Merkel verspricht rasche Regierungsbildung
Die Politiker hätten den Auftrag, sich um die Herausforderungen der Zukunft zu kümmern und die Bedürfnisse aller Bürger im Auge zu haben, sagte Merkel in der Rede, die am Sonntag ausgestrahlt werden soll. "Diesem Auftrag fühle ich mich verpflichtet - auch und gerade bei der Arbeit daran, für Deutschland im neuen Jahr zügig eine stabile Regierung zu bilden."
Die seit Monaten nur noch geschäftsführende Kanzlerin hatte sich über Weihnachten ein paar Tage zurückgezogen. Kurz vor dem Jahreswechsel kehrte sie nach Berlin zurück, um ihre traditionelle Ansprache aufzuzeichnen.
Es ist bereits Merkels 13. Rede zum Jahresende - aber ihre erste ohne richtige Regierung. Seit 1970 spricht der Bundeskanzler zum Neujahrstag, der Bundespräsident zu Weihnachten. Von 1949 bis 1969 war es umgekehrt.
Mehr Zusammenhalt
Merkels letzte Neujahrsansprache stand unter dem Eindruck der Terroranschläge von Würzburg, Ansbach und Berlin im Jahr 2016. Nach einem Jahr heftiger politischer Streitigkeiten, nach dem Einzug der AfD in den Bundestag und der monatelangen Hängepartie bei der Regierungsbildung rief die Kanzlerin dieses Jahr zu mehr Zusammenhalt und Respekt in der Gesellschaft auf.
"Dass wir uns wieder stärker bewusst werden, was uns im Innersten zusammenhält, dass wir wieder deutlicher das Gemeinsame in den Vordergrund stellen, dass wir uns bemühen, wieder mehr Achtung vor dem anderen zu haben, und zwar Achtung im umfassenden Sinne - aufmerksam sein, wirklich zuhören, Verständnis aufbringen -, das sind meine Wünsche für das neue Jahr."
Viele machten sich Sorgen über den Zusammenhalt in Deutschland. "Schon lange gab es darüber nicht mehr so unterschiedliche Meinungen. Manche sprechen gar von einem Riss, der durch unsere Gesellschaft geht." Erfolg und Zuversicht seien ebenso Realitäten in Deutschland wie Ängste und Zweifel. "Für mich ist beides Ansporn", sagte Merkel.
Nun müssten die Voraussetzungen geschaffen werden, dass es Deutschland auch in zehn, fünfzehn Jahren gut gehe. Merkel nannte die Sicherung von Arbeitsplätzen, die Schaffung neuer Jobs und die Digitalisierung, aber auch die finanzielle Entlastung von Familien, gute Pflege und die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land.
"Und wir werden noch mehr in einen starken Staat investieren müssen, der die Regeln unseres Zusammenlebens verteidigt und für Ihre Sicherheit - für unser aller Sicherheit - sorgt."
Europäische Werte vertreten
Um Zusammenhalt gehe es auch in Europa. Die Europäer müssten ihre "Werte solidarisch und selbstbewusst nach innen wie nach aussen vertreten", sagte Merkel. "Deutschland und Frankreich wollen gemeinsam dafür arbeiten, dass das gelingt, und so dazu beitragen, Europa für die Zukunft fit zu machen."
Die Auflistung klingt ein wenig wie ein Wahlprogramm - auch mit Blick auf die anstehenden Sondierungen von Union und SPD, die am 7. Januar beginnen sollen. Mögliche Ergebnisse sind eine grosse Koalition oder einer Minderheitsregierung unter Merkel.
Wie viele solcher Ansprachen Merkel noch halten kann, ist völlig offen. Ihr Rückhalt in der Bevölkerung bröckelt: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa wünscht sich fast jeder Zweite (47 Prozent), dass sie bei einer Wiederwahl zur Regierungschefin ihren Posten vor Ende der Wahlperiode 2021 räumt. (sda/dpa)
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