Diskussionen um "Hetzjagden" in Chemnitz
"Die Skepsis gegenüber den Medienberichten zu rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz werden von mir geteilt", sagte Maassen der "Bild"-Zeitung (Freitag). Dem Verfassungsschutz lägen "keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden haben".
Über das Video, das Jagdszenen auf Menschen mit Migrationshintergrund nahe des Johannisplatzes in Chemnitz zeigen soll, sagte Maassen: "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist."
Nach seiner vorsichtigen Bewertung sprächen gute Gründe dafür, dass es sich "um eine gezielte Falschinformation" handle, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken.
Generalstaatsanwaltschaft hält Video für echt
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden widersprach Maassen. "Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass das Video ein Fake sein könnte", sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein am Freitag "Zeit Online". Daher werde es für Ermittlungen genutzt.
Auslöser der Proteste in Chemnitz war eine tödliche Messerattacke Ende August auf einen 35-jährigen Deutschen mit kubanischen Wurzeln. Zwei Tatverdächtige, die als Asylbewerber nach Sachsen gekommen waren, sitzen wegen Verdachts des gemeinschaftlichen Totschlags in Untersuchungshaft.
An einigen Protestveranstaltungen waren auch Rechtsextremisten beteiligt. Teilweise kam es zu Übergriffen auf Polizisten, Journalisten und Ausländer. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Regierungssprecher Steffen Seibert hatten von "Hetzjagden" gesprochen.
Weiterer Vorfall
Inzwischen wurde ein weiterer Vorfall bekannt, der sich bei den teils ausländerfeindlichen Protesten vor zwei Wochen in Chemnitz ereignet haben soll. Am Abend des 27. August sei das jüdische Restaurant "Schalom" von etwa einem Dutzend Vermummter angegriffen worden, berichtet die "Welt am Sonntag". Sie hätten "Hau ab aus Deutschland, Du Judensau" gerufen und mit Steinen, Flaschen und einem abgesägten Stahlrohr geworfen.
Der Eigentümer sei an der Schulter verletzt worden, eine Fensterscheibe zu Bruch gegangen. Das Landeskriminalamt habe eine entsprechende Anzeige des Wirts bestätigt. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dem Blatt, dass "derzeit eine politisch motivierte Tat mit einem antisemitischen Hintergrund naheliege". Die Ermittlungen seien allerdings noch nicht abgeschlossen.
Offenlegung von Quellen gefordert
Aus Sicht der meisten Bundestagsparteien hat sich Maassen mit dieser Einschätzung, für die er bislang keine Belege geliefert hat, zu weit aus dem Fenster gelehnt. Linke und Grüne legten Maassen am Freitag den Rücktritt nahe.
Bundestags-Vizepräsident Thomas Oppermann (SPD) sagte, er habe für Maassens Äusserungen kein Verständnis. Der Verfassungsschutz-Präsident sorge im Augenblick für Verwirrung. "Wir haben Bilder gesehen, wir haben Zeugen gehört, wir haben gesehen, wie Menschen da den Hitler-Gruss offen auf der Strasse gezeigt haben", sagte Oppermann im Deutschlandfunk.
CDU-Politiker forderten vom Chef des Inlandsgeheimdienstes eine Offenlegung seiner Quellen. Es müsse nun rasch geklärt werden, ob dieses Bildmaterial echt oder nicht echt sei, forderte CDU-Innenexperte Stephan Harbarth. "Da muss Herr Maassen jetzt mal sagen, woher seine Zweifel eigentlich kommen."
Wenn der Präsident des Verfassungsschutzes Zweifel an der Authentizität des vorgelegten Bildmaterial habe, wäre es gut, wenn er rasch in die zuständigen Bundestagsgremien komme, um diese Zweifel zu belegen, sagte der Unionsfraktionsvize. "Da muss er Ross und Reiter benennen."
Sachsens Innenminister stützt Maassen
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) stützte seinerseits Maassens Äusserungen. Er verwies im Fernsehsender MDR darauf, dass ebenso der Generalstaatsanwalt in Sachsen keinerlei Erkenntnisse habe, dass es sich um Hetzjagden gehandelt habe.
Auch Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte am Mittwoch in einer Regierungserklärung gesagt: "Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd, es gab kein Pogrom in Chemnitz."
Der Fraktionschef der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland, Alexander Gauland, forderte Regierungssprecher Steffen Seibert auf, seinen Posten zu räumen. Maassen habe "klargestellt", "dass es anders als von der Bundesregierung behauptet keine Beweise für Hetzjagden auf Ausländer in Chemnitz gibt".
Sollte Seibert weiter für die Regierung sprechen, müsse man davon ausgehen, "dass hier ganz bewusst und professionell Volksverdummung betrieben worden ist". die AfD ist seit der letzten Parlamentswahl vom September 2017 drittgrösste politische Kraft in Deutschland. (sda/reu/afp/dpa)
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