Eigenes Gesetz für Staatsanwälte
Von Heribert Beck
Bis zum Ende des Jahres 1913 bestand in der Liechtensteiner Justiz das sogenannte Inquisitionsverfahren. Für Untersuchung, Anklage und Entscheidung in einer Strafsache war ein Richter zuständig. 1914 wurde dann ein Teil der Strafrechtspflege mittels fürstlicher Verordnung an den nach österreichischem Vorbild eingeführten Staatsanwalt übertragen. Damals herrschte die Ansicht, dass es lediglich einen einzigen Staatsanwalt brauche, der gleichzeitig als Richter beim Landgericht tätig war.
Den Zeichen der Zeit anpassen
Seit 1914 hat sich viel getan. Heute hat Liechtenstein fünf Staatsanwälte, einen leitenden Staatsanwalt und dessen Stellvertreter. Insgesamt also sieben Staatsanwälte. Erweitert hat sich auch deren Aufgabenbereich. Mittlerweile haben sie die Kompetenz, Strafverfahren wegen schwacher Beweislage einzustellen oder sie sogar dann mittels Diversion einzustellen, wenn ein Straftatbestand vorliegt.
Damit nimmt die Staatsanwaltschaft auch richterliche Aufgaben wahr. Darüber hinaus nehmen die Staatsanwälte aufgrund ihres Aufgabenspektrums eine Sonderstellung innerhalb der Landesverwaltung ein, die nicht mit den Angestellten anderer Behörden verglichen werden kann.
Modernen Erfordernissen halten die Bestimmungen aus dem Jahr 1914 sowie jene in der Strafprozessordnung und im Staatspersonalgesetz jedenfalls nicht mehr stand. «Daher wollen wir die organisationsrechtlichen Bestimmungen der Staatsanwaltschaft und die dienst- und disziplinarrechtlichen Bestimmungen für Staatsanwälte neu in einem eigenen Staatsanwaltsgesetz regeln», sagt Regierungschef Klaus Tschütscher. Das neue Gesetz, welches die Regierung in ihrer gestrigen Sitzung verabschiedet hat, werde dabei dem Gerichtsorganisationsgesetz und dem Richterdienstgesetz angeglichen, wie aus einer gestern versandten Pressemitteilung hervorgeht.
Objektiv, unbeeinflusst, abgesichert
Das neue Gesetz soll gewährleisten, dass die Staatsanwälte ihre Aufgaben im sensiblen Bereich der Strafverfolgung objektiv, unbeeinflusst und mit weitgehender dienstrechtlicher Absicherung erfüllen können, und es soll für genügende Rechtssicherheit sorgen. «Für Liechtenstein ist die Rechtsstaatlichkeit von grundlegender Bedeutung», sagt Regierungschef Tschütscher in diesem Zusammenhang. Dies gelte nicht nur heute, sondern sei auch für die Zukunft des Landes und insbesondere für die Reputation des Finanzplatzes ganz entscheidend.
Alle Bereiche klar geregelt
Durch die gestern zuhanden des Landtags verabschiedete Vorlage sollen dementsprechend gesetzliche Regeln für den Aufbau der Staatsanwaltschaft geschaffen werden. Zudem sollen die interne Organisation und die Geschäftstätigkeit der Staatsanwaltschaft sowie die Berichtspflichten geregelt werden. Wesentlich in der Vorlage ist auch die gesetzliche Regelung eines eingeschränkten Weisungsrechts der übergeordneten Behörde gegenüber der Staatsanwaltschaft. Dieses soll ein Verbot von Weisungen auf Einstellung eines Verfahrens enthalten.
Mit der Gesetzesvorlage sollen zudem eigene Regeln für die Beziehungen der Staatsanwaltschaft zu den Gerichten, der Dienstaufsicht, für den Ausschluss und die Ablehnung von Staatsanwälten sowie deren Rechte und Pflichten festgelegt werden. So soll einem Staatsanwalt beispielsweise ein Mandat im Landtag oder einem Gemeinderat untersagt sein. Die Tätigkeit des leitenden Staatsanwalts wird zudem als unvereinbar mit der Mitgliedschaft in einem Parteigremium angesehen.
Ausführlich geregelt wird im neuen Gesetz ausserdem die Begründung des Dienstverhältnisses, wobei die Anstellungserfordernisse dem Richterdienstgesetz angeglichen sind. «Dies soll einen Wechsel vom Richter- in den Staatsanwaltsberuf und umgekehrt erleichtern», erklärt Regierungschef Tschütscher. Weiters sollen separate Regelungen hinsichtlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses sowie eine eigene richterliche Disziplinargewalt für Staatsanwälte in Anlehnung an das liechtensteinische Richterdienstrechtsgesetz eingeführt werden.
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