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Prinz Nikolaus blickt zurück

«Selbst wenn Island nicht EU-Mitglied wird, so erwarte ich mir in den nächsten zwei, drei Jahren Änderungen beim EWR», erklärt Liechtensteins EU-Botschafter Prinz Nikolaus zu den Herausforderungen, die auf seinen Nachfolger in Brüssel zukommen.

INTERVIEW: GÜNTHER FRITZ

Durchlaucht, Sie werden im Herbst 63 Jahre alt und könnten ja noch ohne Weiteres ein Jahr länger oder auch darüber hinaus die Funktion als EU-Botschafter und Botschafter beim Königreich Belgien wahrnehmen. Vor welchem Hintergrund haben Sie sich dazu entschlossen, sich bereits jetzt in den Ruhestand versetzen zu lassen?

Botschafter Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein: Ich bin seit 1975 in der einen oder anderen Form im Dienste der Landesverwaltung und seit 14 Jahren Botschafter in Brüssel. Dies ist eine lange Zeit. Ich hatte bereits der letzten Regierung mitgeteilt, dass ich etwas früher als zum Zeitpunkt des Erreichens des Pensionsalters den Posten bei der EU aufgeben möchte. Auch ist mir eine geordnete Übergabe wichtig und ich habe volles Vertrauen in den gewählten Nachfolger.

Wo werden Sie nach der Pensionierung Ihren Lebensmittelpunkt haben? Werden Sie nach Vaduz ziehen?

Die meiste Zeit werden wir in Schaan verbringen, wo wir eine Wohnung haben.

Sie werden der Regierung weiterhin teilzeitlich beratend und für einzelne Aufgaben zu Verfügung stehen. Können Sie schon sagen, in welchen Bereichen dies der Fall sein wird?

Die mit dem Regierungschef und der Aussenministerin hauptsächlich identifizierten Bereiche betreffen die Europapolitik, die Aussenpolitik allgemein und Finanzplatzfragen.

Sie sind seit 1986 nichtresidierender Botschafter beim Heiligen Stuhl. Werden Sie dieses Amt behalten? Wie steht es mit anderen Funktionen, die Sie noch innehaben?

Die Regierung bat mich, weiterhin Botschafter beim Heiligen Stuhl zu bleiben, was ich gerne annahm. Andere Funktionen werden von der Regierung im Rahmen der teilzeitlichen Arbeit neu festgelegt. Es gibt aber auch Aufgaben, die mit meiner bisherigen Botschaftstätigkeit nicht direkt verknüpft sind. Zum Beispiel bleibe ich bis auf Weiteres im Verwaltungsrat eines Think Thanks in Brüssel und behalte Präsidentschaften einzelner gemeinnütziger Institutionen.

Für was werden Sie sich in den nächsten Jahren mehr Zeit nehmen?

Ich freue mich, mehr Zeit für die Familie zu haben, für die nicht berufsbezogene Lektüre, für vermehrten gemeinnützigen Einsatz.

Welche Agenden möchten Sie in Brüssel unbedingt noch selber abschliessen? Wie steht es aktuell mit dem Betrugsabkommen zwischen Liechtenstein und der EU sowie dem definitiven Schengen-Beitritt Liechtensteins?

Die nächsten Wochen gehören der Vorbereitung des Botschafterwechsels. Renovation der Botschafterresidenz, Veränderungen im Büro, Abschiedsveranstaltungen, Einführung des Nachfolgers in die laufenden Angelegenheiten sind die Stichworte zu den mich jetzt beschäftigten Agenden. Aber auch die grossen Dossiers sind weiter in Behandlung und der Schengen-Beitritt macht in letzter Zeit gute Fortschritte. Im Konsens haben die EU-Mitgliedstaaten das Abkommen nun an das Europaparlament weitergeleitet. Aufgrund des neuen Lissabon-Vertrages bedarf es seiner formellen Zustimmung. Es hatte sich dazu bereits zuvor positiv geäussert. Das Betrugsabkommen ist noch immer im EU-Ministerrat blockiert. Der Druck, zu einer Entscheidung zu kommen, wird in den nächsten Monaten steigen.

Wie beurteilen Sie die Stimmung in den EU-Ländern gegenüber Liechtenstein, seitdem das Land nicht mehr auf der grauen OECD-Liste unkooperativer Steueroasen figuriert?

Die Stimmung ist besser geworden. Denken Sie nur an die freundliche Aufnahme unserer hohen Vertreter in Berlin in letzter Zeit. Die EU selbst hat sich gegenüber Liechtenstein sogar in den Krisenzeiten sehr offen verhalten. So konnten wir zum Beispiel eine Woche nach der Zumwinkel-Affäre das Schengenabkommen in Brüssel unterzeichnen, trotz gewissen Widerständen von Mitgliedsländern.

Wie schätzen Sie die Gefahr für Liechtenstein und die Schweiz ein, eines Tages den automatischen Informationsaustausch einführen zu müssen, wenn man sich nicht neuen Sanktionen aussetzen will? Wie geht es mit der Umsetzung der EU-Zinsertragsrichtlinie weiter?

Die Frage wird immer sein, inwieweit man sich von EU-Lösungen distanzieren kann, ohne den Zugang zum Binnenmarkt zu beeinträchtigen oder andere Formen der Kooperation mit der EU selbst und ihren Mitgliedsländern zu gefährden. Die Gefahr richtig gehender Sanktionen sehe ich in diesem Zusammenhang aber nicht, es geht eher um das Abwägen der Vor- und Nachteile einer Teilnahme an EU-Lösungen und der Möglichkeit von praktischen Diskriminierungen durch andere europäische Staaten.

Die Zinsertragsrichtlinie ist vorderhand mit unserem Betrugsabkommen und anderen Steuerthemen im EU-Ministerrat blockiert. Es könnte aber bald zu einer Bewegung kommen. Die Wahrscheinlichkeit wird immer grösser, dass wir ein steuerliches Gesamtpaket verhandeln werden. Zumindest zeitlich lassen sich die einzelnen Steuerdossiers kaum mehr trennen. Dies muss man aber auch als Chance sehen.

Wie sehen Sie die Chancen des Franken-Raums Schweiz/Liechtenstein im Zuge allfälliger weiterer Staatsverschuldungen und der angeschlagenen Stabilität des Euro?

Der Franken ist aufgrund der Wirtschaftslage und der geringen Verschuldung der Schweiz äusserst stabil. Betrachtet man die Kaufkraftparität, ist er noch kaum überbewertet. Bei weiteren Turbulenzen des Euro besteht natürlich die Gefahr einer Flucht in den Schweizer Franken und damit seiner Überbewertung. Der Finanzplatz profitiert vom Vertrauen in den Schweizer Franken, die Exportindustrie leidet unter einer zu hohen Bewertung.

Welche Herausforderungen kommen in den nächsten Jahren auf Ihren Nachfolger, Kurt Jäger, zu?

Die Herausforderungen werden nicht kleiner werden. Das Inkraftsetzen des Schengenpakets, die Steuerverhandlungen mit der EU bzw. mit Mitgliedsstaaten, eine Reihe von Einzeldossiers im EWR-Bereich sind vorerst zu nennen. Die Gesamtbeziehungen zur EU nähern sich aber vor allem einer Neuevaluation. Selbst wenn Island nicht EU-Mitglied wird, so erwarte ich mir in den nächsten zwei, drei Jahren Änderungen beim EWR. Das wird wohl die grösste Herausforderung. Herr Jäger hat die notwendigen Qualitäten, um diese Aufgaben anzugehen und es ist der richtige Zeitpunkt für einen neuen liechtensteinischen Transmissionsriemen in Brüssel.

 
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