Blick in das Büchlein relativiert sie auch gleich dessen Anspruch auf Aktualität: «Alpenpizza für Kuhfladen, das sagt mein Vater immer!» (ah)

Dossier: Junge Perspektiven
 

 

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