Ungeliebte Geschenke unter dem Hammer
Die Stadt Thun geht neue Wege - mit Erfolg. Rund 100 verschmähte Weihnachtsgeschenke sind am ersten "Markt der langen Gesichter" im Rathaus versteigert worden. Der Erlös reicht aus, um einen weiteren Defibrillator für die Region anzuschaffen.
Schnäppchenjäger im Publikum
Es geht also um einen guten Zweck an diesem unkonventionellen Anlass zwischen den Jahren. Das ist für manch einen Thuner Grund genug, die Auktion zu besuchen. Auch Schnäppchenjäger mischen sich unters Publikum, ihre Begeisterung hält sich allerdings in Grenzen.
Der Grund liegt auf der Hand: Was an Weihnachten für Enttäuschung sorgt, löst in der Altjahreswoche auch nicht unbedingt Begeisterungsstürme aus. Wer will schon einen Olympia-2026-Schal, auf Wunsch mit Unterschrift des Sion-Skandalpräsidenten Christian Constantin?
Wer braucht ein Kochbuch mit Ravioli-Ausstanzformen? Warum sollte man einen englischen Fotoband über Mazedonien in die Wohnwand stellen? Und ist es für den Vorgarten wirklich ein ästhethischer Gewinn, wenn die Tonfigur einer Steffisburger Künstlerin zwischen Christrosen und Erika hervorlugt?
Vier-Kilo-Schoggi-Samichlaus
Auch ein vier Kilo schwerer Schoggi-Samichlaus erweist sich als schwer vermittelbar. Der reguläre Verkaufspreis beträgt 199 Franken, versteigert wird die Kalorienbombe schliesslich für 75. So geht es noch manch einem Objekt.
Eine Kaffeemaschine von nicht sofort erkennbarer Schönheit bringen die beiden Auktionatoren gar nicht weg - eine Frau in der ersten Reihe hatte das Publikum vor dem Kauf gewarnt. Ihre Cousine habe auch so eine. Die Maschine sei nicht einmal den festgesetzten Mindestpreis von 50 Franken wert.
Immerhin - es gibt auch Geschenke, die unter dem Hammer eine Wertsteigerung erleben. Dazu gehört das "Song Book" von Stephan Eicher und Martin Suter, das für 55 Franken versteigert wird (Originalpreis 30).
Geschenke im Abfall
Unter dem Strich ist der erste Thuner "Markt der langen Gesichter" ein Erfolg: 200 Besucher und ein Erlös von 2500 Franken.
Die Idee stammt übrigens aus Nürnberg in Deutschland. Dort machten Müllmänner vor 20 Jahren lange Gesichter, als sie in den Abfallcontainern etliche unausgepackte Geschenke entdeckten. Sie suchten nach Wegen für eine sinnvolle Verwertung des Päckli-Inhalts.
Mittlerweile gehört die Versteigerung ungeliebter Geschenke in Nürnberg zur Tradition, quasi als Antithese zum Christkindlesmarkt. Und auch in Thun sind die Organisatoren zufrieden und ziehen eine Neuauflage im kommenden Jahr in Betracht. (sda)
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